Auch im Frühjahr 2025 laden das LCB und TOLEDO zum Internationalen Treffen der Übersetzer·innen deutschsprachiger Literatur ein. Bis zu zwanzig Teilnehmer·innen aus aller Welt erhalten dabei die Möglichkeit, aktuelle Entwicklungen der deutschen Gegenwartsliteratur kennenzulernen und sich durch die persönlichen Kontakte zu Autoren, Verlegern und Kritikern, aber auch zu Kolleginnen aus anderen Ländern in das TOLEDO-Netzwerk einzubringen. Auf die dreitägige Seminarphase im LCB folgt der Besuch der Leipziger Buchmesse. Reisekosten und Unterkunft werden übernommen. Interessierte Übersetzer·innen bewerben sich bis zum 15. November 2024.
Mit Levitan liegt nun der zweite Teil der autobiographischen Trilogie von Vitomil Zupan (1914-1987) auf Deutsch vor. In seinem TOLEDO-Journal sucht der Übersetzer Erwin Köstler nach Gründen, warum Zupan, einer der großen slowenischen Erzähler, erst so spät ins Deutsche übersetzt wird, beschreibt die Herausforderungen an der Übersetzung dieses wortgewaltigen Gefängnis- und Gesellschaftsromans und berichtet eindrücklich vom Sichten des Nachlasses Zupans, in dem sich hunderte eng beschriebene, unter den widrigen Bedingungen der Haft entstandene Miniaturbüchlein befinden.
ViceVersa: Deutsch-Italienische Werkstatt | 4.-11. März 2025 in Castasegna, Schweiz | Leitung: Elena Sciarra und Ulrike Schimming | Bewerbungsfrist 10. Januar 2025
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Curzio Malapartes epochaler Roman „Die Haut“ über das Kriegsende in Italien erschien im Original 1949, in erster deutscher Übersetzung 1950. Über 70 Jahre später erscheint nun eine Neuübersetzung von Frank Heibert (Rowohlt Verlag). Eindrücklich berichtet Heibert von den Herausforderungen dieser Übersetzung, von seiner ambivalenten Haltung gegenüber dem schillernden, aber nicht unbedingt sympathischen Autor und davon, was es braucht „in dem vom Autor hochgezogenen [Text]gebäude zu wohnen und es zu übersetzen“.
Mit Schattenvolk erscheinen in der Übersetzung von Eva Schestag 16 Erzählungen von Can Xue, die die schon seit einiger Zeit als Nobelpreiskandidatin gehandelte Autorin im chinesischen Original zwischen 1996 und 2018 in Literaturzeitschriften verstreut publizierte. In ihrem TOLEDO-Journal beschreibt Eva Schestag, wie sie durch den avantgardistisch Kosmos der experimentellen Erzählungen navigiert: Wie fängt man – ganz allgemein – in der deutschen Übersetzung die traumtänzerische, oft kafkaeske Stimmung von Can Xues Literatur ein und wie überträgt man – ganz konkret – zum Beispiel die chinesischen Eigennamen mit ihren versteckten Bedeutungsebenen?
2024 ging das internationale Treffen für Lyrikübersetzer·innen JUNIVERS in die sechste Runde! Lyrikübersetzer·innen deutschsprachiger Gegenwartslyrik wurden für eine Woche an den Wannsee eingeladen, um sich über ihre poetischen Universen auszutauschen und im persönlichen Kontakt mit Kolleg·innen anderer Länder sowie mit wichtigen Akteuren der Berliner Lyrikszenen Teil eines wachsenden Netzwerkes zu werden. Das gesamte Programm und einige Fotos sind jetzt online.
„Den Begriff des Kannibalismus, oder aufgehübscht, der Anthropophagie, fand ich immer unverdaulich, in erster Linie, weil die als Kannibalen Bezeichneten nie eine Chance hatten, Stellung zu beziehen. Und ich weiß nicht, warum ich einen Text, den ich übersetze, verschlingen, verdauen, in anderer Form wieder herausspucken sollte?“ – fragt sich Odile Kennel bei ihrer Nachdichtung des Gedichts „i-juca piranha“ von Érica Zíngano, welches selbst auf vielfältige Weise mit dem TUPI-Begriff spielt.
„Manchmal fühlt es sich an, als hätte ich sie gegessen.
Manchmal denke ich, ich wäre ein Kannibale.“
Aus der Erfahrung einer Lebertransplantation sucht David Wagner andere Bedeutungsebenen der Anthropophagie und liest einen Roman, in dem ein Mensch aus Liebe verspeist wird.
Zhijun Yang schreibt über Gender, Übersetzung und Zensur im zeitgenössischen chinesischen Theater, Annie Rutherford erzählt von Gender-Übersetzen-Diskursen zwischen UK und Tschechien, Nantana Anuntkosol berichtet von den Diskussionen zu Künstlicher Intelligenz beim Tag der thailändischen Übersetzer·innen und Dolmetscher·innen, und Florian Bissig betrachtet die literarische Produktivität der Mehrsprachigkeit der Schweiz bei den Solothurner Literaturtagen.
»Ein Wort steht im Weg wie ein Tier und ich kann nicht weitergehen: „Ungeziefer“. Vielleicht ist es ein sogenanntes Kollektivum, bei dem das Schicksal der einzelnen Kakerlaken oder Ratten nicht zählt. Bei Kafka geht es aber gerade um ein einziges Ungeziefer, das keinen Artgenossen hat.«
José Henrique Bortoluci zeichnet mit Was von meinem Vater bleibt ein Portrait seines Vaters, der fünfzig Jahre lang mit einem Lkw durch Brasilien gefahren ist. Das Buch, zwischen verschiedenen Registern und Intensitäten aufgespannt, präsentiert sich der Übersetzerin als „elastisch-fester Textkörper“. In ihrem Journal zeigt Maria Hummitzsch auf, wie sie den Textbewegungen nachspürt und warum die „Gebiete abseits der Hauptwege“ ein fruchtbares Bild für die Tätigkeit des Übersetzens darstellen und das Unerwartete einen wichtigen Teil jedes Kunstwerks ausmacht.
Für ihre Übersetzung von Stefano Massinis Roman „Die Lehman Brothers“ (Hanser, 2022) erhält Annette Kopetzki den Hauptpreis des Mazzucchetti-Gschwend-Übersetzungspreises 2024 (vormals Deutsch-italienischer Übersetzerpreis). Wir gratulieren und laden herzlich zur Lektüre ihres TOLEDO-Journals ein.
Die feierliche Preisverleihung fand am 13. Juni 2024 in der italienischen Botschaft in Berlin unter der Leitung von Botschafter Armando Varricchio statt und ehrt außergewöhnliche literarische Übersetzerinnen und Übersetzer, die zur kulturellen Verständigung zwischen Deutschland und Italien beitragen.
Anhand von Beispielen aus der belarussischen Kunstszene ergründet Iryna Herasimovich das revolutionäre Potenzial von Anthropophagie und beschreibt im Gegenzug die kannibalischen Eigenschaften eines diktatorischen Systems, das in die intimsten Lebensbereiche der Menschen eindringt. Herasimovich stellt verschiedene anthropophagische „Überlebensmodi“ dar und erarbeitet ein Verständnis von Anthropophagie als Konzept zwischen Erstarrung und Einverleibung. Eine herzliche „Einladung zum Überwinden der gewohnten Denkschranken“.
Mit Mychail Semenko, Mykola Chwyljowyj und Majk Johansen stellt Claudia Dathe drei Protagonisten der avantgardistischen Bewegungen der Ukraine vor, die für die künstlerischen Widerstands- und Erneuerungsstrategien der 1920er Jahre stehen. Dathe betrachtet die damaligen Bestrebungen, sich von den kolonialen Praktiken Russland loszusagen durch das Prisma der Antropofagia und stellt so erhellende, neue Bezüge her.
Mit ihrem Gedichtband Babyn Jar. Stimmen bricht die ukrainische Autorin Marianna Kijanowska das politisch verordnete Schweigen über den Holocaust auf dem Gebiet der Ukraine. Sie bringt die Stimmen von Menschen zum Sprechen, die auf dem Weg in den Tod sind. Eineinhalb Jahre hat Claudia Dathe an der Übertragung ins Deutsche gearbeitet. In ihrem vielschichtigen TOLEDO-Journal „Sprechen und schweigen: übersetzen“ teilt sie ihre Erinnerungen und Überlegungen.
„Quallen haben keine Ohren“ von Adèle Rosenfeld ist ein Roman, in dem durch das schwindende Hörvermögen der Protagonistin die Sprache bröckelt. Im ‚vierohrigen Tiefenübersetzungsjournal‘ erfahren wir, wie eine Hörbeeinträchtigung poetisch transzendiert wird – und aus „Muesli“ der „Untergang von Wien“ wird. Nicola Denis navigiert uns durch die vielen Spielarten des homophonen Übersetzens, wirft Blicke zu Ghérasim Lucas Stottergedichten und Ernst Jandls Oberflächenübersetzung und wird selbst zur Tiefenübersetzerin.
„Quallen haben keine Ohren“ von Adèle Rosenfeld ist ein Roman, in dem durch das schwindende Hörvermögen der Protagonistin die Sprache bröckelt. Julie Tirard unterhält sich mit der Übersetzerin des Buchs, Nicola Denis, wie in diesem Roman eine Hörbeeinträchtigung poetisch transzendiert wird und welche Herausforderungen dies beim Übersetzen mit sich bringt. Ein Gespräch über Münder, über das Singen und über lange Tische.
Aristoteles als begnadeter Werbetexter, Kant als Karaokefan, Rousseau, der bei seiner Suche nach der Natur den Wald in Brand setzt – äußerst humorvoll nimmt Catherine Meurisse in ihrem Comic Allzumenschliches (Carlsen Verlag, 2024) berühmte Philosoph·innen aufs Korn. Bei der Übertragung ins Deutsche findet Lilian Pithan ihren „funny bone“, um die vielgestaltigen Wortspiele des Originals nachzubilden, und nimmt wieder Kontakt mit Lektüren aus ihrer Pariser Studienzeit auf.
Der Deutsche Übersetzerfonds (DÜF) hat sich mit dem Deutschen Literaturarchiv Marbach (DLA) zusammengeschlossen: In gemeinsamen Workshops und in vom DÜF bereitgestellten Stipendien erforschen Übersetzende die Nachlässe ihrer Kolleginnen und Kollegen. Nun liegen erste Essays vor, die aus diesen Forschungen hervorgegangen sind.
817 Haiku (von über 4000) gibt Richard Wright im Jahr seines Todes 1960 zur Veröffentlichung frei. Mithilfe seiner Tochter Julia Wright gelingt diese über 40 Jahre später. In den letzten fünf Jahren hat Jonis Hartmann versucht sich einer deutschen Übertragung zu nähern. Hier schreibt er über Zu-, Auf- & Abgänge beim Konstruieren mit Verlust, Bewegungsmustern, Silbenzahl, -rollen.
Zum nächsten Internationalen Treffen der Übersetzer·innen deutschsprachiger Literatur (IÜT) laden das Literarische Colloquium Berlin und das TOLEDO-Programm im März 2025 ein, im Umfeld der Leipziger Buchmesse. Im Mai 2025 veranstalten wir in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis für Jugendliteratur das Treffen internationaler Übersetzer·innen deutschsprachiger Kinder- und Jugendliteratur „Kein Kinderspiel“. Diese einwöchigen Angebote erweitern wir – gefördert aus dem Culture Moves Europe-Programm der Europäischen Union und dem TOLEDO-Mobilitätsfonds – um insgesamt zehn Residenzstipendien, die ausgewählten Übersetzer·innen einen einmonatigen Arbeitsaufenthalt im LCB ermöglichen. Bewerbungsschluss: 15. Mai 2024.
Patricia Klobusiczky nähert sich dem Konzept der Anthropophagie, das zunächst in ihrer Lebens- und Lesenswelt nicht vorzukommen scheint. Bei näherem Hinsehen begegnet es ihr plötzlich überall und präsentiert sich gar als eine Art Universalschlüssel zum Weltverständnis. Eine Variation der antropofagiá zwischen Abscheu und Faszination, Einverleibung und Einverliebung.
Der brasilianische Lyriker Ricardo Domeneck erörtert, welche Vorurteile es gegenüber dem Kannibalismus und Menschenopfern im Namen der Religion in der Kolonialzeit gab und weiterhin gibt. Er setzt sich mit dem Begriff des Ekels in unserem Verhältnis zu anderen Spezies auseinander und stellt uns vor, wie Oswald de Andrades Aufruf zu einer kulturellen Anthropophagie in verschiedenen historischen Kontexten in Brasilien und im Ausland aufgenommen wurde.
Logan February reflektiert das Konsumieren und die Umgestaltung der Werke Marina Abramovićs in seiner·ihrer Kunst und Schreiben. Die eigene künstlerische und akademische Beziehung zum Werk der Performance-Künstlerin beschreibt February als „eine Art ekphrastische Übersetzung“. Insbesondere die Spirit Cooking-Performance (1997) hat February inspiriert; sie ist eine Vorlage, um Schmerz und Gewalt als Kunst darzustellen, und zwar nach den Bedingungen der Künstler·in selbst. Anhand Marina Abramović, der Schriftstellerin Sakaya Murata und anderen Essays dieser Reihe erforscht February das subversive, queere und ermächtigende Potential verschiedener Formen kannibalistischer Zeremonien.
Mit Skepsis und Humor blickt Uljana Wolf auf die Kannibalismustrope, die in der literarischen Übersetzungstheorie der letzten Jahre als dekoloniale Figur interpretiert wird. Bei der Betrachtung der Bilder Tarsila do Amarals erkennt sie eine Kontinuität der kolonialen Perspektive der Antropofagia. Uljana Wolfs Blick richtet sich auf Lygia Clarks Performance »Baba Antropofágica« (1969), in der Fäden aus einem Mund abgespult werden. Das Abspulen eines Fremdkörpers aus dem eigenen Mund – eine anti-anthropophagische Analogie zur eigenen Übersetzungspraxis?
»Wie einen Text übersetzen, der mit dem Statement beginnt, es könne keine Übersetzung von ihm geben?«
Christian Filips gibt Einblick in den Übersetzungsprozess des soeben erschienenen Gedichtbands »Mental Voodoo« (Urs Engeler) von Logan February: Fragen nach Übersetzbarkeit, Geburtsmythen der Yorùbá-Tradition, queere Übersetzungspraktiken.
Video-Beitrag aus dem JUNIVERS-Kollektiv für die Gedenkmatinée in der Volksbühne am 25.02.2024
Mit: Verica Tričković, Carmen Gómez García, Shane Anderson, Riikka Johanna Uhlig, Gonzalo Vélez, Dong Li, Namita Khare, Nicholas Grindell, Shane Anderson, Aurélie Maurin, Bela Chekurishvili, Iryna Herasimovich, Brane Čop, Douglas Pompeu
Noch vor dem Frühling kommt unser neuer Newsletter – mit einer ganzen Reihe aktueller Journale, Beiträge, Veranstaltungen und Ausschreibungen für Sie. Ganz besonders freuen wir uns auf unsere kommenden großen Netzwerktreffen sowie die TOLEDO-Aufenthaltsstipendien, die weiterhin an die Teilnahme am Internationalen Übersetzertreffen (IÜT) oder an JUNIVERS gebunden sind.
2024 geht das internationale Treffen für Lyrikübersetzer·innen JUNIVERS in die sechste Runde! Die diesjährigen Teilnehmenden sind Sool Park (Koreanisch), Manuela Klenke (Rumänisch), Karen Leeder (Englisch), Verica Tričković (Serbisch), Özgecan Kesici (Englisch), Agnieszka Walczy (Polnisch), Natalya Kulabukha (Ukrainisch), Steph Morris (Englisch), Linda Östergaard (Schwedisch). Mit einem Culture Moves Europe-Stipendium nehmen außerdem Seda Tunç (Türkisch), Tanja Petrič (Slowenisch), Sven Keromnes (Französisch) und Bojana Denić (Serbisch) teil.
In der RundUmschau widmen wir uns internationalen Debatten und Neuigkeiten rund um das literarische Übersetzen. In dieser Ausgabe erreichen uns Ein- und Ausblicke aus der Schweiz, dem Iran und der Ukraine.
Anlässlich einer gemeinsamen Übersetzungsresidenz mit der Theaterautorin Ivana Sokola denkt Julie Tirard darüber nach, was es bedeutet, einen Text erneut zu öffnen. Es folgt eine schwindelerregende Liste von Fragen: Was wäre, wenn die Übersetzung schon begonnen würde, bevor der Text überhaupt fertig ist? Was wäre, wenn wir die Texte direkt in zwei Sprachen erschaffen würden, statt sie zu übersetzen? Was wäre, wenn es kein Original mehr gäbe? Antworten in drei Podcastfolgen.
Sabine Hänsgen (geb. 1955) und Georg Witte (geb. 1952) haben die Verluste des Zweiten Weltkrieges als Teil ihrer eigenen Familiengeschichten erlebt, was zugleich das Interesse für die russische Kultur nährte. Das künftige Übersetzerduett lernte sich während des Slawistikstudiums an der Reformuniversität Bochum kennen. Die dortige Atmosphäre der Erneuerung von Forschung und Lehre und der Orientierung auf die Zeitgenossenschaft hat beide entscheidend geprägt. Als Hänsgen und Witte Anfang der 80er Jahre mit ihren Forschungsvorhaben nach Moskau gingen, fanden sie schnell den Anschluss zur inoffiziellen sowjetischen Kunst – und stürzten sich ins Übersetzen. Ihr Ziel war es, „nicht nur als Buch schriftlich zu publizieren, sondern das ganze Milieu, in den Stimmen, in den Actions und Performances, die dort stattgefunden haben, mitzuvermitteln“, sagt Georg Witte. Um die Kunstaktionen und Performances festhalten zu können, schmuggelte Sabine Hänsgen eine VHS-Kamera nach Moskau ein. „Das Ähnliche im Unähnlichen oder das Unähnliche im Ähnlichen zu entdecken“, so beschreibt sie den Ansatz, die konzeptuelle Kunst des sowjetischen Undergrounds in den westlichen Kontext einzubetten. Der ersten Publikation, dem Medienpaket „Kulturpalast“ (1984) folgten bald weitere. Das Doppel-Pseudonym des Übersetzerpaars, Günter Hirt & Sascha Wonders, einst als Schutz gegen die Zensur ausgedacht, lebte auch nach der Wende fort. Dank der Arbeit von Günter Hirt & Sascha Wonders können wir heute unter anderem die Stimmen von Igor Cholin, Wsewolod Nekrassow, Dmitri Prigow, Lew Rubinstein in deutschen Übersetzungen lesen. Wie auch für andere Kolleg·innen, die sich mit der russischen Literatur befassen, bedeutete für Hänsgen und Witte der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine 2022 einen „existentiellen Schnitt“.
Eine Übersetzerin übersetzt einen Roman, in dem es um eine Übersetzerin geht – Lydia Dimitrow beschreibt in ihrem Journal über die Übersetzung von Bruno Pellegrinos Roman Stadt auf Zeit, wie sie sich ihren Weg durch einen Text wie ein Spiegelkabinett bahnt, an welchen Stellen sie sich ertappt fühlt, wann sie strauchelt und welches Glück darin liegt, beim Übersetzen nie allein zu sein.
Auf VOOO.SPACE – der digitalen Villa des Literarischen Colloquium Berlin – gibt es in Anlehnung an unsere TUPI OR NOT TUPI-Reihe ein digitales Atelier zu Kannibalismus. Mit Beiträgen von Daniela Dröscher, Maximilian Gilleßen, Mehdi Moradpour, Lena Müller, Oliver Precht und Senthuran Varatharajah.
Anhand einer surrealen Episode aus dem Buch Macunaíma. Der Held ohne jeden Charakter (1928) reflektiert Douglas Pompeu seine eigene übersetzerische Praxis. Wie übersetzen wir, wenn der Text ein Fremdkörper ist? Douglas Pompeu führt uns in einen Grenzbereich zwischen Heimat und Ferne, Körper und Fremdkörper – und zeigt uns Sprache als ein Stück Fleisch, das geschluckt und, verdaut oder auch nicht, wieder ausgespuckt wird.
Der italienische Comic-Superstar Zerocalcare legt seinen zweiten Reportage-Comic über seine Recherchereise in den Irak vor und beschert der Übersetzerin schlaflose Nächte. Wie weit ist es zur nächsten Pointe? Und können die deutschen Leser·innen darüber lachen?
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Wenig überraschend, dass der Kannibalismus auch im Horrorfilm seinen Facettenreichtum zeigt. Georg Leß erstellt einen Leitfaden für Neueinsteiger·innen.
Nach dem 1965 veröffentlichten Band Było i było, der eine Reihe „linguistischer“ Gedichtbände beschließt, widmet sich der polnische Dichter, Erzähler und Theaterautor Miron Białoszewski über zehn Jahre lang fast ausschließlich der Prosa. Ab 1978 entstehen wieder versifizierte Texte, die zu Zyklen gebündelt werden. Allerdings bleibt dem Schriftsteller wenig Zeit, um sein poetisches Werk zu vollenden, da er 1983 knapp sechzigjährig stirbt. Einen Einblick in seine letzte Schaffensphase gibt nun der bei Urs Engeler erscheinende Auswahlband Die Sonne und ich, übersetzt von Dagmara Kraus und Henk Proeme, dessen Entstehung und Vorgeschichte das Journal erzählt.
Im dritten Labor des Trans|Droste-Projekts haben Kaouther Tabai, Barbara Fontaine und Annie Rutherford eine Auswahl von Annette von Droste-Hülshoffs Gedichten zum Thema „Schreiben als Frau“ ins Arabische, Französische und Englische übersetzt. In ihrem kollaborativen TOLEDO-Journal annotieren sie Zeile für Zeile und farbkoordiniert ein Gedicht und beleuchten so ihren gemeinsamen Übersetzungsprozess: In „Mein Beruf“ steckt – verschleiert – viel von Drostes Selbstverständnis als Dichterin.
Christiane Körner, geboren 1962, las als junge Frau „Den Mythos des Sisyphos“ von Camus und entdeckte dadurch Dostojewski. Diese Lektüre weckte in ihr die Neugier auf die russische Sprache. Nach dem Slawistikstudium ging sie Anfang der 90er Jahre als DAAD-Lektorin nach Moskau. Ihre Beziehung zu Russland war von Ambivalenzen geprägt. Sie fühlte sich emotional zu Hause, spürte jedoch zugleich die Gewalt, die die Gesellschaft durchzog. Christiane Körner begann, die Literatur dieses so widersprüchlich empfundenen Raumes als Übersetzerin zu erkunden. Mittlerweile hat sie eine breite Palette von sehr unterschiedlichen Stimmen ins Deutsche gebracht: von Avantgardisten wie Pawel Salzman bis zu postmodernen Autorinnen und Autoren wie Tatjana Tolstaja, Dmitri Prigow und Wladimir Sorokin. Ein wichtiges Anliegen war ihr, Texte zu übersetzen, die sich mit dem Zweiten Weltkrieg befassen. Dass es achtzig Jahre nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion zu einem Angriff Russlands auf die Ukraine kam, bei dem der „Kampf gegen den Faschismus“ auf pervertierte Weise als Vorwand missbraucht wird, hat sie auch in ihrem beruflichen Selbstverständnis zutiefst erschüttert.
Shouichi Taguchi nimmt uns in insgesamt vier Bänden seiner Manga-Serie Everyday Escape mit auf die Prokrastinations-Abenteuer einer Manga-Zeichnerin und ihrer arbeitslosen Mitbewohnerin. Zum Erscheinen des finalen Bandes auf Deutsch bei Manga Cult schildert Übersetzerin Verena Maser, welche Herausforderungen das Übersetzen japanischen Humors stellt und wie sie die Bezüge zur japanischen (Pop)kultur so übersetzt, dass sich auch das deutschsprachige Lesepublikum einen Reim drauf machen kann.
Der iranische Übersetzer Moeen Farrokhi beschreibt, wie sein Trauern um einen literarischen Mentor mit der Mammutaufgabe der Übersetzung von David Foster Wallace‘ Infinite Jest ins Farsi zusammenfiel. Über Twitter und eine Mailingliste entspann sich ein Austausch zwischen Wallace-Übersetzern aus aller Welt – zu denen auch Ulrich Blumenbach gehört, dessen Unendlicher Spaß 2009 bei Kiepenheuer & Witsch erschien. Für TOLEDO hat Ulrich Blumenbach Moeen Farrokhis Essay ins Deutsche übersetzt.
Gabriele Leupold wurde 1954 in eine Familie von Heimatvertriebenen hineingeboren: Ihr Vater stammte aus Schlesien, ihre Mutter aus Ostpreußen. Sie wuchs in Rheinland-Pfalz auf, mit dem Gefühl, „das eigentliche Leben spielt sich woanders ab“. Als Teenager las sie Dostojewskij und wollte Psychologie studieren. Dann aber wandte sie sich der Slawistik zu. Als sie Anfang der 1970er zum ersten Mal in die UdSSR fuhr, war sie von der Größe des Landes und der Vielfalt der Welten tief beeindruckt. Sie schloss Freundschaften, unter anderen mit Dissidenten. Bereits als Studentin begann Gabriele Leupold, anspruchsvolle Literatur zu übersetzen. Sie hatte von Anfang an eine Vorliebe für Autoren, „die aus Sprache bestehen“. Ossip Mandelstams „Gespräch über Dante“, übersetzt zusammen mit Wolfgang Beilenhoff, gehörte zu ihren ersten Publikationen. Heute können wir Andrej Belyj, Andrej Platonow und Warlam Schalamow in Gabriele Leupolds Übersetzung lesen. Gerne baut sie auch Brücken zwischen Menschen. Kurz vor dem Mauerfall hat sie zusammen mit anderen die Berliner Russischgruppe gegründet. Sie existiert bis heute und ist ein wichtiger Ort des Austauschs zwischen Übersetzer·innen unterschiedlicher Generationen.
Die große brasilianische Autorin Clarice Lispector (1920-1977) fand schon in jungen Jahren in literarischen Kreisen Beachtung. Einem breiteren Publikum wurde sie allerdings erst mit ihren überaus persönlichen Kolumnen bekannt, die sie ab den 60er Jahren in der Zeitung Jornal do Brasil veröffentlichte. Eine Auswahl davon liegt nun erstmal auf Deutsch vor. Der Übersetzer und Herausgeber Luis Ruby erzählt in seinem kolumnistischen Journal, zwischen Beispielen und Anekdoten wechselnd, von den Freuden und Schwierigkeiten der Arbeit an diesen schillernden Texten.
Toni Morrisons Tar Baby erschien 1982 zum ersten Mal in deutscher Sprache, in der Übersetzung von Uli Aumüller und Uta Goridis. Nun veröffentlicht der Rowohlt Verlag den Text in neuer Auflage, sprachlich überarbeitet und aktualisiert von Marion Kraft. Was genau das bedeutet, zeigt Marion Kraft in ihrem Beitrag: Mit sprachlichem Feingefühl kreiert sie einen Text, der den wichtigen Kontext der Tar Baby Folktales und die Besonderheiten des Black Vernacular English würdigt. Dabei reflektiert sie Bewegungen der Übersetzungstheorie seit der Erstveröffentlichung vor über 40 Jahren.
Rosemarie Tietze, geboren 1944 im Schwarzwald, kannte ihren Vater nicht – er „ist in Russland geblieben“, wurde im Krieg vermisst. Das sei wohl der biografische Grund, warum sie sich dem Russischen widmete, sagt Rosemarie Tietze. 1969 ging sie erstmals für längere Zeit nach Moskau, begegnete Menschen, die ihr die neue faszinierende Welt zu erschließen halfen. Schnell wuchs der Wunsch, diese Welt zu vermitteln, doch musste sie lange kämpfen, bis die Autoren, die ihr am Herzen lagen, in ihrer Übersetzung erscheinen konnten. Das hatte nicht zuletzt mit dem Kalten Krieg und der deutschen Teilung zu tun. Der wichtigste zeitgenössische Autor für Rosemarie Tietze ist Andrej Bitow, dessen Werk sie dem deutschen Publikum nahegebracht hat. Auch Tolstoi und Puschkin können wir heute in ihren Neuübersetzungen lesen. Neben ihrer Tätigkeit als Literaturübersetzerin hat Tietze sich früh für die Zunft eingesetzt. Dass es heute den Deutschen Übersetzerfonds gibt, ist ganz wesentlich ihrer Initiative und ihrem Engagement zu verdanken.
Riad Sattoufs Graphic-Novel-Serie „Der Araber von morgen“, in der er sein eigenes Aufwachsen als Sohn einer Französin und eines Syrers beschreibt, ist seit Erscheinen des ersten Band 2014 ein Riesenerfolg in Frankreich. Heute erscheint der langersehnte sechste, finale Band auf Deutsch – in Übersetzung von Andreas Platthaus. In seinem TOLEDO-Journal schildert Platthaus, wie er eher zufällig Sattoufs Übersetzer wurde, welche Vorteile der Hauptberuf Zeitungsredakteur dem Comic-Übersetzer bringt und welchen textlichen Herausforderungen er sich bei diesem mehr als tausend Seiten starken Abenteuer stellen musste.
Die neuseeländische Lyrikerin Hinemoana Baker, seit 2016 in Berlin lebend, ist insbesondere im Bereich der internationale Performancepoesie beheimatet. Ulrike Almut Sandig ist durch Übersetzungen einzelner Gedichte und gemeinsame, zweisprachige Poesieperformances zu ihrer deutschen Stimme geworden und hat nun „Funkhaus“ (Edition Azur / Voland & Quist) übersetzt – ihren ersten Einzelband als Übersetzerin. In ihrem TOLEDO-Journal „Wir essen die Bestie, das macht uns zum Surfen so frei“ skizziert sie das Zusammentreffen der beiden Lyrikerinnen mit ihren eigenen poetischen Universen, ihre Entdeckungsreise durch die Māori-Kultur und wie sie den indigenen Konzepte in Hinemoana Bakers Dichtung begegnet, die augenscheinlich zu groß sind, um sie einfach ins Deutsche nachzudichten.
250 Jahre nach der Originalausgabe der Lyriksammlung Poems on Various Subjects, Religious and Moral von der Sklavin Phillis Wheatley erscheint ihr bahnbrechender Band in Florian Bissigs deutscher Übersetzung. In seinem TOLEDO-Journal stellt uns Bissig diese beachtenswerte Dichterin vor, und setzt sich anschließend mit den Feinheiten der Form, des Rhythmus und der Stilmittel, und nicht zuletzt mit seiner Position als weißer, männlicher Übersetzer dieser Schwarzen Dichterin auseinander. Ergänzt wird das Journal mit einem Beitrag von Bissigs Mentor Jonis Hartmann.
Was heißt Übersetzen, wenn sich zur Anstrengung der poetischen Wiedergabe eines Textes die vielfachen Zwänge der gesungenen Prosodie gesellen? Alexandre Pateau hat lange Monate in der Dreigroschenoper von Bertolt Brecht und Kurt Weill zugebracht und für L’Arche éditeur eine kritische Neuausgabe des Werks auf Französisch herausgebracht. Parallel dazu bereitete er den Text für Thomas Ostermeiers Neuinszenierung der Oper an der renommierten Comédie-Française in Paris vor. Ein TOLEDO-Übersetzungsjournal, begleitet von zahlreichen Klangbeispielen, die den Leser·innen leicht ein paar Ohrwürmer bescheren könnten ...
Ganna-Maria Braungardt wurde 1956 in Crimmitschau in eine Schauspielerfamilie hineingeboren, wollte aber nie Schauspielerin werden. Sie ging in die UdSSR, studierte Slawistik und wurde 1984 als Lektorin für Sowjetliteratur im Verlag Volk und Welt eingestellt. „Eine traumhafte Arbeitsstelle“, erinnert sie sich heute. Bald begann Ganna auch zu übersetzen: Der Redakteur und Übersetzer Thomas Reschke vermittelte der jüngeren Kollegin die ersten Übersetzungsaufträge und half ihr solidarisch als Mentor. Als die Wende kam und sie alle gekündigt wurden, wollte Ganna ihren Beruf nicht aufgeben. Jetzt war sie es auch, die den älteren DDR-Kolleginnen als Mentorin half, sich den neuen Arbeitsbedingungen anzupassen. Ganna-Maria Braungardt hat sich als Übersetzerin aus dem Russischen einen Namen gemacht. In ihren Übersetzungen lesen wir u.a. Swetlana Alexejewitsch und Ljudmila Ulitzkaja. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine sieht sie ihre Arbeit als noch wichtiger an: „Wir sind heute nicht weniger, ja wir sind vielleicht sogar mehr gefragt als Vermittler“, sagte sie am 29.03.22 im WDR Kultur.
Im Rahmen des Projekts „Cities of Translators“ wird Ljubljana zum ersten Mal anhand von Essays, Fotos und Videomaterial durch die Perspektive seines reichen, aber weniger bekannten Übersetzungserbes präsentiert, das von den zahlreichen Stimmen zeitgenössischer Übersetzer·innen nun fortgeführt wird. Einige von ihnen öffnen an dieser Stelle exklusiv die Türen ihrer Werkstätten, zeigen ihre versteckten Übersetzungsecken in der Stadt und teilen ihre Gedanken zum (Nicht-)Übersetzen im urbanen Zentrum eines Landes mit zwei Millionen Einwohnern. Ein herzliches Willkommen in Ljubljana!
Kuration: Tanja Petrič und Amalija Maček
Fotos: Vid Brezočnik
Video: Klemen Golob und Urban Zorko
„Es macht mich wütend, dass auf dem Umschlag des Originals Fiction steht. Es macht mich wütend, wenn ich Rezensionen lese, die aus dem Text eine Problemviertelsafari machen. Es macht mich wütend, wenn ich aus meinem Küchenfenster schaue und sehe, wie sieben Bullen ein Kind kontrollieren. Es macht mich wütend, wenn ich die große Informationstafel betrachte, auf der angekündigt wird, dass die Nachbarschaft in naher Zukunft ganz anders aussehen soll, dank der geplanten urbanen Modernisierungsmassnahmnen. Modern als Verb. Ich bin wütend.“
Die Ressource ist endlich. Die Gier ist es nicht. Das gilt, wenn es in Kalifornien ums Wasser geht, seit über zwei Jahrhunderten. Mit »Risse in der Erde« (Matthes & Seitz Berlin) zeichnet Mark Arax in einem Zickzackkurs durch die Geschichte die Erschaffung und Erfindung Kaliforniens anhand des zu jeder Zeit widersprüchlichen Verhältnisses seiner Menschen zum Wasser nach. Eva Schestag hat diese epische Recherche ins Deutsche übertragen und dazu ein TOLEDO-Journal verfasst, das Arax’ Spuren von Wasser und Staub ebenso folgt wie dem eigenen Nachdenken über das Verhältnis von Realität und ihrer sprachlichen Darstellung. Ein Making-Of mit Bonustrack!
Aljonna Möckel wurde 1941 in Moskau als Kind des deutschen Antifaschisten jüdischer Herkunft und Musikwissenschaftlers Erwin Johannes Bach geboren. Der Holocaust, das Leben im Exil zwischen Stalin und Hitler, die Leningrader Blockade, der Krieg – all das hat in der Familiengeschichte tragische Spuren hinterlassen. 1947 kamen die Eltern zurück nach Berlin. Nach einem Slawistik- und Romanistikstudium in Jena begann Aljonna beim Verlag „Volk und Welt“ als Lektorin für sowjetische Literatur zu arbeiten. 1966 wurde ihr Sohn Dan, ein Kind mit besonderen Bedürfnissen, geboren. Das zwang sie, zu kündigen und es in der DDR als freiberufliche Übersetzerin zu versuchen. Gerne übertrug sie Texte, die einen in Fantasiewelten hinüberbringen: Kinderbücher und Science-Fiction. Im März 1989 nahm sie an der legendären deutsch-deutschen Übersetzerwerkstatt in Straelen teil. Nach der Wende schrieb sie zusammen mit ihrem Mann, dem Romanisten Klaus Möckel, Fantasy-Romane unter dem Pseudonym Nikolaj Bachnow.
Eine Übersetzerin übersetzt das Buch einer Übersetzerin über das Übersetzen. Sabine Voß schreibt über die Herausforderungen, die Zweifel, aber auch das Glück, die ihre Arbeit an Kate Briggs' Essay "This Little Art" mit sich brachten.
In ihrem TOLEDO-Journal nimmt Liza Linde ihre Leser·innen mit in den Kosmos der slowenischen Schriftstellerin Mojca Kumerdej, deren Erzählungsband „Unter die Oberfläche“ soeben bei Wallstein erschienen ist. Humorvoll und ernsthaft zugleich schlägt Liza Linde den Bogen von übersetzungsspezifischen Herausforderungen zu Arbeitsbedingungen von Übersetzer·innen, vom Literarischen zum Politischen. Ein Journal über Schlangen und Katzen, türkischen Kaffee und Digital Detox.
In „50 + 1 literarische Pfeiler“ schreibt István Kemény in Kurzessays über die fünfzig Texte, die ihn in seinem Leben am meisten geprägt haben. Um diese Lesebiographie zu übersetzen, öffnet sich ein Gedankenspiel: Lese ich als Übersetzerin all die Originaltexte, über die der Autor schreibt? In ihrem TOLEDO-Journal berichtet Timea Tankó von Unordnung und Unübersetzbarem, der Fragmentierung der Welt, von murmelndem Lesen und gefiederten Worten.
Die galáxias von Haroldo de Campos (1929-2003) lassen sich nicht übersetzen. Charlotte Birkner-Behlen und Mandy Gratz haben es trotzdem getan und stellen ihre Übersetzung von cadavrescrito vor. Nico Sauer trägt mit Die uralte Berührung einen literarischen Text bei.
Frank Heibert hat mit „Valentinstag“ – der neue (und letzte) Roman rund um Frank Bascombe – sein siebtes Richard Ford-Buch übersetzt. Im TOLEDO-Journal berichtet Heibert vom Bascombe‘schen Hang zu schrägen Humor und wie man diesen übersetzt, von seiner eigenen Beziehung zu diesem eigensinnigen US-amerikanischen Jedermann, und warum auch ein US-amerikanischer Gegenwartsroman ein Glossar brauchen kann.
Matthias Göritz und Uda Strätling haben ein zweistimmiges Journal über ihre gemeinsame Übersetzung aus dem Englischen von Max Porters Shy verfasst. Rhythmisch, dialogisch und multimedial gestalten sie ihr Journal als Mixtape, voller Zitate und Anspielungen: Übersetzung als Coverversion. Ein wilder Ritt durch Bassline, Mastering und Diskografie der Übersetzung, mit Abstechern in Richtung Reggae und Drum and Bass-Klassiker der 90er. Ein rasendes, polyphones Journal, in dem „slippage“ immer wilkommen ist.
Thomas Reschke, geboren 1932, erlebte als Siebenjähriger den Beginn und als Dreizehnjähriger das Ende des Zweiten Weltkrieges. 1945 floh er aus seiner Heimatstadt Danzig und nahm 1951 im kriegszerstörten Berlin das Studium der Slawistik auf. 1955 wurde ihm vom Staat die Stelle eines Redakteurs im Verlag „Kultur und Fortschritt“ zugewiesen. Als Teil eines „ideologischen Leitbetriebs“ lernte Thomas Reschke früh den Wert und die Grenzen der Freiheit kennen, wie sie im Arbeiter- und Bauernstaat DDR gelebt werden durfte. Nach der Fusion mit „Volk und Welt“ im Jahre 1964 hat Reschke fast 35 Jahre lang in diesem führenden DDR-Verlag für internationale Belletristik als Redakteur gearbeitet. 1956 begann er zu übersetzen. Seither hat er sich als einer der renommiertesten Übersetzer aus dem Russischen etabliert. Nach der Wende setzte er sich als Freiberufler durch, zum Teil in Zusammenarbeit mit seiner Frau Renate. In seinen Übersetzungen lesen wir u. a. Michail Bulgakow, Ilja Ilf & Jewgeni Petrow und Michail Soschtschenko.
Anna Shibarovas Filmreihe „Übersetzen. Werke und Tage“ porträtiert zehn Übersetzerinnen verschiedener Generationen, die über ihr Leben und ihre Arbeit erzählen. Alle übersetzen aus den slawischen Sprachen ins Deutsche. In den 9 Filmen sprechen zu uns Thomas Weiler, Claudia Dathe, Thomas Reschke, Aljonna Möckel, Ganna-Maria Braungardt, Rosemarie Tietze, Gabriele Leupold, Christiane Körner sowie das Duett Günter Hirt & Sascha Wonders alias Sabine Hänsgen und Georg Witte. In dieser zweiten Veröffentlichung wird Claudia Dathe porträtiert.
Welche Beziehungen, Bezüge und Verschiebungen entstehen beim und durch das Übersetzen? Welche Spezifika des sprachlichen Kontextes in Belarus werden sichtbar? Diese und viele andere Fragen behandelt die Forscherin und Regisseurin in ihrem persönlichen und gleichzeitig theoretisch fundierten Essay.
„Wearied with myself I want / a picture that simplifies.“ In den Gedichten von Veronica Forrest-Thomson (1947-1975) ist die Projektionsfläche „Ich“ keiner und alle zur selben Zeit. „Ich, das ist Ich und Nicht-Ich, ein Pronomen ebenso wenig wie das ihm zugewiesene Prädikat," schreibt ihr Übersetzer Norbert Lange und geht der Frage nach, wie vielfältig sich das Zeichen „V“ des Namens „Veronica“ übersetzen lässt.
Für die Übersetzung von Marvel Morenos karibischer Saga Im Dezember der Wind braucht Rike Bolte eine gehörige Portion Urvertrauen. Es geht in dem Roman ganz massiv ums Patriarchat, ums Leben und um Ursprünge, und in dieser Gemengelage vor allem um vier Freundinnen, von denen nicht alle mit der heilen Haut davonkommen. Rike Bolte kommt beim Übersetzen der Bibel ein Stück näher und lässt sich gleichzeitig „auf der Jagd nach dem (Übersetzungs-) Objekt“ von romaninhärenten Prinzipien der Psychoanalyse leiten. Im TOLEDO-Journal berichtet sie, wie sie sich ihren Weg bahnt durch die Fallstricke des Begehrens unterm Fallbeil des Machismo, Möbelstücke auf Spanglish zu bewahren sucht und mit dem inflationären Gebrauch von Satzzeichen umgeht, wie sie freischwebende Bezüge einfängt und Bandwurmsätze von hinten aufzäumt. Ein stürmisches Journal.
Marvel Moreno (1939-1995) gehört zu den großen Vergessenen der lateinamerikanischen Literatur, posthum ist sie zum Vorbild für zahlreiche Schriftstellerinnen der jüngeren Generation geworden. Im Dezember der Wind erschien im Original 1987 und jetzt erstmals in deutscher Übersetzung im Wagenbach Verlag.
In der RundUmschau widmen wir uns internationalen Debatten und Neuigkeiten rund um das literarische Übersetzen. In dieser Ausgabe erreichen uns Ein- und Ausblicke aus Kolumbien, Indien und den USA.
In ihrem Artikel rekapituliert Simone Homem de Mello zentrale Episoden der Überlieferung des Antropofagia-Begriffs in der brasilianischen Kulturgeschichte seit dem sechzehnten Jahrhundert. Dabei lotet sie metaphorische und metonymische Verschiebungen aus, die bei der Tradierung des Kannibalismus-Bildes stattgefunden haben, und hinterfragt die Diskrepanzen zwischen dem Diskurs zu dieser Kulturtechnik und der mit ihr verbundenen literarischen und übersetzerischen Praxis.
Anna Shibarovas Filmreihe „Übersetzen. Werke und Tage“ porträtiert zehn Übersetzerinnen verschiedener Generationen, die über ihr Leben und ihre Arbeit erzählen. Alle übersetzen aus den slawischen Sprachen ins Deutsche. In den 9 Filmen sprechen zu uns Thomas Weiler, Claudia Dathe, Thomas Reschke, Aljonna Möckel, Ganna-Maria Braungardt, Rosemarie Tietze, Gabriele Leupold, Christiane Körner sowie das Duett Günter Hirt & Sascha Wonders alias Sabine Hänsgen und Georg Witte. Im 3-Wochen-Takt veröffentlicht TOLEDO die Videoportraits, beginnend mit Thomas Weiler.
Als Hugo das Meer sah. „1412 Seiten, mehr als 1000 Personen, unüberschaubar viele geographische Orte, 500 zitierte Werke, 5000-mal und mehr „Moi““. Wie er sich als Vorbereitung für seinen Übersetzungsmarathon von Victor Hugos autobiografischem Nachlass in die Sichtweise und die Zeit des Flaneurs versetzt hat, beschreibt der Herausgeber und Übersetzer Alexander Pschera in diesem TOLEDO-Journal ebenso anschaulich wie die wesentliche Rolle des Sehens für das Übersetzen historischer Texte sowie für Hugos schriftstellerisches Schaffen.
Wahrhaftige Beschreibung der Tropikalisierung des ostdeutschen Künstlers Jan Brokof. Eine Verschreibung aus vorhandenen Worten und Bildern der bisherigen 13 Jahre, neu übersetzt, transformiert und collagiert im Jahre 2023.
Die kannibalistische Praxis einiger indigener Völker Brasiliens, über die europäische Reisende im 16. Jahrhundert berichteten, wurde von der brasilianischen Avantgarde der 1920er Jahre ironisch umgewertet und in eine Metapher antikolonialistischer Interkulturalität verwandelt. Diese TOLEDO TALKS versammeln Interventionen aus aller Welt, die über die vielfältigen Resonanzen dieser brasilianischen Denktradition und Übersetzungstheorie berichten und zugleich die Assoziationsfelder der Kannibalismus-Metapher erweitern. Die Reihe fragt nach Spuren des Kannibalischen in der Praxis des Schreibens und Übersetzens, nach aktuellen Formen der Kulturtechnik der Einverleibung sowie nach der Möglichkeit, wie eine symbolische Anthropophagie heute aussehen könnte. Sie startet mit Beiträgen des brasilianischen Lyrikers Ricardo Domeneck und der Literaturwissenschaftler·innen und Anthropophagie-Expert·innen Melanie Strasser und Oliver Precht.
Multiple Joyce. Finnegans Wake bildet den Gipfelpunkt der klassischen Moderne und hat die Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg so nachhaltig geprägt wie kaum ein anderes Einzelwerk. 17 Jahre lang arbeitete James Joyce daran, bevor es 1939 publiziert wurde. Über 80 Jahre später arbeitet Ulrich Blumenbach derzeit an einer kompletten Übersetzung ins Deutsche. In seinem Work-in-Progress-Journal bringt Blumenbach gemeinsam mit seinen Leser·innen die anarchische Assoziationsmaschinerie auf Touren, illustriert an sprechenden Beispielen, was es braucht, um die wilde Semiose des Werks ins Deutsche zu übertragen und beschreibt, welche Freiheiten er sich nehmen muss, um der deutschen Leserschaft eine Ahnung davon zu vermitteln, wie Sinnenergien Synergien generieren. Der deutsche Finnegans Wake wird im Suhrkamp Verlag erscheinen.
Die Spätfrühlings-Ausgabe unseres TOLEDO-Newsletters – mit neuen Journalen, Veranstaltungen und ViceVersa-Ausschreibungen. Mit dem internationalen Treffen JUNIVERS steht der Monat Juni wieder ganz im Zeichen der Lyrikübersetzung. Zugleich startet eine neue Ausgabe der TOLEDO TALKS, die sich der brasilianischen Denktradition der Antropofagia und den aus ihr entstandenen Übersetzungsbewegungen aus aller Welt widmet. Hier geht es zum aktuellen Newsletter, hier kann man sich für die kommenden Ausgaben abonnieren.
„Waren Sie schon einmal in Hongkong, dieser hoffnungslos überfüllten, segregierten, schwülheißen, hügeligen, ausgebeuteten, verlorenen Stadt?“ Karin Betz nimmt uns Leser·innen mit ins Hongkong der 70er Jahre. Meine Stadt (Suhrkamp Verlag), 1975 zunächst als Serienroman in einer Tageszeitung veröffentlicht, gilt als Hongkong-Kultroman. Die Autorin Xi Xi (1937-2022) zeichnet hier ein Gesellschaftspanorama der Stadt; mehrheitlich junge Leute, die, aus allen Landesteilen gestrandet, ihr Glück in der Metropole suchen. Unterstützt durch lebendiges Bildmaterial fängt das TOLEDO-Journal Vieles ein: die Geschichte(n) des Romans, die wechselvolle Geschichte Hongkongs und Chinas sowie das bewegte Leben der Autorin, die nun erstmals auch auf Deutsch zu lesen ist.
Deutsch-Ukrainisch, Deutsch-Georgisch, Deutsch-Ungarisch, Deutsch-Französisch und Deutsch-Englisch: Die Ausschreibungen zu fünf ViceVersa-Werkstätten laufen aktuell. Jetzt informieren und bewerben!
Nur die Anthropophagie vereint uns. Sozial. Ökonomisch. Philosophisch. [...]
Tupi*, or not tupi that is the question.
aus: Oswald de Andrade, Anthropophages Manifest / Manifesto antropófago. Herausgegeben und übersetzt von Oliver Precht
Die unabhängige Kunstszene der belarusischen Hauptstadt Minsk, die sich in den Jahrzehnten nach der Wende herausgebildet hat, wird derzeit vom Regime zerstört. Die Kunstszene verliert den Boden unter den Füßen, sie verschwindet allerdings nicht wirklich, sondern begibt sich entweder in die Tiefen, in die „Falten der Stadt“, wo sie für das Regime zumindest für eine gewisse Zeit unauffindbar bleibt, oder driftet in andere Räume ab, wo sie in Bewegung bleiben und überleben kann. Auch das LCB wird zu einer der Inseln für die driftende belarusische Kunst und öffnet neue Wege für Künstler·innen, über die geschlossenen Grenzen hinweg.
Die Ausstellung DRIFTING ACCUMULATION MINSK (kuratiert von Iryna Herasimovich und Marcus Reichmann) akkumuliert Projekte belarusischer Künstler·innen, die in verschiedenen Zeiten entstanden sind und sich mit unterschiedlichen Themen wie Sprache, Übersetzung, Erinnerung und Stadtraum befassen. Ausgehend von dem TOLEDO-Projekt ›Cities of Translators: Minsk‹, kuratiert von Iryna Herasimovich, die die reiche Übersetzungslandschaft der belarusischen Hauptstadt kartografiert, zeigt die Ausstellung ausgewählte Arbeiten von Volha Savich, Nikita Fedosik, Andrey Fedosik, Maxim Korostelyov und Mikhail Gulin sowie ein Projekt von Antonina Slobodchikova zu dem Gedicht »drifting accumulation« von Monika Rinck. In einem weiteren Teil der Ausstellung unter dem Titel »The Art of (not) Forgetting« untersucht Olga Bubich, belarusische Fotografin und derzeitige ICORN-Stipendiatin des Berliner Künstlerprogramms des DAAD, Wirkungsweisen der Erinnerung.
Die Ausstellung ist u.a. zu sehen während der Veranstaltung »Das umgekippte Belarus« am Mo, 8.5. um 19h30 im LCB in Berlin-Wannsee.
Karosh Taha and Selim Özdoğan and their translators Grashina Gabelmann, Ayça Türkoğlu and Katy Derbyshire
Host: Deniz Utlu
LIVESTREAM STILL ONLINE! Two novels newly translated from German to English, both set among non-German communities: Karosh Taha’s »In the Belly of the Queen« and Selim Özdoğan’s »A Light Still Burns« (both V&Q Books). While Taha’s teen protagonists face questions of how to lead their lives in the future, Özdoğan weaves his narrative around the last third of a woman’s life, following many years of hard work. Join the writers and their translators Grashina Gabelmann, Ayça Türkoğlu and Katy Derbyshire, in conversation with Deniz Utlu. English-language event. On site and livestream.
Eine Veranstaltung von LCB und TOLEDO im Rahmen von ›City of translators Berlin‹.
Tomaž Šalamun ist ein Dichter mit vielen Stimmen, ein mehrsprachiger Chor, aus den Stimmen all seiner Übersetzer und Übersetzerinnen zusammengesetzt, ein Stimmenschwarm, der ausfliegt und manchmal auf Baumwipfeln oder Stromleitungen wieder zusammenkommt. Jüngst hat sich ein neues Trio gebildet – und ihm ihre Stimmen geliehen.
Kein Werkstattbericht ist dieses TOLEDO Journal, sondern eine Reflexion von Matthias Göritz über den Arbeitsprozess als Übersetzer und Initiator des Auswahlbandes „Steine aus dem Himmel“ von Tomaž Šalamun und die Übertragung der Gedichte, die er mit Liza Linde und Monika Rinck gemeinsam durchführte. Es entstand eine interessante Spirale von Ansichten, Fassungen, Variationen und Lösungen um Grundversionen herum, so die Hoffnung, zu Gedichten in deutscher Übersetzung führten, die etwas im Leser berühren, anstoßen, umstoßen und verändern – so, wie es die Übersetzer·innen (auch als Leser·innen) im Übersetzungsprozess erlebt haben.
Seit den 90er Jahren war Erwin Köstler auf der Suche nach einem deutschsprachigen Verlag für das Werk des Prosa- und Theaterautors Slavko Grum (1901-1949), der einmal als „slowenischer Kafka“ bezeichnet wurde. 2006 erschienen Grums Prosatexte in der Edition Thanhäuser, in diesen Tagen erscheint nun eine zweibändige Werkausgabe im Verlag Johannes Heyn. In seinem TOLEDO TALKS-Beitrag „Diese Menschen hoffen unentwegt“ beschreibt Erwin Köstler die Suche nach einem Verlag, seine Entschlossenheit, Grum einem deutschsprachigen Lese-Publikum zugänglich zu machen und wie sich seine Übersetzung durch die mehrmaligen Überarbeitungen im Laufe der Jahre immer weiter verändert hat.
Vom Dual zum Tandem: Ein Journal von Amalija Maček im Tandem mit Matthias Göritz über das Herantasten an die Lyrik der slowenischen Dichterin Miljana Cunta, die eine traumähnliche Zweisamkeit zwischen einer Enkeltochter und ihrer sterbenden Großmutter heraufbeschwört. Begleitet von Holzschnitten von Christian Thanhäuser.
Katy Derbyshire nimmt uns mit auf eine Reise durch drei Jahrzehnte ihres Lebens im Nachwendedeutschland. Ihre Erinnerungen sind geprägt von ihrem Verhältnis zu Clemens Meyers Debütroman Als wir träumten, der nun von ihr ins Englische übersetzt und für den Internationalen Booker-Preis nominiert wurde. Sie beschreibt ihre Eskapaden im Berlin der 90er Jahre, und die der verwahrlosten jungen Protagonisten des Romans, die durch das Leipzig der Wendezeit streifen. Ein nicht-chronologisches Journal über tranceartige Erinnerung, über saufen und fluchen, über klauen und Häuser besetzen.
Nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse! Was sind Transmitterzwitter? Eine Sache zu dritt zwischen Lina Atfahs arabischen Gedichten, Osman Yousufis Wörterbuchdeutsch und der Zweitstimme von Brigitte Oleschinski. Im Toledo-Journal blickt sie zurück auf den Hitzesommer der Nachdichtung, mit Zwischenrufen von Eule und Kleiderschrank.
Susanne Höbel und Ingo Herzke haben im Tandem den neuen Roman von A.L. Kennedy übersetzt. Das zweistimmige Journal spiegelt den zweistimmigen Roman, in dem sich immer wieder eine anonyme mörderische Erzählstimme ins Narrativ schiebt. Ein Journal der Dualität: Ingo Herzke übersetzt die weibliche, Susanne Höbel die männliche Stimme. Beide schlüsseln die Herausforderungen auf, mit denen sie beim Übersetzen ihrer jeweiligen Teile konfrontiert wurden. Wie stellt man die idiosynkratische Nicht-Standardsprache eines anonymen Massenmörders dar? Wie werden die moralisch und politisch grenzwertigen Haltungen der verschiedenen Erzählinstanzen navigiert? Und was ist in einer Übersetzung wichtiger, Bedeutung oder Klang?
In ihren Texten reflektierte die Autorin und Dichterin Annette von Droste-Hülshoff immer wieder ihre eigene Rolle als schreibende Frau, hatte Kontakt zu den ersten Frauenrechtlerinnen und schuf literarische Figuren, die nicht den Geschlechterkonventionen ihrer Zeit entsprachen. Im Übersetzungslabor Schreiben als Frau des Projekts Trans|Droste übersetzen Barbara Fontaine, Kaouther Tabai und Annie Rutherford eine Auswahl an Gedichten und Auszügen aus Prosatexten von Annette von Droste-Hülshoff zu diesem Thema. Zum Internationalen Frauentag am 8. März 2023 veröffentlichen wir ihre Übersetzung des Gedichts »Am Thurme« in englischer, arabischer und französischer Sprache.
Übertragungen sind schwieriger als eigene Gedichte und zugleich einfacher. Sie versetzen das Hirn in einen Zwittermodus.
Brigitte Oleschinski: Transmitterzwitter
Die RundUmschau geht in die nächste Runde. Wir widmen uns internationalen Debatten und Neuigkeiten rund um das literarische Übersetzen. In dieser Ausgabe erreichen uns Ein- und Ausblicke aus Argentinien, Frankreich und Slowenien.
Unser Newsletter für die letzten Winterwochen – mit neuen Ausschreibungen, Veranstaltungen und einer Fülle an neuen Journalen. Ganz besonders freuen wir uns auf die kommenden Netzwerktreffen sowie die erstmals vergebenen TOLEDO-Aufenthaltsstipendien, die an die Teilnahme am Internationalen Übersetzertreffen (IÜT) oder an JUNIVERS gebunden sind. TOLEDO agiert weiterhin in viele übersetzerische Richtungen: analog, digital – und immer international!
Tanja Handels zeichnet die ungewöhnliche Karriere von Bernardine Evaristo nach und beschreibt, wie sie bei ihrer Übersetzung des im Original bereits 2013 erschienenen Romans Mr. Loverman (Tropen Verlag) die deutschen Stimmen zimmert: die des 74jährigen Barrington Jedidiah Walker, karibischstämmig, seit fast 50 Jahren in London, genauso lange verheiratet, aber heimlich schwul, und die seiner Frau Carmel. Ein Journal über karibisches Englisch, Schockverliebtsein, politische Korrektheit und darüber, wie es ist, bei der Arbeit von der Hauptfigur in Grund und Boden geredet zu werden. Und: Hilft es beim Übersetzen, wenn die Autorin eine Doktorarbeit über ihren eigenen Roman verfasst hat?
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Beim Lesen von Maddie Mortimers Debütroman wie von Maria Meinels Journal zu ihrer Übersetzung von „Atlas unserer spektakulären Körper“ (soeben erschienen bei Hoffmann & Campe) läuft es einem zuweilen kalt den Rücken herunter. Mortimer schreibt den Krebs ihrer Protagonistin als ICH mit in den Text hinein, Meinel schildert, welcher Mittel sie sich bedient, um diese viszerale Poesie nachzuschaffen, und wie beim Übersetzen das Körperliche, die zerstörerische Kraft der Krankheit auf sie überzugreifen scheint.
Maskulin, feminin, androgyn: Das TOLEDO-Journal von Karen Nölle zur Neuübersetzung von Le Guins Meisterwerk ist jetzt online!
In ihrem TOLEDO-Journal »Columbusted & unpresidented« beleuchten die Übersetzerinnen Marion Kraft und Daniela Seel die besonderen Herausforderungen, mit denen sie bei der Übersetzung von Amanda Gormans Gedichtband »Call Us What We Carry / Was wir mit uns tragen« (Hoffmann & Campe, 2022) konfrontiert waren. Der Band versammelt Erasure und Found Poems, dokumentarische Lyrik und immer wieder stellt sich die Frage: Verfahren übersetzen oder Sinn?
Beim Übersetzen von Najat El Hachmis Büchern muss sich Michael Ebmeyer heiklen Fragen stellen. Kann er als weißer Mann der Richtige sein, um Texte über den doppelten Kampf von Frauen gegen die Zwänge einer muslimischen Herkunftsgemeinschaft und gegen den Rassismus der Mehrheitsgesellschaft ins Deutsche zu übertragen? Behält Najat El Hachmi in seiner Version wirklich ihre Stimme? Nach zwei Romanen hat er nun ein Sachbuch von ihr übersetzt – ein kämpferisches Manifest über Feminismus und Identität. Da sind die Berührungsängste noch viel größer, doch zum Glück hat die Autorin selbst ein Wörtchen mitgeredet. Najat El Hachmis Wir wollen die ganze Freiheit! erscheint am 6. Januar 2023 im Orlanda Verlag.
Beim Übersetzen muss sich Gesine Schröder unter anderem fragen, wie sie die Kreol-Passagen des Originals übersetzt, ohne die Protagonist·innen als ungebildet darzustellen und die Leser·innen des deutschen Texts mit einer Kunstsprache abzuschrecken. Warum die Meerjungfrau besser Meerfrau heißen sollte, wie das Aufsuchen eines Muttersprachlers nicht zwangsläufig beim Finden des deutschen Tons hilft und was karibische Musik und Stelzenlaufen mit dem Übersetzen zu tun haben: all dies und viel mehr liest man im TOLEDO-Journal.
Dialekt mit Dialekt zu übersetzen ist tabu; Dialekt mit Umgangssprache zu übersetzen ist feige.
Gesine Schröder: Den Singsang des Kreol in der Kehle
5. Internationales Treffen von Lyrikübersetzer·innen vom 5.–11. Juni 2023. Zwölf Lyrikübersetzer·innen aus aller Welt werden zu einem siebentägigen Treffen an den Wannsee eingeladen, um sich über ihre poetischen Universen auszutauschen und im persönlichen Kontakt mit Kolleg·inn·en anderer Länder sowie mit Akteur·innen der Berliner Lyrikszenen Teil eines wachsenden Netzwerkes zu werden. Bewerbungsfrist: 12. Januar 2023.
„Stille Post“ heißt das legendäre Kinderspiel, das auf dem Verhören, der Veränderung von Nachrichten basiert, begleitet von der Lust, der Freude am Missverstehen durch die mehrfache Weitergabe von Worten. Wird im Spiel eine Ausgangsnachricht flüsternd an den jeweiligen Nachbarn weitergegeben, überträgt das deutsch-französische Literaturprojekt „Stille Post“ diesen Ausgangsimpuls auf ein Schreibprojekt. Ergibt sich im Spiel das Vergnügen durch die Auflösung der Missverständnisse, sind diese in unserem Alltag bisweilen nicht auflösbar und eher selten Quell der Freude. Im Literaturspiel „Stille Post“ jedoch führte das Weiterreichen der Texte zu überraschenden Korrespondenzen und Auffächerungen von Missverstehen. Sechs Beiträge sind in der genannten Reihenfolge während des Projekts, zwischen Februar und Juli 2022, entstanden, von Sami Tchak (Französisch) – Kübra Gümüşay (Deutsch) – Lenka Horňáková Civade (Französisch) – Anja Utler (Deutsch) – Cécile Wajsbrot (Französisch) – Alida Bremer (Deutsch). Sie machen Verhören, Missverstehen, Fehldeuten produktiv. Ein Literaturprojekt des Literaturhaus Stuttgart.
Anna sagt, sie wurde vergewaltigt. Jonas sagt, es war einvernehmlicher Geschlechtsverkehr. In den drei Folgen ihrer Podcast-Reihe nimmt Julie Tirard uns mit hinter die Kulissen der französischen Übersetzung von Nichts, was uns passiert von Bettina Wilpert und fragt sich: Wie lässt sich beim Übersetzen der journalistische Ton treffen, der diesen Roman so einzigartig macht, und dabei der allem zugrunde liegenden feministischen Absicht gerecht werden?
Kontinentaldrift ist eine vom Dichter und Schriftsteller Fiston Mwanza Mujila zusammengestellte Anthologie, die 2021 bei Wunderhorn erschienen ist. Sie kartografiert Stimmen und Gedichte des Schwarzen Europas. Sie stellt 33 Dichter·innen aus acht Ländern in der Originalsprache und in deutscher Übersetzung vor. Die persönlichen Werdegänge und Werke dieser Dichter·innen überschreiten nationale und kontinentale Grenzen. Sie wurden in Afrika, der Karibik oder Europa geboren, haben afrikanische Wurzeln. Gleichzeitig sind sie Kinder Europas, fast alle sind in Europa aufgewachsen. Ihre Poesie fordert den Begriff der Diaspora sowie den der Nationalliteratur heraus. Zwei der Autor·innen – Radna Fabias und Gioia Kayaga – haben Lyrik-Clips produziert.
Eine Koproduktion mit Burg Hülshoff – Center for Literature und TOLEDO.
„Die Idee zu diesem Gespräch ist im März 2022 entstanden, nachdem wir – ein kleiner Kreis von deutsch-ukrainischen Übersetzer·innen – es endlich geschafft hatten, den Schock des Krieges zu durchbrechen, und nun versuchten, uns darüber auszutauschen, wo wir uns befanden, vor allem mental. Manche von uns hatten die Rettung vor dem Krieg in der Flucht gesucht, andere waren zu Hause geblieben, die Dritten lebten wie zuvor in Deutschland. Uns über die eigenen Beobachtungen auszutauschen wurde für uns zu einem Schutzraum, der Wohlwollen und Akzeptanz eröffnete, es war beinahe so etwas wie eine Selbsthilfegruppe, in der es einfacher war, Reflexionen über den eigenen Zustand zuzulassen. Schließlich war es sogar hilfreich, dass wir uns gegenseitig übersetzten, half das doch, die eigene Kopflosigkeit, bisweilen auch Unbehaustheit zu überwinden und zumindest teilweise in das Leben vor dem Krieg zurückzukehren und so wieder etwas Boden unter den Füßen zu spüren.“ Kuratiert von Nelia Vakhovska & Claudia Dathe
Rhythmen bestimmen nicht nur die Form von Gedichten, sie gehen auch durch unsere Technologien, unsere Lebens- und Arbeitsstrukturen und durch unsere Körper hindurch. Lena Dorn erkundet in ihrem Journal den Zusammenhang von Rhythmen und Oberflächen beim Übersetzen von Greenscreens, Ladegeräten und bedrohten Subjekten.
Das Internationale Treffen der Übersetzer·innen deutschsprachiger Literatur (23.-29. April 2023) und das JUNIVERS-Treffen (05.-11. Juni 2023) sind ausgeschrieben. Erstmalig gibt es auch für beide Treffen für insgesamt bis zu zehn Teilnehmende die Möglichkeit, über den TOLEDO-Mobilitätsfonds ein einmonatiges Aufenthaltsstipendium im Literarischen Colloquium Berlin zu beantragen.
ViceVersa: Deutsch-Rumänisch
vom 21.-26. Mai 2023
Deutsches Kulturzentrum, Cluj
Bewerbungsfrist >>> verlängert bis 31.01.2023
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ViceVersa Deutsch-Italienisch
vom 7.-14. März 2023
Villa Garbald, Castasegna (CH)
Bewerbungsfrist 15.01.2023
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ViceVersa: Deutsch-Brasilianisch
vom 10.-16. April 2023
Paraty, Brasilien
Bewerbungsfrist 15.01.2023
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ViceVersa: Deutsch-Tschechisch
vom 14.-21. April 2023
Kloster Broumov, CZ
Bewerbungsfrist 9.01.2023
Der TOLEDO-Newsletter mit einem Panorama an neuen Journalen und Ausschreibungen, einer Neuauflage des Mobilitätsfonds, einer großen Lyrikkonferenz in Dresden sowie einer Rundumschau, die uns von TOLEDO nach Babelwerk bringt - und von da in Richtung Polen, USA und Brasilien schaut!
Lange hat sie auf sich warten lassen – endlich ist sie da! Die zweite Ausgabe der RundUmschau präsentiert sich in neuem Gewand und neuer Zusammensetzung. Als Gemeinschaftsprojekt der DÜF-Schwestern TOLEDO und Babelwerk widmen wir uns internationalen Debatten und Neuigkeiten rund um das literarische Übersetzen. Im Herbst 2022 schauen wir in Richtung USA, Polen und Brasilien.
Mit vielen neuen Videos, Podcast-Folgen, Essays und Interviews widmen sich Budapests Übersetzer·innen der chinesischen (Übersetzer-) Community in Ungarn, sowie Lyrikübersetzung und Nachwuchsförderung.
In Besondere Momente mit falschem Applaus erschafft der italienische Comiczeichner Gian Alfonso Pacinotti (Gipi) durch Verknüpfung von Bild und Wort auf erstaunliche Weise neue Bedeutungsebenen. Die Übersetzerin schwimmt, geht durchs Feuer und sucht mit verbundenen Augen nach deutschen Entsprechungen.
„Wie umgehen mit einer Berührungsangst, die ich erst seit Kurzem verspüre? Seit der Begriff 'Kulturelle Aneignung' derart wahllos für alle möglichen Formen der Annäherung und Inspiration verwendet wird, dass er zum Kampfwort (...) verkommt?“ – fragt sich Patricia Klobusiczky in ihrem Beitrag, in dem sie offen und humorvoll diese neue Berührungsangst mit uns teilt. Gemeinsam mit dem britisch-nigerianischen Autor Ralph Leonard, der Schweizer Musikerin Sophie Hunger und anderen erkundet sie die Gefahren, vor allem aber die Chancen jener Form der Aneignung.
Hochliterarisch und historisch zugleich ist der Roman Die Lehman Brothers von Stefano Massini, der, basierend auf einem Theaterstück, den rasanten Aufstieg und Niedergang der Bankerfamilie und Börsengiganten in Versform beschreibt. Nicht die rhythmischen Verse allein, bei denen Form und Inhalt verschmelzen, machen diese Übersetzung aus dem Italienischen zu einer kniffligen Aufgabe. Annette Kopetzki nimmt uns mit in ihre Werkstatt, wo wir ihr bei kommunistischen Wortbasteleien und Recherchen der überwältigenden Fülle an historischen Fakten über die Schulter schauen dürfen.
Jedes Kapitel von »Jeder Aufbruch ist ein kleiner Tod« besteht aus einem spiralförmigen, langen Satz, der gleichsam vom Leben des Protagonisten und von der Krise unserer Epoche Zeugnis ablegt. In ihrem Journal berichtet Alida Bremer über das Gefühl der fehlenden Luft, über die Atemlosigkeit und über die zahlreichen schmerzhaften Rhythmusstörungen, die dem Roman seinen besonderen Ton geben.
Buch- und TOLEDO-Journalpremiere mit Ivana Sajko, Alida Bremer und Katy Derbyshire am 1.10. um 18h im CHB im Rahmen der Translationale
In SAINT ZOO begibt sich die Autorin Chihiro Hamano auf eine Reise zu tabuisierten Spielarten von Liebe und Sexualität, ihre Recherche zu Zoophilie führt sie bis nach Deutschland. Daniel Yamada berichtet in seinem Journal, wie die Beschäftigung mit einem solch abseitigem Thema die Vorstellungskraft erweitert, interviewt die Autorin und legt dar, was die verschiedenen Schriftsysteme des Japanischen mit der Wahrnehmung der Welt zu tun haben.
Connemara. Ein Titel, der Assoziationen von irischen Landschaften und Whiskey hervorruft, aber französischer kaum sein könnte. Im typischen Mathieu-Sound beschreibt der Roman komplexe Gefühlswelten, ein Porträt des östlichen Frankreichs und die politische Stimmung kurz vor Emmanuel Macrons Wahl zum Staatspräsidenten. Lena Müller und André Hansen haben den dritten Roman dieses Autors gemeinsam übersetzt und führen ein Zwiegespräch über ihre Erfahrungen: Wieviel Vertrauen braucht es beim gemeinsamen Übersetzen? Wie geht man damit um, wenn Realia im französischen Text – wie das dem Roman den Titel gebende Chanson – für die deutsche Leser·innenschaft kaum bekannt sind? Und warum muss man etwas übertreiben, wenn man im Originaltext vorkommendes Vokabular der Consulting-Branche ins Deutsche übersetzt?
Bereits im Oktober 2019 feierte TOLEDO mit der REPUBLIK DER ÜBERSETZER·INNEN die Inszenierung von Übersetzung als kollektives Erlebnis – auf der Bühne. Zwölf Übersetzer·innen des Autors Valère Novarina versammelten sich im großen Theaterraum des Théâtre de la Colline in Paris, um ihre Übersetzungen live zu diskutieren und neu zu inszenieren: ein groß angelegtes Szenenformat, sowohl „Gläserner Übersetzer“ als auch Theaterlabor. Stolz präsentieren wir einen Film, der jetzt, im September 2022, aus Anlass der Neuauflage der REPUBLIK während der Nacht der Übersetzung erscheint. Ein Film von Jean-Paul Lebesson, in Zusammenarbeit mit Marco Bachera und Constantin Bobas.
Unter dem Motto »Translators on stage!« rückt die neue Ausgabe des Festivals translationale berlin die Kunst des Übersetzens und die Arbeit von Literaturübersetzer·innen vom 30.9. - 3.10. in den Fokus. In diesem Jahr sind 60 Übersetzer·innen aus nah und fern ein weiteres Mal und in neuer Formation auf die Bühne gerufen. Mit Lyriklesungen, Konzerten, Workshops und Gesprächen, einem Übersetzungsspiel sowie einer Rauminstallation zu den drei polyphonen Städten Budapest, Minsk und Kyjiw wird die Vielsprachigkeit gefeiert, der ungeheure Reichtum der Übersetzungskulturen weltweit und die präzise und zugleich überbordende Fantasie der Übersetzer·innen, ohne die die Begegnungen und der Austausch mit anderen Kulturen unmöglich wären.
Die translationale berlin ist ein Projekt von Weltlesebühne e.V. und TOLEDO – Übersetzer·innen im Austausch der Kulturen in Kooperation mit dem Collegium Hungaricum Berlin und dem Peter Szondi-Institut der Freien Universität Berlin. Künstlerischer Leiter ist Asmus Trautsch; Kuratorinnen sind Nora Bierich, Dorota Stroińska und Aurélie Maurin.
Die Veranstaltungen werden live gestreamt.
Mit dieser neuen Ausgabe der „Nacht der Übersetzung“ feiern das Institut Français und TOLEDO Übersetzung als kollektives Erlebnis – am 22. September auf der Bühne der Maison de France. In einem Mix aus Gesprächen, Lesungen und Gedichtperformances werden viele Facetten, Fragen und Praktiken des kollektiven Übersetzens durchdekliniert, u.a. mit den Übersetzer·innen Elfriede Jelineks, dem Kollektiv Trans|Droste und vielen Stimmen aus „Vernon Subutex“.
Mit der „Republik der Übersetzer·innen“ wird die Übersetzung zum Theater und das Theater zur Übersetzung: Mehrere Übersetzer·innen des Theaterautors Valère Novarina werden ihre Übersetzungen live diskutieren, neu inszenieren und zum Tanzen bringen! Eine kaleidoskopische Variante des „Gläsernen Übersetzers“ und zugleich ein Theaterlabor – ein spielerisches Zusammentreffen von Sprachwelten und Körpersprachen.
Kann Übersetzung einen gemeinsamen imaginären Raum entstehen lassen?
Dass der französische Klassiker Cousine Bette von Honoré de Balzac nach einer Neuübersetzung geradezu schrie, zeigt Nicola Denis eindrücklich in ihrem Text. Mit dem Feingefühl einer Restauratorin antiker Gemälde bringt sie unter den Arbeiten ihrer Vorgänger – deren Fassungen aus den Jahren 1911 und 1923 stammen – einen Text zum Vorschein, der gerade in Bezug auf das Frauenbild Balzacs eine bedeutend andere Geschichte erzählt.
Der französische Comiczeichner Luz hat Virginie Despentes‘ Roman „Vernon Subutex“ kongenial adaptiert: Auf 300 Seiten schickt er den alternden Plattenverkäufer durch ein wildes, mit grafischen und popkulturellen Zitaten gespicktes Paris. Jede Figur hat ihre ganz eigene Stimme. Wie lässt sich die Polyphonie des Originals übertragen? Hat das Spiel mit Wort und Bild Grenzen? Um diese Fragen kreist anschaulich und amüsant das TOLEDO-Journal – mit Soundtrack und Comicvideo.
Karen Nölle hat Audre Lordes Autobiographie „Zami. A new spelling of my name“ nach 35 Jahren ein zweites Mal übersetzt. In ihrem TOLEDO TALKS-Beitrag berichtet sie, wie sich seit den 80er Jahren der Diskurs verändert hat, wie Computer und Internet beim Übersetzen helfen und wie sie während dieser eigenen Neuübersetzung ihrem Anfängerinnen-Ich wiederbegegnete.
„Junivers – vom Übersetzen eines Verses“ ist erschienen, hervorgegangen aus den JUINVERS-Treffen der vergangenen Jahre. „Ein Junivers ist ein Vers, der einen in den Bann schlug, an dessen Übersetzung man verzweifelt ist. Ein Vers, in dem sich ein ganzer Kosmos spiegelt“. Pünktlich zum DÜF-Jubiläum sind 25 Juniverse entstanden, an denen sich besondere übersetzerische Herausforderungen veranschaulichen lassen. Die Lektüre lädt ein zu einer Reise durch verschiedenste poetische Traditionen, politische Situationen und Sprachwelten. Mit Beiträgen von Marcel Beyer, Rike Bolte, Alida Bremer, Nicolas Cavaillès, Leila Chammaa, Claudia Dathe, Michael Donhauser, Ulrike Draesner, Michael Ebmeyer, Matthias Göritz, Marie Luise Knott, Dagmara Kraus, Christina Kunze, Steffen Popp, Theresia Prammer, Olga Radetzkaja, Felix Reinstadler, Monika Rinck, Lea Schneider, Ulf Stolterfoht, Donna Stonecipher, Uda Strätling, Anja Utler, Leopold von Verschuer und Achim Wagner, herausgegeben von Aurélie Maurin. Das Taschenbuch (120 Seiten, 10 Euro) ist ab sofort über den Buchhandel und selbstverständlich auch am Büchertisch des DÜF-Jubiläums und LCB-Sommerfests am 27.8. erhältlich.
Wer einen Klassiker von tausend Seiten übersetzt hat, wird ständig gefragt, wie lange er dafür gebraucht habe. Stefan Moster geht der Frage nach, worin die wahren Herausforderungen beim Übersetzen umfangreicher Texte bestehen.
Was ist schwerer: nicht über Geschlechter zu schreiben oder sich lange in das zu vertiefen, was da in der Kloschüssel schwimmt? Christophe Fricker schwitzte beim Übersetzen von Garielle Lutz’ bahnbrechenden Geschichten Blut und Wasser und musste das Deutsche immer wieder an seine Grenze führen. Hat es sich gelohnt?
Wie erlebten die Literaturübersetzer·innen in der Ukraine die ersten beiden Monate des Krieges? Die Kuratorin unser City of translators Kyjiw Nelia Vakhovska bat Kolleg·innen, Gegenstände auf ihren Arbeitsplätzen zu fotografieren und diese kurz zu kommentieren. „Die Befragten konnten selbst entscheiden, welche Fragen sie beantworten und ob sie dabei anonym bleiben wollten. Um die eingesandten Fotos stilistisch anzugleichen, haben wir sie leicht bearbeitet, die Darstellung der Gegenstände oder Tiere, die den ukrainischen Übersetzer·innen in dieser schweren Zeit Rückhalt geben, haben wir jedoch unverändert gelassen. Wir möchten uns bei allen bedanken, die auf unsere Anfrage reagiert haben. Eure Aussagen sind ermutigend und helfen uns allen, dem Krieg zu widerstehen.“
In der Form eines Reisetagebuchs nimmt der Übersetzer, Schauspieler und Regisseur Leopold von Verschuer uns sowohl mit in die Tiefenschichten seines nun bereits 25 Jahre währenden Abenteuers der unmöglichen Übersetzung des französischen Sprachkünstlers Valère Novarina – Novarina gibt der französischen Sprache eine Dinglichkeit wieder, die sie seit Rabelais verloren hat – als auch in seine detektivische Recherche zur Übersetzung einer gewaltigen Aufzählung von dialektalen Gebirglerspitznamen aus der Haute-Savoie. Wenn Sprechen Handeln ist und die Sprache das eigentliche Fleisch des Menschen, dann gilt es hinabzusteigen in die geologischen Tiefenschichten auch der Zielsprache. Denn Übersetzer·innen sind „Erdarbeiter der Sprache“.
Was bedeutet es, treu zu sein, wenn man mehreren Herren dient? Tess Lewis untersucht die umstrittene Idee der Treue anhand von Beispielen aus ihren Übersetzungen von Walter Benjamin, Maja Haderlap, Jonas Lüscher und anderen.
Aus dem Englischen übersetzt von Ulrich Blumenbach.
Es ist kein Geheimnis, dass das Lesen am Bildschirm ermüdend ist und dass viele TOLEDO-Texte, insbesondere die Arbeitsjournale, eher in die Kategorie 'longread' einzuordnen sind. Oft wurden wir danach gefragt und jetzt ist es soweit: Mit einem Klick kann ab sofort jeder Text in ein druckbares PDF umgewandelt wird. Wir wünschen gutes Lesen!
Zum dritten Mal veranstaltet der Deutsche Übersetzerfonds einen öffentlichen Übersetzungswettbewerb – diesmal in Kooperation mit Partnern in Rom, Mexiko und Bellinzona. Es geht um zwei Gedichte in italienischer Sprache, die ins Deutsche zu übertragen sind: ein unpublizierter Text von Donata Berra und ein Gedicht aus einem Lyrikband von Franco Marcoaldi.
Sehr genau beleuchtet Olga Radetzkaja in ihrem Beitrag zur neuen deutschen Ausgabe von Viktor Schklowskis „Zoo“, wie Übersetzung Zeiten verbindet – und wie jede Neuübersetzung eine neue Tür zu einem Buch öffnet, hinter der sich oft etwas anderes verbirgt als erwartet. „Überlebensfragen“ ist eine Einladung, in den sehr besonderen Kosmos von „Zoo“ – das russische Berlin der 1920er Jahre –, in die verwickelte Editionsgeschichte und die überraschende Gegenwärtigkeit dieses 99 Jahre alten Textes einzutauchen.
Die Beiträge von »City of Translators: Minsk« sind meistens noch vor dem Krieg entstanden, werden aber unter den neuen Umständen noch schärfer und eindringlicher. Minsk und Belarus als einen vielfältigen Raum wahrzunehmen, diesen Raum für die anderen zu übersetzen, wird essenzieller denn je. Aber in diesen Tagen sind unsere Gedanken vor allem bei den Kolleg·innen und Freund·innen in der Ukraine. Auch in diesem Projekt möchten wir den Stimmen aus der Ukraine Raum geben.
Seit Kriegsbeginn postet Ostap Slyvynsky, einer der Autor·innen dieser »City of Translators«, auf Facebook das Wörterbuch des Krieges: »Denn der Krieg verändert die Bedeutung von Worten.« Slyvynsky sammelt monologische Text-Fragmente, verändert oder übersetzt sie dabei und stellt sie gegen die Sprachlosigkeit im Angesicht des Krieges. Einige der Fragmente dokumentieren wir an dieser Stelle - nichtzuletzt als Zeichen unserer Solidarität.
Der Juni stand mit JUNIVERS ganz im Zeichen der Lyrikübersetzung. Eine ganze Fülle an sommerlichen Veranstaltungen und Aktivitäten: So wirbelt TOLEDO mit mehreren Formaten - Premieren, neuen Journalen, TOLEDO TALKS - durch das europäische Literaturhaus-Festival "Mit Sprache handeln". Außerdem führt uns das Projekt Cities of Translators in Budapest und Minsk auf eindringliche Weise neue Zusammenhänge vor Augen.
Wie umfangreich sich die Dekonstruktion des Originaltextes, die am Anfang einer jeder Übersetzung steht, im speziellen Falle eines deutschsprachigen Romans gestaltet, der die Geschichte Teneriffas ins Zentrum stellt und dann ins Spanische (teilweise zurück-) übersetzt wird, beleuchtet Aníbal Campos. Er lässt uns an seiner gewaltigen Rechercheleistung und am regen Austausch mit der Autorin teilhaben. Seine Arbeit gleicht der eines Detektivs, der den Text auf den Prüfstand stellt und sich oft auf dünnes Eis begibt, in der Bemühung, dem spanischen Lesepublikum und dem Originalwerk gleichzeitig gerecht zur werden.
In WOKE IST BROKE macht Pieke Biermann sich auf die Spur der sensiblen Sprache, vor allem der Assimilation von US-amerikanischem Vokabular im Umkreis von sozialer Gerechtigkeit. Anhand von Beispielen aus dem deutschen und englischen Sprachraum fragt Biermann sich, um welche Sensibilität es in der aktuellen Diskussion um sensibles Übersetzen/„Sensitivity Translating“ eigentlich geht und beschreibt eindrücklich, in welcher Umbruchsphase wir uns aktuell befinden. Sie analysiert die Bereicherungen durch Kultur-Transfer, thematisiert aber auch, dass wir in Deutschland Begriffe übernehmen, ohne die ihnen zugrundeliegenden Diskurse des Ausgangslands zu kennen.
2022 findet die internationale Übersetzerwerkstatt vom 31. Juli bis 5. August im Elsa-Brändström-Haus in Hamburg statt. Sie ist gefördert von TOLEDO. Bis zu 15 Teilnehmer·innen sind eingeladen, sich an vier Vormittagen in Workshops mit aktuellen Tendenzen der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur und den spezifischen Übersetzungsherausforderungen dieses Genres auseinanderzusetzen. Vorträge, Exkursionen und Treffen mit Literaturkritiker·innen sowie Autor·innen runden die Werkstatt ab. Die Bewerbungsfrist endet am 15. Mai 2022.
Sich etwas trauen – wie das Original. Auf der Reise zum inneren Kosmopolitismus.
Ein zweistimmiges Journal zu den übersetzerischen Fragen, die Tanz der Teufel, der aktuelle Roman von Fiston Mwanza Mujila (Zsolnay, 2022), gestellt hat. Die Übersetzerinnen berichten von ihrer Reise durch den palimpsestartigen Text voll von doppeltem Sinn und wechselnden Identitäten, der von ihnen doppelte Aufmerksamkeit, Mut und Auflehnen gegen althergebrachte Konventionen erforderte. Ganz nebenbei erfahren wir auch, wie die Übersetzungsarbeit im Pandemie-Wahnsinn aussah und wie der Nachtclub des Romans einen Zufluchtsort bot – „einen Ort, wo wir, außerhalb der Enge von Zeit und Raum, selbst andere und anderswo sein konnten, vielleicht, in den besten Momenten, selbst innere Kosmopolitinnen.“
Unser neuer Newsletter mit einer ganzen Reihe aktueller Journale, Materialien und Ausschreibungen...
Es war einmal ein Märchenbuch, das erzählte nicht nur Geschichten von den Reichen, Schönen und Heterosexuellen, nein, es gab in ihm auch ungewöhnliche Heldinnen, die keine blondgelockten Prinzessinnen waren.
Meseország mindenkié („Das Märchenland gehört allen“), 2020 im Verlag des ungarischen Lesbenverbandes Labrisz erschienen, ist ein unkonventionelles Märchenbuch, das auch Angehörige marginalisierter Gruppen ansprechen will und im In- und Ausland für viel Aufsehen sorgte – unter anderem deshalb, weil eine Parlamentsabgeordnete der nationalistischen Mi-Hazánk-Bewegung auf einer Pressekonferenz Seiten aus dem Buch schredderte. In „Berührungen weitertragen“ erzählt Christina Kunze uns die Geschichte vom „Märchenland für alle“ und wie es zum Bestseller wurde. Sie schreibt über die Herausforderungen des Übersetzens zu dritt, über Prozesse der Selbsthinterfragung und die doppelten Berührungsebenen beim Übersetzen eines Textes: „Woran wage ich zu rühren, aber auch: Wie sehr möchte ich mich von einem Text berühren lassen?“
Existiert das Chamäleon, wenn ich es nicht sehe? Sind Literaturübersetzer·innen Chamäleons? Und ist das Literaturübersetzen eine Kunst des Verschwindens oder Teil des Konkurrenzkampfes in der Aufmerksamkeitsökonomie?
ViceVersa: Deutsch-Katalanisch Werkstatt vom 23. bis 30. September 2022 im FaberLull Olot.
Bewerbungsfrist: 27. Mai 2022
ViceVersa: Deutsch-Englisch Werkstatt vom 23. bis 30. Oktober 2022 im Übersetzerhaus Looren.
Bewerbungsfrist: 15. Juni 2022
ViceVersa: Deutsch-Französisch Werkstatt vom 13. bis 19. November 2022 im St-Ansgar-Haus, Hamburg
Bewerbungsfrist: 31. Mai 2022
Die katalanische Schriftstellerin Najat El Hachmi hat ihren neuen Roman in zwei Sprachen zugleich geschrieben, im ständigen Wechsel zwischen Katalanisch und Spanisch. Und auch Amazigh, die Sprache von El Hachmis Eltern und Vorfahr·innen, bringt immer wieder einzelne Wörter ins Spiel. Michael Ebmeyer übersetzt die Bücher Najat El Hachmis ins Deutsche und nimmt uns mit in seine Werkstatt: »Die Zweiheit der Sprachen im Roman ist ein zwei plus x.« Ein Journal über Emphasenverschiebung, Übersetzen aus zwei Originalen und die Herausforderungen der Wokeness.
Nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse. Herzlichen Glückwunsch! Der „Dornauszieher“: Absurde Alltagsszenen, blitzartige Tauchgänge in Mythen und Historie, poetische Drohnenflüge, orale Erzähltraditionen, dazu geliehene Stimmen der Weltliteratur … In ihrem TOLEDO-Journal begleiten wir die Übersetzerin bei ihren Tauchgängen in Kalamitäten und flirrenden Tanz, Echo-Ebenen und michiyuki (lyrische Pilgerbeschreibungen). »Und wie übersetzt man das? Mit vielen weiteren Tauchgängen und Drohnenflügen, um das Feld zu kartieren. Und in einem Drahtseilakt.«
Auf in die Tiefendimensionen, auf in die komplexeste Schrift weltweit!
Mit Skepsis und Humor blickt Uljana Wolf auf die Kannibalismustrope, die in der literarischen Übersetzungstheorie der letzten Jahre als dekoloniale Figur interpretiert wird. Bei der Betrachtung der Bilder Tarsila do Amarals erkennt sie eine Kontinuität der kolonialen Perspektive der Antropofagia. Uljana Wolfs Blick richtet sich auf Lygia Clarks Performance »Baba Antropofágica« (1969), in der Fäden aus einem Mund abgespult werden. Das Abspulen eines Fremdkörpers aus dem eigenen Mund – eine anti-anthropophagische Analogie zur eigenen Übersetzungspraxis?
Im letzten Jahr waren wir mit Übersetzer·inne·n auf (virtueller) Expedition in Kiew. In der City of translators beschäftigte sich u.a. Patricia Klobusiczky in ihrem Text "Spannungsverhältnisse" mit dem Verhältnis von Ukrainisch – Landessprache und einzige Amtssprache – und Russisch – Sprache des einstigen Imperiums. Ein starker Text, erschreckend aktuell...
Aus den Perspektiven einer vielsprachigen Gruppe von Übersetzer·innen lässt sich der weltweite Resonanzraum Friederike Mayröckers erspüren: Bei der Lyrikkonferenz in Halle kamen sie alle im November 2021 zusammen, jeweils mit ihrer eigenen Mayröcker, um unseren Blick auf die Dichterin zugleich zu weiten und zu schärfen. Ausgehend von ihren Übertragungen diskutierten die Übersetzer·innen über Fragen der Texttreue und der dichterischen Freiheit. Auf dieser Reise durch verschiedene poetische Traditionen und Übersetzungskulturen offenbart sich, wie Mayröckers Werke in anderen Sprachuniversen neue Relevanz entfalten.
Frank Heibert und Josée Kamoun haben mit ihren Neuübersetzungen von Orwells „1984“ viel gewagt, gerade auch mit der Entscheidung, den Roman ins Präsens zu setzen. Im Videogespräch tauschen sie sich über Tempus, Legitimität, Dialekt und Neologismen aus sowie über die verschiedenen stilistischen Herausforderungen ihrer jeweiligen Sprachwelten. Josée Kamoun hatte in den französischen Medien auch dadurch eine Debatte ausgelöst, dass sie das etablierte „Novlange“ in „Néoparler“ abänderte – und Big Brother beobachtet uns nicht nur, er duzt uns auch!
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Willkommen bei TOLEDO: Wir sind die internationale Sparte und das digitale Labor des Deutschen Übersetzerfonds.
TOLEDO – Übersetzer·innen im Austausch der Kulturen: Über uns
Das Journal ist Zeugnis eines außergewöhnlichen Übersetzungstörns. Eva Profousová spürt den Sprachabenteuern nach, die sie während der Übersetzung des 745 Seiten umfassenden Romans Hodiny z olova alias Stunden aus Blei (Hoffmann & Campe, 2022) von Radka Denemarková durchlaufen hat. Klippe für Klippe führt sie uns durch die verschiedenen Stimmen, Stimmungen und Schwingungen dieses polyphonen Werks. Sie navigiert mit uns durch chinesische und tschechische Realien – von Konfuzius-Zitaten über Paraphrasen alter chinesischer Poesie bis hin zu den Besonderheiten des deftigen und extravaganten Tschechisch. Quasi nebenbei erfahren wir dabei über den Antagonismus zweier politischer Systeme, die sich in ihrer Gier nach Luxus und Konsum gefährlich nahekommen, sowie von zwei Sprachen, die sich durch ihr langes historisches Neben- und Ineinander nicht ganz fremd sind.
Auf der Treppe können Nachbarschaften neu verhandelt werden. Ein Appell an die Verbundenheiten, die uns ausmachen, die Hybridität der Welt und der Sprache, an übersetzerischen Mut und Identitäten, die sich ständig erneuern.
Der brasilianische Comic-Übersetzer Érico Assis nimmt uns in einem fast täglichen Journal mit in seinen Übersetzungsprozess des Comic-Epos Monsters, an dem der britische Comickünstler Barry Windsor-Smith über 30 Jahre lang gearbeitet hat. Ein Journal über Soundwords und hillibilly English, Kinderspielzeug aus den 60er Jahren und Piloten-Jargon.
Das gesamte Jahr 2021 über hat der Deutsche Übersetzerfonds hinter den Kulissen an einer neuen digitalen Plattform zur Literaturübersetzung getüftelt. Das Ziel: das bislang verstreute Wissen der Übersetzerzunft zu bündeln sowie den aktuellen Debatten um eine Poetik des Übersetzens Raum zu geben. Entstanden ist Babelwerk – ein digitaler „Think Tank“ und Versammlungsort für die vielfältigen Stimmen der Literaturübersetzerwelt aus dem In- und Ausland. Jetzt online!
Der Sinn unserer Arbeit besteht in ihrer Verwandlungskraft: alle können alle sein.
Olga Radetzkaja: Alle sein
Eine Annäherung an die Philosophie der Weltbeziehung, dem bahnbrechenden Werk des karibischen Dichters und Philosophen Édouard Glissant, das nun erstmals auf Deutsch vorliegt. Beate Thill, die sich seit vielen Jahren der Übertragung von Glissants Werk widmet und Pionierarbeit leistete, navigiert uns durch die Irrfahrten und Spielarten des Archipelischen Denkens. Ihre Leidenschaft für semantische Feinheiten gibt uns analytische Werkzeuge, um das Imaginäre Glissants neu zu betreten. Beate Thill eröffnet Parallelwelten, die uns zu Walter Benjamin, Robert Musil und bis hin zu Gombrowicz‘ „Allwelt“ führen. Ihr Journal zelebriert Glissants offenen Zugang zur Welt und zeigt eindringlich, wie aktuell dieser ist – und wie befreiend.
Vom 13.-20. März 2022 kommen bis zu 20 Übersetzer·innen in Berlin und Leipzig zusammen, um sich über die neuesten Entwicklungen der hiesigen Literatur(en) und des Marktes zu informieren und das Netzwerk der Literaturübersetzer·innen zu erweitern bzw. enger zu knüpfen. Auf das dreitägige Workshopprogramm im LCB (mit Vorträgen, Diskussionen, Lesungen) folgt der Besuch der Leipziger Buchmesse.
»Denn das ist meine größte Angst bei der Übersetzung: dass mein Text im Akt der Übersetzung, die Art und Weise, wie er meine Lektüre beeinflusst und mich verändert hat, transparent und letztlich unsichtbar wird.«
Neue Beiträge zu den »Berührungsängsten« von Douglas Pompeu, Tomás Cohen und Steffen Popp!
Mit ihrem Journal „Schwarz oder rot?“ führt uns die Übersetzerin Claudia Dathe in die Gedanken- und Erlebniswelt des ukrainischen Regisseurs und Maidan-Aktivisten Oleg Senzow. „Haft. Notizen und Geschichten“ (Voland & Quist 2021) vereint Notizen und Tagebuchausschnitte, die vom Alltag im russischen Strafgefangenenlager »Eisbär« in Labytnangi berichten: Senzow, der insgesamt 145 Tage im Hungerstreik verbrachte, beschreibt die körperlichen Veränderungen, die mit ihm vor sich gehen, sinniert über das launische, lebensfeindliche Wetter am Polarkreis, erklärt die informellen Hierarchien, porträtiert einzelne Häftlinge des Lagers und erinnert sich zurück an die Maidan-Revolution im Winter 2013/14. Claudia Dathe lässt uns in ihrem Journal teilhaben an ihrer Übersetzungsarbeit, die nicht nur zwischen Sprachen sondern vor allem zwei Systemen vermittelt, deren Ausrichtung nicht unterschiedlicher sein könnte.
In ihrem TOLEDO-Journal schreiben Jennifer Dummer und Andreas Jandl als Übersetzungs-Duo über den notwendigen Luxus, mit vier Ohren und vier Augen zu übersetzen – und wie dieses Verfahren den poetischen Sinn erhitzte, gerade bei so kurzen und dichten Texten wie den Gedichten der Grande Dame der indigenen Dichtung Québecs Joséphine Bacon („Uiesh. Irgendwo. Gedichte“, KLAK-Verlag 2021). Das Journal beleuchtet, was es konkret heißt, Schlüsselbegriffe aus dem Leben der Innu sensibel zu übertragen und eine Sprache durch Übersetzung am Leben zu erhalten.
Eine Frau, die sich ihrer dysfunktionalen Familie, ja, eigentlich der ganzen Lebensrealität seit ihrer Jugend konsequent durch eine Flucht in die Welt der Bilder entzogen hat, wird 30 Jahre später beim Sterben ihrer Mutter zur Auseinandersetzung mit ihren Eltern gezwungen. Karoline Georges, wagemutiger Solitär in der Literatur aus Québec, unternimmt vor dieser Handlungsfolie eine Tour d'horizon der westlichen Kultur des Bildes, von Fanpostern bis zu Avataren. Frank Heibert, ihr deutscher Übersetzer, liest gemeinsam mit ihr einige Passagen und spricht mit ihr über ihre Thesen und Figuren und über die Übersetzung (Secession Verlag).
Staying alive ist die neue TOLEDO TALKS-Reihe übertitelt – am Leben bleiben. Darin laden wir Übersetzer·innen ein, ihre Erfahrungen und Beobachtungen bezüglich Neuübersetzungen mit uns zu teilen – Geschichten aus der Praxis, in Form von Essays, Anekdoten und Plädoyers.
Die Reihe startet mit Beiträgen von Claudia Hamm zu ihrer Neuüberstzung von Emmanuel Carrères »Widersacher« und von Frank Heibert und Josée Kamoun zu ihren Neuübersetzungen von George Orwells »1984«.
Mir fällt es jedenfalls viel leichter, einen Text zu übersetzen, als selbst einen zu schreiben. Übersetzen hat eher etwas von Karaoke. Also Vorsicht. Jetzt singe ich.
Sandra Hetzl: Vorsicht: Jetzt singe ich
Dany Laferrières Roman Granate oder Granatapfel – was hat der Schwarze in der Hand (Das Wunderhorn, 2021) ist ein Roadtrip durch ganz Nordamerika und zeigt ein Panorama zwischen Weiß und Schwarz. Beate Thills Journal „Es ist eine Frucht!“ zeichnet nach, mit welcher Leichtigkeit und welchem Witz der Autor Themen wie Rasse, Kultur und Identität in seiner Prosa verhandelt und welche Herausforderungen sich in der Übersetzung stellen. Flankiert wird das Journal von einem Radiostück und einigen Fotografien. Die Dichtung Leaves of grass von Walt Whitman (US-amerikanischer Dichter, 1819-1892) ist ein wichtiger Bezugspunkt des Romans. Für das TOLEDO-Journal komponierte der Radiokünstler Andreas Hagelüken ein Stück in vier Liedern, das Walt Whitman in unsere Zeit holt. Die Schwarz-Weiß-Fotografien aus dem Nachlass von Robert Walker (1919-1992) sind nüchterne Aufnahmen von den Vereinigten Staaten aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Wie die Texte von Laferrière und auch von Whitman zeigen sie den amerikanischen Traum in all seiner Brüchigkeit.
Wir freuen uns auf die nächsten beiden Cities of translators: Budapest und Minsk. Die Erkundungen in den literarisch-übersetzerischen Topografien dieser Städte laufen unter der Regie von Lídia Nádori (gemeinsam mit Kata Veress und Orsolya Kalász) und der Minsker Übersetzerin Iryna Herasimovich.
Budapest soll als Hauptstadt eines „Fährenlandes“ unter die Lupe genommen werden, das kulturell seit Ewigkeiten zwischen Ost und West hin- und herpendelt. Während die Orbán-Regierung die Fassade einer homogenen und geschlossenen „ungarischen“ Gesellschaft propagiert, floriert dahinter eine pulsierende multikulturelle Großstadt mit vielen Communities, die sich zu verschiedenen Ethnien, Kulturen, Sprachen und Religionen bekennen. In essayistischen Text- und Videobeiträgen, Fotografien und Podcasts kommen die Protagonist∙innen der heterogenen Übersetzerstadt Budapest zu Wort.
Minsk dagegen ist gegenwärtig der Schauplatz einer allumfassenden Repression, es herrscht eine Politik der Rache. Die Menschen leiden unter dem Lukaschenko−Regime, viele Kulturschaffende werden verfolgt und bedroht, etliche haben das Land verlassen. In visuellen und akustisch angereicherten Essays, Gesprächen, Fotografien und Collagen soll der Fokus auf die Vitalität und den Mut der belarussischen Kunst- und Literaturschaffenden gelenkt werden.
Erste Ergebnisse dieser vom Auswärtigen Amt geförderten Expeditionen werden Ende des Jahres präsentiert.
Hier geht es zu den bisherigen Städten der Reihe: Kolkata, Montréal, Buenos Aires, São Paulo und Kiew.
Foto: Anja Kapunkt
Mit Collagen und Textfragmenten schildert Milena Adam im Journal »Bastelarbeit« ihre Übersetzungsarbeit an einem flirrenden, dystopischen Text, dem Roman Die Flüchtigen von Alain Damasio (Matthes und Seitz Berlin, 2021). In ihrem Journal steigen wir hinab in die albtraumhaften Kulissen dieses von der Kritik hochgelobten Science-Fiction-Romans, in dem Damasio einen von Lobbyismus geprägten Kapitalismus im Endstadium zeigt: Überwacht werden wir nicht, um unterdrückt zu werden, sondern damit man uns Dinge verkaufen kann, die uns das Leben in der Überwachung erträglicher machen.
Vom Auftragskiller zum Auftragsübersetzer: In ihrem TOLEDO-Journal zu Hervé Le Telliers Roman »Die Anomalie« (Rowohlt, 2021) führen uns die Übersetzer·innen Jürgen und Romy Ritte bis ans „Ende der Anomalie“. Auf ihrer Reise durch ein vielschichtiges intertextuelles Gewebe kommen sie bislang unentdeckten Anomalien auf die Spur. Übersetzung ist selbst Thema in diesem anspielungsreichen Roman, der letztes Jahr mit dem wichtigsten französischen Literaturpreis, dem Prix Goncourt, ausgezeichnet wurde. »L’Anomalie« kreist um einen mysteriösen Flug von Paris nach New York, in dem einer der Protagonisten auf dem Weg zu einer Übersetzungspreis-Verleihung sitzt...
Das TOLEDO-Journal gibt spannende Einblicke in einen Arbeitsprozess im Reißverschlussverfahren, in die Ästhetik des Oulipo sowie in Le Telliers internationales Übersetzersyndikat.
Wie schreibt man ein Journal eines Journals? Wie übersetzt man ein aufgezeichnetes Menschenleben? Mary MacLane veröffentlicht 1917 I, Mary MacLane: ein Tagebuch über ihr skandalöses Bohèmeleben, über ihren weiblichen Körper, Gender, Sex. Über hundert Jahre später wird die Übersetzerin und Autorin Ulrike Draesner zum Maryschatten und gibt Mary (oder MM) eine deutsche Stimme: »Der Text ist über hundert Jahre alt, aber die Übersetzung ist es nicht.« In ihrem TOLEDO-Journal Sahnige cremige notwendige herrliche Lügen zu ihrer Übersetzungsarbeit an Ich. Aufzeichnungen aus meinem Menschenleben (Reclam 2021) kreisen Draesners Gedanken um die Anähnlichung des Geistes, das Übersetzen als Mondarbeit, die Schönheit von Neologismen und das Mitternachtskartoffelgefühl. Ein Beweis mehr für die Schönheit des Übersetzens!
Jin Yong (1924-2018) ist einer der meistgelesenen Schriftsteller der Welt. Von Karin Betz aus dem Chinesischen übersetzt erscheint sein bekanntestes Werk, Die Legende der Adlerkrieger, erstmals auf Deutsch. Ein episches Werk, das neben einer atemlosen, abenteuerlichen Geschichte aus einer sehr eigenen Welt von Kungfukämpfern eine große Fülle von lebendigem Wissen zu chinesischer Geschichte, Philosophie, Dichtkunst, oder Geografie und natürlich Kampfkunst vermittelt.
In ihrem TOLEDO-Journal Über die Kinetik von Namen, Körpern und Kulturen 2. Ein dynamisches Journal zur Übersetzung des Romans »Der Schwur der Adlerkrieger« zum gerade erschienenen Band 2 (Heyne, 2021) schreibt Karin Betz über Kampfkunst und Kochkunst, Kalligrafie und Konfuzianismus, die Lehre der Fünf Elemente und Schwimmen als integraler Bestandteil des Mao-Kults.
Die nächsten und mittlerweile dritten RADIAL-Stipendien – in gemeinsamer Ausschreibung von Deutschem Übersetzerfonds und TOLEDO – wurden vergeben! Ermöglicht durch NEUSTART KULTUR, das Hilfsprogramm der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, erweitern sie das Stipendienangebot des Übersetzerfonds auf die stark gewachsene Gruppe der in der Bundesrepublik lebenden Übersetzer·innen aus dem Deutschen in andere Zielsprachen. 15 Übersetzer·innen kommen in diesem Sommer in den Genuss der Förderung:
Margherita Carbonaro, Gadi Goldberg, Samir Grees, Sahin Kürküt, Sophie Seita, Olga Teremkova, Tony Crawford, Flossie Draper & Samuel Dolbear, Pauline Fois, Manuela Koelke, Dong Li, Ariel Magnus, Nino Osepashvili, Caroline Schmidt, Zouheir Soukah.
Wir gratulieren herzlich!
Beantragt werden können Arbeits-, Reise-, Initiativ- und Weiterbildungsstipendien. Einsendeschluss für Bewerbungen: dreimal jährlich, jeweils am 15. Januar, am 15. Mai und am 15. September.
Auch 2021 versetzte uns ein virtuelles JUNIVERS in den Kosmos der Poesieübersetzung. JUNIVERS spannte einen Bogen über viele Stationen und Interventionen bis hin zum 30. Juni, an dem ein internationales Übersetzungslabor und öffentliches JUNIVERZOOM zu Gedichten aus „Cosmos“ (Verlag Matthes & Seitz Berlin, 2020) von Dana Ranga das Programm beschloss. Den gesamten Monat hindurch wurden ›Juniverse‹ veröffentlicht: Verse, die eine besondere übersetzerische Herausforderung veranschaulichen und das Universum der eigenen Sprache und poetischen Tradition aufscheinen lassen – eine virtuelle Anthologie! Im digitalen Essay finden sich alle Fixpunkte des diesjährigen JUNIVERS an einem Ort zusammen. Auf ins JUNIVERSUM!
Unser zweites Lyrikjournal ist online!
Wie übersetzt man aus einer Sprache, die man kein bisschen versteht? Wieso greift man zu Reimen, obwohl das Original darauf verzichtet? Und wie schmecken Churchkhela? Norbert Hummelts Journal zur Übersetzung des Gedichtbandes „Das Kettenkarussell“ von Bela Chekurishvili nimmt uns mit auf eine persönliche und sinnlich-kulinarische Reise nach Georgien: „Die ganze Küche ist heute gut drauf. Nachdenken über das Nachdichten aus fremden Sprachen”. Das Journal erscheint zeitgleich zum Gedichtband im Verlag Das Wunderhorn und liefert uns viele Einblicke in die poetischen Traditionen Georgiens sowie Zutaten und Rezepte zum Nachdichten.
»Nie im Leben hätte ich einen noch nicht lektorierten, geschweige denn unfertigen Roman zu übersetzen begonnen – so war es bisher – und trotzdem habe ich diesen Auftrag angenommen, als der Lauf der Dinge für mich noch nicht abzusehen war.«
Anne Birkenhauers TOLEDO-Journal »Vernetzungen« zur Übersetzung von Zeruya Shalevs neuem Roman »Schicksal« gibt Einblick in einen ungewöhnlichen Übersetzungsprozess, in dem die Übersetzerin zur Mitlektorin des noch im Entstehen begriffenen Originaltexts wurde. In einem Close-Reading-Teil schöpft das Journal in den Möglichkeiten des Digitalen, um Übersetzungsherausforderungen und -entscheidungen zu beleuchten und die besondere Netzstruktur des Romans – Wortwiederholungen, die ein merkwürdiges, schwer zu fassendes Netz von Verbindungslinien zwischen den Protagonisten spinnen – zu verdeutlichen.
»Schicksal« erscheint in der deutschen Übersetzung am 31. Mai im Berlin Verlag, vor dem hebräischen Original, das für Herbst 2021 angekündigt ist.
The Game(s) of Translation nimmt im Rahmen von Junivers 2021 explorative, subversive, aktionistische Lyrikübersetzungen in den Blick: Lyrikübersetzer·innen, Literaturwissenschaftler·innen und Künstler·innen haben sich mit dem kritischen Potential von Praktiken, Konzepten und Theorien auseinandergesetzt, die sich als Interrogationen der übersetzerischen Kulturtechnik und ihrer tradierten und ungeschriebenen Regeln begreifen und/oder als solche wirksam werden. Ein Format des Exzellenzclusters »Temporal Communities: Doing Literature in a Global Perspective« in Kooperation mit uns und dem LCB.
Mit Beiträgen von Shane Anderson, Simon Godart, Simone Homem de Mello, Lea Hopp, Wolfgang Hottner, Anna Luhn, Marion Maurin, Melanie Möller, Felix Schiller, Sophie Seita, Jasmin Wrobel und Tr4ducc1ón 3xp4nd1d4.
Konzept: Anna Luhn und Lena Hintze
Amanda Gorman in deutscher Übersetzung. Insa Wilke im Gespräch mit den Übersetzerinnen Kübra Gümüşay, Hadija Haruna-Oelker und Uda Strätling. Veranstaltung vom 4. Juni. Die Videoaufzeichnung ist in der Mediathek des LCB verfügbar.
Neue Beiträge zu den »Berührungsängsten«: Tanja Handels, Übersetzerin von Zadie Smith und Bernardine Evaristo, schreibt über das, was beim Übersetzen niemals verloren gehen darf: der Übersetzungsmut. Für mehr sense & sensibility als sensitivity plädiert Judith Zander, Lyrikerin und Übersetzerin von Maya Angelou, und beschreibt dabei, wie die aktuellen Debatten das dünne Eis des Lyrikübersetzens noch dünner werden lassen. Charlotte Bomy und Lisa Wegener schildern, welche Prozesse sie als weiße Herausgeberinnen afropäischer Dramatik durchlaufen haben. Und schließlich nimmt uns Sandra Hetzl mit auf eine Exkursion ins reiche Innenleben einer Frau, deren Biografie von den plumpen Formen und den feinen Nuancen der Ausgrenzung gezeichnet ist und die im literarischen Übersetzen arabischer Literatur einen idealen Ort gefunden hat.
»Die Offenheit für das Fremde ist bis heute charakteristisch für Buenos Aires und macht die Metropole am Rio de la Plata zu einer wahren Stadt der Übersetzung, einem Ort, der sich das Fremde erschließt, es adaptiert und sich schließlich zu eigen macht.« Timo Berger
Ursprünglich sollte uns der Expeditionsleiter Timo Berger 2020 nach Buenos Aires führen, um an unsere Vorbereitungsreise in 2019 anzudocken, doch aufgrund der weltweiten Pandemie wurde das Projekt ins Digitale verlagert – und schließt sich nun unseren virtuellen Ausflügen nach São Paulo und Kiew an. In einer Tour aus Videogesprächen, Stadtspaziergängen, Hausbesuchen und vertiefenden Keynotes begegnen wir in »Cities of translators Buenos Aires« nun Übersetzer∙innen, Autor∙innen und Literaturvermittler∙innen und ihren Fragen nach Sprache, Übersetzungsnetzen und kulturellem Vermächtnis.
Mit Beiträgen von Bárbara Belloc, Mario Cámara, Jorge Fondebrider, Florencia Garramuño, Carla Imbrogno, Odile Kennel, Alejandro Crotto, Ariel Dilon, Anna Kazumi Stahl, Tamara Tenenbaum, Tamara Kamenszain, Léonce Lupette, Ariel Magnus, Erna Pfeiffer, Martina Fernández Polcuch, Eleonora González Capria, Márgara Averbach und Inés Garland.
»Was mit der Veröffentlichung von No Art zum Abschluss kommt, ist nicht nur eine aufwändige Übersetzungsarbeit, sondern auch eine lange Geschichte, ein Geflecht geplanter und ungeplanter Wege, das mit Unterbrechungen über 13 Jahre zurückreicht.«
Steffen Popp nimmt uns in seinem Journal mit in dieses Geflecht, lässt uns teilhaben am »Re-Enactment« seiner erneuten Materialsichtung und gräbt sich noch einmal hinein in die genial verflochtenen Verse des amerikanischen Autors Ben Lerner, die mit NO ART nun komplett und zweisprachig bei Suhrkamp erscheinen. Und plötzlich stehen wir vor assoziativen Soundskulpturen, naturwissenschaftlichen Phänomen, optischen Wellenbewegungen oder mal eben mitten im Maschinenraum eines Sonetts:
»Teilweise wurden die Maschinen selbst ausgeräumt, nur noch Teile von ihnen stehen herum, mit neuen Maschinen zusammengeschaltet, und über Resten alter Nutzeroberflächen spannen sich neue, wie Solarpanels und Carbonfasern über gesprengten Eichenholzbalken und Stahlträgern.«
Mit Haarlockenfeature von Rudi Völler und der akustischen Erinnerung an blühenden Jasmin!
Neue Beiträge zu den »Berührungsängsten«: Immer weiter und tiefer dringt die Reihe in die Angstzonen des Übersetzens ein und erwächst zu einem internationalen Debattenforum. Neue Beiträge von Eva Bonné und Marion Kraft, Anne Kove, Frank Heibert, Camille Luscher, Isabel Fargo Cole, Carla Imbrogno, Gadi Goldberg und Marina Skalova.
Wann verwandelt sich die Stadt aus einer Rohübersetzung in eine Arbeitsversion und von dieser in eine redigierte Übersetzung, in der du jeden Winkel, jeden dunklen Torbogen, jede Straßenlaterne erklären kannst?
Iya Kiva: Stadt, Übersetzen und Übersiedeln als Erfahrung
"Wann verwandelt sich die Stadt aus einer Rohübersetzung in eine Arbeitsversion und von dieser in eine redigierte Übersetzung, in der du jeden Winkel, jeden dunklen Torbogen, jede Straßenlaterne erklären kannst?" Iya Kiva (Kiew)
Dass sich die Übersetzungsgeschichten einer Stadt auch virtuell aufschlüsseln und erzählen lassen, beweist unsere Reihe Cities of translators digital. Nach einer Tour durch São Paulo ist nun die zweite Reise online gegangen: Für »Cities of translators Kiew« hat sich ein von Claudia Dathe und Nelia Vakhovska kuratiertes zehnköpfiges deutsch-ukrainisches Übersetzer·innenteam zusammengefunden, um ausgehend vom gemeinsamen Betrachten der Fotografien von Dina Artemenko und Mila Hryhorenko das Fotoobjekt Kiew digital zu erkunden. Herausgekommen ist ein wunderschön heterogenes »Kiewer Mosaik« (Patricia Klobusiczky) mit facettenreichen Flaniertexten, der Suche nach verschiedensten Übersetzungsmetaphern (Haus? Stadt? Palimpsest?) und viel Über-die-Schulter-Schauen. Mit Bettina Bach, Mark Belorusets, Sandra Hetzl, Claudia Sinnig, Olesja Kamyshknykova, Ija Kiva, Patricia Klobusiczky und Roksolana Sviato uvm.
„Ich merke, was auf dem Spiel steht. Wie meine Sprache ständig Gefahr läuft, das Weltbild der Protagonisten zu verraten“, schreibt Claudia Hamm in ihrem TOLEDO-Journal zum neuesten, von ihr übersetzten Buch von Joseph Andras. »Kanaky« (Hanser, 2021) erzählt nicht nur vom Konflikt zwischen den indigenen Kanak und der französischen Kolonialmacht in Neukaledonien, sondern auch von dem zwischen Gewalt und Gewaltlosigkeit, ›Fortschritt‹ und Nachhaltigkeit, Dominanz und Respekt. Für ihre Übersetzung hat Claudia Hamm sich einer hierzulande kaum bekannten Kultur und Sprache der Solidarbeziehungen angenähert. „‚Zwei Hautfarben, ein Volk‘, daran hat Alphonse geglaubt. Er wollte immer den Unterdrücker dazu bringen zu verstehen, warum er unterdrückt.“
„Regenschirm, Shark und nun Phone, über zweitausend absatzlose Seiten, zwölf Kilo Slang, acht Jahre Schufterei. Ich habe es geschafft.“ So endet das magistrale TOLEDO-Journal »Weiße Haie, schwarze Schafe« von Gregor Hens, das am 2. Februar 2021, zeitgleich zum Erscheinen von Will Selfs Roman Phone (Hoffmann und Campe) online geht. Mit viel Humor beschreibt Gregor Hens wie er „acht Jahre im Stollen der Selfschen Wörtergrube geschuftet“ und sich durch den unübersetzbaren Cockney Rhyming Slang gekämpft hat.
Mit zahlreichen Anekdoten zum Übersetzungswahnsinn, von „deep googling“ bis hin zu Versen von W.H. Auden und T.S. Eliot und mit einer zweisprachigen Leseprobe: Das Journal bietet einen einmaligen Tauchgang in Will Selfs und Gregor Hens‘ gemeinsames Universum!
Feliz aniversário, São Paulo! Die Stadt, die sich im 20. Jahrhundert in Folge von Migrationswellen aus der ganzen Welt rasch zu einer Metropole entwickelt hat, wird am 25. Januar 467 Jahre alt! Wir feiern mit und präsentieren euch das von Simone Homem de Mello kuratierte Projekt Projekt «Cities of translators São Paulo»: Ein Mosaik aus Liedern, Essays & Film, das im Grunde selbst zur Stadt wird, durch die man (voller Saudade) flanieren kann. Mit Augusto de Campos, Livia & Arthur Nestrovski, Mônica Salmaso, Massimo Canevacci und vielen mehr.
Am 18. Dezember haben wir zusammen mit dem LCB einen Digital Essay veröffentlicht, der an die in diesem Jahr leider ausgefallene »Sommerakademie für Übersetzer·innen deutscher Literatur« anknüpft. Zeitgleich ist ein babylonisches „Töchter“-Journal zu Lucy Frickes gleichnamigem Roman erschienen: Die Übersetzerinnen Sinéad Crowe, María Tellechea und Isabelle Liber arbeiteten parallel an der Übersetzung von »Töchter« (Rowohlt, 2018) und haben gemeinsam ein dreistimmiges Journal erstellt. Im Film »Töchter am Wasser« kommen sie zusammen mit Lucy Fricke zu Wort. In gefilmten Kritiker·innengesprächen haben wir Literaturkritiker·innen, eine Übersetzerin und eine Buchhändlerin nach ihren Übersetzungsempfehlungen 2020 gefragt. All das bildet den Startschuss für TOLEDO TALKS, ein Debattenforum, in dem wir Übersetzer·innen dazu einladen, ihre Erfahrungen und Beobachtungen zu gegenwartsbezogenen Themen mit uns zu teilen – in Form von Essays, Geschichten, Plädoyers. In der ersten Reihe »Berührungsängste« nähern sich zwei Dutzend Übersetzer·innen den Sensibilitäten, die das Übersetzen mental, politisch oder ideologisch begleiten können.
»Parallel zu unserem Journal haben wir zusammen mit Lucy Fricke für die Eröffnung der diesjährigen Sommerakademie 2020 an einem Filmprojekt gearbeitet, das einen Austausch zwischen der Autorin und ihren Übersetzerinnen bildet und sich mit dem Reisen, dem Schreiben und dem Übersetzen auseinandersetzt. Der Film fängt in Istanbul an, wo Lucy an ihrem neuen Roman schrieb, und wird dann in Buenos Aires, Berlin und Hamburg, mit zusätzlichen Abstechern zu unseren Verlagshäusern, weitergeführt.
Für dieses vielstimmige Gespräch haben wir uns auf einen Spaziergang am Wasser begeben, vielleicht weil Wasser ein Symbol für Verbindung und auch für Verwandlung ist – von einer Sprache zur anderen…«
Wir müssen auf eine Zukunft hinarbeiten, in der die Übersetzung als Blutkreislauf des kulturellen Austauschs anerkannt ist und die dabei Handelnden, die Übersetzerinnen, in unserer Gesellschaft immer sichtbarer und wichtiger werden.
Tomás Cohen: Cluster, Sprünge, Plan
Vom 26. bis 29. Juli 2021 bietet der Arbeitskreis für Jugendliteratur eine digitale Ausgabe der Übersetzerwerkstatt "Kein Kinderspiel!" an. Eingeladen werden bis zu 15 professionell arbeitenden Übersetzer·innen von Kinder- und Jugendliteratur, die aus dem Deutschen in ihre jeweilige Muttersprache übersetzen. An vier Vormittagen finden Text-Workshops zu spezifischen Übersetzungsproblemen des Genres via Zoom statt. Diese werden geleitet von Tobias Scheffel (ausgezeichnet mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für sein Gesamtwerk als Übersetzer). Abends erwarten die Teilnehmer·innen digitale Begegnungen mit renommierten Autor·innen. Die Werkstatt wird ausgeschrieben für Teilnehmer·innen aller Sprachen aus den Zeitzonen UTC, UTC+1 und UTC+2. Die Ausschreibung erfolgt im April u.a. über die AKJ-Homepage: www.jugendliteratur.org
2021 wird „Kein Kinderspiel!“ vom Projektfonds des Deutschen Übersetzerfonds e.V. gefördert.
"Das 20. Jahrhundert ist wie kein anderes eines der Übersetzung", schreibt Octavio Paz im Vorwort zu einem Gedichtzyklus, den er Ende der Sechziger Jahre gemeinsam mit Jacques Roubaud, Edoardo Sanguineti und Charles Tomlinson verfasst hat: "Renga". 27 Sonette, in denen das Spanische, Französische, Englische und Italienische sich vermischen, verschwimmen, in- und untereinander übersetzen.
2020 wurden Übersetzer·innen und Künstler·innen verschiedener Sparten eingeladen, die ersten vier Sonette von »Renga« zum Ausgangspunkt eines je eigenen Übersetzungsexperiments zu machen. Ein kollektives Übersetzungsspiel ist entstanden: Die Translation Games.
In ihrem kollektiven TOLEDO-Journal werden all die entstandenen Beiträge vorgestellt, die konzeptuellen Zugriffe und praktischen Ansätze offengelegt und der transformatorische Prozess, seine Stufen und Schwierigkeiten dokumentiert. Mit Rengareigen, Renga-Permutationen, bis hin zu Rengänzungen!
Ein Journal von Marina Agathangelidou, Hannes Bajohr, Lea Hopp, Dagmara Kraus, Dong Li, Franziska Paul, Felix Schiller, Kinga Tóth und Versatorium – Verein für Gedichte und Übersetzen ─ und einem Konzept von Anna Luhn und Lena Hintze.
„Der Roman wandert vorwärts und blickt zurück, erstreckt sich über ein Jahrhundert chinesischer Geschichte von der späten Südlichen Songzeit bis zur Eroberung Chinas durch Dschingis Khan; ersetzte man bestimmte Namen, ist die Geschichte leicht als Allegorie auf Chinas bewegte Geschichte im 20. Jahrhundert zu lesen.“
Karin Betz hechtet und fechtet regelrecht in ihrem Journal zu ihrer gerade bei Heyne erschienenen Übersetzung Die Legende der Adlerkrieger (aus dem Chinesischen) von Jin Yong: Von der Frage, wie sich Bewegung übersetzen lässt, über äußeres und inneres Kungfu und die Natur der Zeichen bishin zu detektivischer Namensentzifferung.
„Dieses Journal soll einladen, munter durch den Wald der Kampfkunst, vom dreizehnten Jahrhundert in das zwanzigste, vom wasserreichen Süden in den kargen Norden, durch die Bedeutungsebenen einzelner Schriftzeichen und nicht zuletzt von der Recherche zur fertigen Übersetzung zu springen.“
„Indigene Literatur kann dazu beitragen, andere Lebensrealitäten besser zu verstehen, und ermöglicht es im Idealfall, neue Welten diesmal wirklich zu entdecken; vor allem, wenn sie nicht pädagogisch-moralisierend auftritt, sondern selbstbewusst und humorvoll – wie in den „Stories aus Kitchike“ von Louis-Karl Picard-Sioui.“
Sonja Finck und Frank Heibert schreiben und sprechen in ihrem TOLEDO-Journal über ihre soeben bei Secession erschienene vierhändige Übersetzung aus dem Quebecfranzösischen: Der große Absturz - Stories aus Kitchike von Louis-Karl Picard-Sioui. Über Komfortzonen, Karl-May-Romantik und Kolonialismus ─ und nicht zuletzt darüber, was es bedeutet, gemeinsam zu übersetzen:
„Statt wie sonst beim literarischen Übersetzen monatelang allein zu Hause am Schreibtisch vor sich hinzuarbeiten, hat das vierhändige Übersetzen ja etwas sehr Dialogisches. Denn alle Denkprozesse und Überlegungen erfolgen nicht still und leise im eigenen Kopf, sondern in Auseinandersetzung mit einem Gegenüber. Das empfinde ich als sehr produktiv, weil zwei Gehirne mehr gute Ideen ausspucken als eins und weil man in seinem Mit-Übersetzer ein Korrektiv hat, wenn man sich mal vergaloppiert.“
„Warum wurde Haruki Murakamis Roman Nejimaki-dori kuronikuru („Aufziehvogel-Chronik“) in der amerikanischen Übersetzung eigentlich gekürzt? Und warum hat der Autor einem so einschneidenden Eingriff in sein Werk zugestimmt?"
Ursula Gräfe erklärt in ihrem neuen TOLEDO-Journal, wer „der Aufziehvogel" ist, was Mandschukuo war und warum es Zeit wurde für ihre Murakami-Neuübersetzung „Die Chroniken des Aufziehvogels" (erscheint am 13. Oktober im Dumont-Verlag).
Wir möchten das Übersetzen als einen Prozess begreifen, der sich zwischen Sprachen und Sprechweisen entfaltet; als eine individuelle, solitäre Arbeit, und als Schauplatz des Sozialen; wir möchten die Übersetzung als einen Gegenstand verstehen, der von Subjekten, von Übersetzer·innen erschaffen wird, die die Welt der Sinne und Klänge still durchstreifen, um die Literatur so getreu wie möglich ans andere Ufer zu bringen.
Das FILBA Festival in Buenos Aires geht dieses Jahr online an den Start und TOLEDO macht mit.
In den Werkstätten, Gesprächen und Performances von Ciudad de traducciones begegnen sich Sprachen und Sprechweisen, Klänge und Rhythmen. Und alle, die teilnehmen!
Wie sieht Übersetzen in fünfzig Jahren aus? Wir spinnen herum. In einer Mischung aus Vortrag, Lesung, Soundperformance und Videolyrik eröffnen wir einen längeren Dialog zur Zukunft des Übersetzens.
Nach der Verschiebung von März auf November wollen wir nicht länger warten. Wir nutzen den Lockdown. Vorbeikommen und: übersetzen! Denn Why wait?! Im Online-Event erleben wir verschiedene Ansätze: vier Beiträge, die auf ganz unterschiedliche Weise spürbar machen, dass Übersetzen alles andere als körperlos ist.
Kuratiert von: Jörg Albrecht und Aurélie Maurin
Mit: Andreas Bülhoff, Marc Matter, Mette Moestrup, Valère Novarina, Tan Qi, Leopold von Verschuer u.v.m.
Why wait? Translate! ist der erste Teil einer interdisziplinären Übersetzungswerkstatt von Burg Hülshoff – Center for Literature und TOLEDO.
25. November 2020, 20 Uhr
Im März 1969 treffen sich die Dichter Octavio Paz, Jacques Roubaud, Edoardo Sanguineti und Charles Tomlinson in einem Pariser Hotelkeller zu einem Akt kollektiver Autorschaft. Ausgehend von der Form des ›renga‹, eines traditionellen japanischen Kettengedichts, erschaffen sie in fünf Tagen »Renga – 27 Sonette« (George Braziller, 1971), in denen das Spanische, Französische, Englische und Italienische sich vermischen, verschwimmen, in- und untereinander übersetzen.
Translation Games nimmt diese literarische Versuchsanordnung, das Spiel zwischen den Sprachen und Formen auf und transponiert es in die Gegenwart. Übersetzer·innen und Künstler·innen verschiedener Sparten wurden eingeladen, die ersten vier Sonette von »Renga« zum Ausgangspunkt eines je eigenen Übersetzungsexperiments zu machen.
Eine Veranstaltung des Exzellenzclusters Temporal Communities. Doing Literature in a Global Perspective, LCB und TOLEDO, konzipiert von Anna Luhn und Lena Hintze.
Mit: Marina Agathangelidou, Hannes Bajohr, Lea Hopp, Dagmara Kraus, Dong Li, Franziska Paul, Felix Schiller, Kinga Tóth, Versatorium – Verein für Gedichte und Übersetzung.
Bitte beachten: Ein Teil der Translation Games wird hier oder www.lcb.de gestreamt, ein Teil der übersetzerischen Explorationen der Teilnehmer·innen kann – wenn gewünscht – in Form einer kombinatorischen Faltkarte den Weg in Ihren heimischen Briefkasten finden. Dafür bitten wir um eine kurze Email mit der vollständigen Postadresse an: renga [at] posteo.de
"High as the Waters Rise" was the most difficult translation I’ve ever worked on, in the sense of the most work calculated by time spent. If I stopped there it would be true. It is also true that it was the easiest translation I’ve ever worked on, in the sense that it is easy to do what you love.
Anne Posten schreibt in ihrem TOLEDO-Journal "On Love and Labour, or a Journal of Work" über ihre Übersetzung von Anja Kampmanns "Wie hoch die Wasser steigen" (Hanser Literaturverlage) ins Englische (erscheint im September bei Catapult), reist dazu in die schottische Hafenstadt Aberdeen, umkreist "Stahltampen" und "Inselbeine" und stellt sich dabei einige Fragen über das Verhältnis von Liebe und Arbeit beim Übersetzen. Die deutsche Übersetzung stammt von Anja Kootz.
Iwona Nowacka konnte dank TOLEDO-Mobilitätsförderung im September 2020 von Stettin nach München reisen und erzählt hier von metallenem Truthahnkollern, Stipendiatengabeln und ihrer Wahlheimat.
Der Deutsche Übersetzerfonds legt Programme unter dem Titel „Neustart Kultur“ auf. Sie werden mit insgesamt 5 Mio Euro aus dem von Staatsministerin Monika Grütters initiierten Hilfspaket der Bundesregierung finanziert und schaffen neue Impulse für die Übersetzungskultur in Deutschland.
Weitere Informationen finden Sie hier:
http://www.uebersetzerfonds.de/#27/neustart-kultur-mit-impulsen-fuer-die-uebersetzungskultur-
Übersetzung als Mantra der Regeneration: TOLEDO meets Hölderlin ... und Jean-René Lassalle! Jean-René Lassalle, der große Meister der Lyrikübersetzung (Übersetzer u.a. von Oswald Egger und Thomas Kling), hat im Hölderlin-Jahr ein Mantraprintemps verfasst (erschienen in "Die Mütze"), als eine Hommage ─ aber auch als Variationen, die woandershin führen, mit eigenen Ausdrucksmitteln (das Quadrat, die instabile Mehrsprachigkeit, experimentelle Übersetzungsprozesse). Das Ganze vor dem Hintergrund der Pandemie, wo Lassalle "sich nach einem heilenden Frühling sehnte, für sich und für andere: nach diesem Mantra, mit seiner eigenen Gedankenmusik." Aufgeführt wurde dies am 12. September im Rahmen von "Silenced choirs - Bald sind wir aber Gesang!" OPEN AIR auf der Wiese überm Wannsee.
Das internationale Lyrikübersetzertreffen JUNIVERS wird zwei Jahre weitergedreht (neuer Termin: 2022), weitet sich allerdings bereits in diesem Juni 2020 in den virtuellen Raum aus. Auf der Webseite des LCB ist ein JUNIVERS-Raum entstanden, in dem die Juniversalist·innen kleine poetische Zeichen setzen.
Mit Marina Agathangelidou, Christian Filips, Jo Frank, Odile Kennel, Ludwig Lohmann, Tillmann Severin, Asmus Trautsch, Lea Schneider, Aldo Medeiros, Anne Posten, Masha Qrella, Kamilla Raffo, Felix Schiller, Hans Thill, Leopold von Verschuer
Nach der Expedition „Cities of translators Montréal“ im vergangenen Mai setzen TOLEDO und LCB die Erkundung der québecischen Literatur fort. Die lange Nacht auf drei Bühnen in der Veranstaltungsreihe „Casino“ wird 2020 zur virtuellen Tour de Québec. Sonja Finck, Frank Heibert und Cornelius Wüllenkemper nehmen den Gesprächsfaden auf – erweitert um eine Materialsammlung von Fernbegegnungen, Stadterkundungen und Essays.
Hier der Link zu Videos und Materialsammlung.
Mit der REPUBLIK DER ÜBERSETZER·INNEN feierte TOLEDO die Inszenierung von Übersetzung als kollektives Erlebnis – auf der Bühne. Zwölf Übersetzer·innen des Autors Valère Novarina versammelten sich im großen Theaterraum des Théâtre de la Colline in Paris, um ihre Übersetzungen live zu diskutieren und neu zu inszenieren: ein groß angelegtes Szenenformat, sowohl "Gläserner Übersetzer" als auch Theaterlabor. Marco Baschera, Initiator der Republik: “Durch die REPUBLIK DER ÜBERSETZER·INNEN entsteht ein Fokus gemeinsamer sprachlicher Entdeckung, der sich gerade aus der Verschiedenheit der Sprachen nährt (...) und eine eminent politische Dimension in sich birgt."