Kyjiw
»Stadt des Widerstehens und Überlebens«
Im Herbst 2020 haben sich fünf deutsche und fünf ukrainische Übersetzer·innen auf eine virtuelle Kennlerntour durch Kyjiw als City of Translators begeben. Nachdem Russland unter Putins Führung am 24. Februar die Ukraine überfallen hat, ist Kyjiw nun eine Stadt des Widerstehens und Überlebens.
Hier hat sich mit den Protesten während der Orangen Revolution 2004/05 und dem Euromaidan 2013/14 die ukrainische Zivilgesellschaft formiert, die heute – gemeinsam mit der Armee – Putins imperialen Plänen mutig entgegentritt und erbitterten Widerstand gegen den Angriff auf Souveränität und Freiheit leistet.
Wir laden Sie ein, die Stadt, ihre Übersetzer·innen und die übersetzerischen Aktivitäten vor dem Krieg kennenzulernen. Mark Byelorusets‘ Artikel „Das Haus an der Volodymyrska/Prorizna“ gewährt Ihnen Einblick in die dissidentische Kulturszene Kyjiws, vorgestellt am Beispiel einer Wohnung, in der sich Intellektuelle trafen, um zu lesen, zu diskutieren und verbotene Texte abzuschreiben. Im Streifzug mit der Übersetzerin Olene Sheremet lernen Sie den beruflichen und privaten Alltag der Sachbuchübersetzerin kennen, Polina Horodycka stellt Ihnen in einem Vortrag die ukrainische Literaturszene und den Buchmarkt vor, und Patricia Klobusiczky, renommierte Übersetzerin aus dem Englischen und Französischen und deutsche Teilnehmerin der deutsch-ukrainischen Cities-Tour reflektiert in ihren Texten über die virtuellen Begegnungen mit der Stadt. Roksolyana Sviato beleuchtet in ihrem Artikel „Kyjiv als meine Übersetzungsstadt. Palimpsest oder Tabula rasa?“ das Übersetzen vor dem Hintergrund postkolonialer Erfahrungen in der ukrainischen Sprache, Literatur und Kultur.
Im Moment ist die Situation in Kyjiw offen: Wird es gelingen, mit der militärischen Gegenwehr der ukrainischen Armee und dem wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Druck aus den europäischen Ländern und den USA Putin zu Fall zu bringen und zum Rückzug zu bewegen? Oder wird die Ukraine zu einer von dauerhafter Gewalt bestimmten Bruchzone zwischen Freiheit und Diktatur?
Kyjiw wird uns diesen Prozess spiegeln, mit seinen Räumen, aber vor allem auch mit den dort lebenden Menschen.
März 2022
Kuration: Claudia Dathe & Nelia Vakhovska
Die Reihe »Cities of translators digital« wird gefördert durch das Auswärtige Amt.
»Stadt des Widerstehens und Überlebens«
Im Herbst 2020 haben sich fünf deutsche und fünf ukrainische Übersetzer·innen auf eine virtuelle Kennlerntour durch Kyjiw als City of Translators begeben. Nachdem Russland unter Putins Führung am 24. Februar die Ukraine überfallen hat, ist Kyjiw nun eine Stadt des Widerstehens und Überlebens.
Hier hat sich mit den Protesten während der Orangen Revolution 2004/05 und dem Euromaidan 2013/14 die ukrainische Zivilgesellschaft formiert, die heute – gemeinsam mit der Armee – Putins imperialen Plänen mutig entgegentritt und erbitterten Widerstand gegen den Angriff auf Souveränität und Freiheit leistet.
Wir laden Sie ein, die Stadt, ihre Übersetzer·innen und die übersetzerischen Aktivitäten vor dem Krieg kennenzulernen. Mark Byelorusets‘ Artikel „Das Haus an der Volodymyrska/Prorizna“ gewährt Ihnen Einblick in die dissidentische Kulturszene Kyjiws, vorgestellt am Beispiel einer Wohnung, in der sich Intellektuelle trafen, um zu lesen, zu diskutieren und verbotene Texte abzuschreiben. Im Streifzug mit der Übersetzerin Olene Sheremet lernen Sie den beruflichen und privaten Alltag der Sachbuchübersetzerin kennen, Polina Horodycka stellt Ihnen in einem Vortrag die ukrainische Literaturszene und den Buchmarkt vor, und Patricia Klobusiczky, renommierte Übersetzerin aus dem Englischen und Französischen und deutsche Teilnehmerin der deutsch-ukrainischen Cities-Tour reflektiert in ihren Texten über die virtuellen Begegnungen mit der Stadt. Roksolyana Sviato beleuchtet in ihrem Artikel „Kyjiv als meine Übersetzungsstadt. Palimpsest oder Tabula rasa?“ das Übersetzen vor dem Hintergrund postkolonialer Erfahrungen in der ukrainischen Sprache, Literatur und Kultur.
Im Moment ist die Situation in Kyjiw offen: Wird es gelingen, mit der militärischen Gegenwehr der ukrainischen Armee und dem wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Druck aus den europäischen Ländern und den USA Putin zu Fall zu bringen und zum Rückzug zu bewegen? Oder wird die Ukraine zu einer von dauerhafter Gewalt bestimmten Bruchzone zwischen Freiheit und Diktatur?
Kyjiw wird uns diesen Prozess spiegeln, mit seinen Räumen, aber vor allem auch mit den dort lebenden Menschen.
März 2022
Kuration: Claudia Dathe & Nelia Vakhovska
Die Reihe »Cities of translators digital« wird gefördert durch das Auswärtige Amt.
Eine interaktive Webseite mit Stimmen von ukrainischen und deutschsprachigen Literaturübersetzer·innen
„Die Idee zu diesem Gespräch ist im März 2022 entstanden, nachdem wir – ein kleiner Kreis von deutsch-ukrainischen Übersetzer·innen – es endlich geschafft hatten, den Schock des Krieges zu durchbrechen, und nun versuchten, uns darüber auszutauschen, wo wir uns befanden, vor allem mental. Manche von uns hatten die Rettung vor dem Krieg in der Flucht gesucht, andere waren zu Hause geblieben, die Dritten lebten wie zuvor in Deutschland. Uns über die eigenen Beobachtungen auszutauschen wurde für uns zu einem Schutzraum, der Wohlwollen und Akzeptanz eröffnete, es war beinahe so etwas wie eine Selbsthilfegruppe, in der es einfacher war, Reflexionen über den eigenen Zustand zuzulassen. Schließlich war es sogar hilfreich, dass wir uns gegenseitig übersetzten, half das doch, die eigene Kopflosigkeit, bisweilen auch Unbehaustheit zu überwinden und zumindest teilweise in das Leben vor dem Krieg zurückzukehren und so wieder etwas Boden unter den Füßen zu spüren.“
Umfrage der ukrainischen Übersetzer·innen
Wie erleben die Literaturübersetzer·innen in der Ukraine die ersten beiden Monate seit Beginn des Krieges? Die Kuratorin Nelia Vakhovska bat Kolleg·innen, Gegenstände auf ihren Arbeitsplätzen zu fotografieren und diese kurz zu kommentieren. „Die Befragten konnten selbst entscheiden, welche Fragen sie beantworten und ob sie dabei anonym bleiben wollten. Um die eingesandten Fotos stilistisch anzugleichen, haben wir sie leicht bearbeitet, die Darstellung der Gegenstände oder Tiere, die den ukrainischen Übersetzer·innen in dieser schweren Zeit Rückhalt geben, haben wir jedoch unverändert gelassen. Wir möchten uns bei allen bedanken, die auf unsere Anfrage reagiert haben. Eure Aussagen sind ermutigend und helfen uns allen, dem Krieg zu widerstehen.“
опитування українських
перекладач_ок
Через два місяці від початку повномасштабного вторгнення Росії в Україну ми вирішили опитати українських перекладач_ок художньої літератури про те, як вони пережили перші місяці війни. Респондент_ки могли відповідати на запитання за власним вибором, а також обирати, чи хочуть вони зберігати анонімність.
Als wir mit dem Projekt begonnen haben, kam gerade die zweite Corona-Welle, von der ersten hatten wir uns gerade ein bisschen erholt und sahen nun dem entgegen, was da kommen würde. Unsere Aufgabe erinnerte ein wenig an die Renaissance: Wir sollten eine Gruppe zusammenstellen und durch das ihnen unbekannte Kyiv führen...
Jede Übersetzung beginnt mit einer Analyse: Was ist das für ein Text und wie ist er zu lesen? Was zeichnet ihn aus? Welcher Zugang soll gewählt werden? Einen ähnlichen Zugang haben wir für die Stadt gesucht.
Кожен переклад починається з розвідки: зрозуміти, що це за текст і як його читати. Чим він особливий? Які ключі добирати? Те саме ми спробували зробити з містом.
»Wann verwandelt sich die Stadt aus einer Rohübersetzung in eine Arbeitsversion und von dieser in eine redigierte Übersetzung, in der du jeden Winkel, jeden dunklen Torbogen, jede Straßenlaterne erklären kannst.«
"Wann verwandelt sich die Stadt aus einer Rohübersetzung in eine Arbeitsversion und von dieser in eine redigierte Übersetzung, in der du jeden Winkel, jeden dunklen Torbogen, jede Straßenlaterne erklären kannst."
»Schauen wir uns dieses Haus an wie einen zu übersetzenden Text. Hinter dieser beschaulichen plumpen Neorenaissance-Fassade mit einem Schuss Barock – der Laune eines Kaufmanns vor gut einhundert Jahren – verbirgt sich die unstete Geschichte des 20. Jahrhunderts, wie sie sich hierzulande, in Deutschland und in Europa ereignet hat.«
"Schauen wir uns dieses Haus an wie einen zu übersetzenden Text. Hinter dieser beschaulichen plumpen Neorenaissance-Fassade mit einem Schuss Barock – der Laune eines Kaufmanns vor gut einhundert Jahren – verbirgt sich die unstete Geschichte des 20. Jahrhunderts, wie sie sich hierzulande, in Deutschland und in Europa ereignet hat."
Was heißt es, Übersetzerin in einer Großstadt zu sein? Ähnelt die Stadt dem Text und wie leben wir in beiden? Die Übersetzerin Olesia Kamyshnykova flaniert durch Kyiv und ihre literarischen Erfahrungen.
Was heißt es, Übersetzerin in einer Großstadt zu sein? Ähnelt die Stadt dem Text und wie leben wir in beiden? Die Übersetzerin Olesia Kamyshnykova flaniert durch Kyiv und ihre literarischen Erfahrungen.
»Erstaunlich, wie viel wir uns bewegt haben, ohne uns vom Bildschirm zu rühren. Hinter tausend Kacheln ganze Welten.«
"Erstaunlich, wie viel wir uns bewegt haben,
ohne uns vom Bildschirm zu rühren.
Hinter tausend Kacheln ganze Welten."
Palimpsest oder tabula rasa?
»Wir treffen uns immer an den gleichen Orten. So nehme ich mein Kyiv wahr - nicht als eine Ganzheit, sondern als eine Gesamtheit einzelner Orte und eine Vielzahl von Menschen, die für mich unterschiedlich wichtig sind, die sich ab und zu treffen.«
"Wir treffen uns immer an den gleichen Orten. So nehme ich mein Kyiv wahr - nicht als eine Ganzheit, sondern als eine Gesamtheit einzelner Orte und eine Vielzahl von Menschen, die für mich unterschiedlich wichtig sind, die sich ab und zu treffen."
Lernen Sie das einzige ukrainische Festival für literarisches Übersetzen kennen! Näheres über die Konzeption, die Ziele und die Ausgestaltung erfahren Sie von der Gründerin und Geschäftsführerin des TRANSLATORIUMs Tanja Rodionova.
Lernen Sie das einzige ukrainische Festival für literarisches Übersetzen kennen! Näheres über die Konzeption, die Ziele und die Ausgestaltung erfahren Sie von der Gründerin und Geschäftsführerin des TRANSLATORIUMs Tanja Rodionova.
Translators in Action nennt sich eine Initiativgruppe der ukrainischen literarischen Übersetzer·innen, die sich für die Einhaltung von Rechten und Standards in ihrem Beruf einsetzen. Über ihre Ziele, Projekte und Pläne berichtet Polina Horodyska.
Translators in Action nennt sich eine Initiativgruppe der ukrainischen literarischen Übersetzer·innen, die sich für die Einhaltung von Rechten und Standards in ihrem Beruf einsetzen. Über ihre Ziele, Projekte und Pläne berichtet Polina Horodyska.
»Ohne Fenster kann man nicht arbeiten, man muss den Blick schweifen lassen können. Das Fenster hilft, die Perspektive zu ändern und zu begreifen, dass es jenseits der Übersetzung im Computer noch ein anderes Leben gibt und dass es größer und vielleicht interessanter ist.«
Olesia Kamyshnykova
"Ohne Fenster kann man nicht arbeiten, man muss den Blick schweifen lassen können. Das Fenster hilft, die Perspektive zu ändern und zu begreifen, dass es jenseits der Übersetzung im Computer noch ein anderes Leben gibt und dass es größer und vielleicht interessanter ist."
Olesia Kamyshnykova
»Wir haben uns Ende Oktober getroffen, an einem warmen, sonnigen Tag, wir konnten noch draußen Kaffee trinken, ohne zu frieren, ehe wir zu einem kleinen Spaziergang durch die Altstadt von Kyiv aufgebrochen sind, die Route hatte Olena zusammengestellt.«
»Übersetzen ist in der traditionell mehrsprachigen, unendlich vielstimmigen Ukraine nach wie vor ein politisches Unterfangen, das ästhetische Maßstäbe setzt.«
Existiert in der Ukraine ein Buchmarkt? Welchen Stellenwert haben Übersetzungen auf diesem Markt? Wird der Markt die Corona-Krise überstehen? Über das ukrainische Publikations- und Verlagswesen spricht Polina Horodyska.