Cities of translators Nahaufnahmen

Hanna Jankuta | Ганна Янкута
ÜBERSETZEN ALS AKTIVISMUS

Hanna Jankuta im Hof ​​ihres Hauses in Minsk mit einer Übersetzung von Jane Austen, die sie als eine der wichtigsten ihrer Karriere sieht, © Yulia Tsimafejeva

Übersetzerin und Schriftstellerin. Geboren 1984 in Hrodna. Mit 17 kam sie zum Studium der Philologie an der Belarussischen Staatlichen Universität nach Minsk und promovierte 2018 über den Feminismus in den Werken von Margaret Atwood. Als Übersetzerin und Herausgeberin klassischer Prosa und Lyrik gilt ihre Arbeit für die Buchreihen PostScriptum und “Poeten des Planeten” (bel. “Paety planety”) als akademische Musterleistung. Für ihre Übersetzung der “Weihnachtsgeschichte” von Charles Dickens erhielt sie 2013 den Literaturpreis “Debüt”. Seit 2018 widmet sie sich eigenen Werken und hat vier Kinderbücher geschrieben.

 


Ich habe mir für mich einmal die Bezeichnung “Sprachaktivistin” überlegt. Für mich ist es wichtig, mit der belarussischen Sprache zu arbeiten und ihre (und auch meine) Möglichkeiten auszutesten. Ich übersetze hauptsächlich aus dem Polnischen und Englischen. Da ich in der Grenzregion geboren wurde, verstehe ich Polnisch schon seit meiner Kindheit. Englisch lernte ich ab der ersten Klasse. Ich habe mich auch an andere Sprachen gewagt und aus ihnen übersetzt: Holländisch, Afrikaans, Schwedisch, Deutsch, Portugiesisch, Latein, Jiddisch, weil ich möglichst viel Neues in den belarussischen Raum bringen wollte.


2010 begann ich aktiv zu übersetzen und zu publizieren. Damals wurden nur wenige Übersetzungen veröffentlicht und bei den Verlagen gab es fast keine fremdsprachigen Reihen. Also musste man viele zusätzliche Bemühungen in Kauf nehmen, um Verleger für Texte zu interessieren, Urheberrechte zu klären und oftmals auch finanzielle Unterstützung für die Veröffentlichung zu finden, um anschließend Leser für das Buch zu gewinnen. Diese Arbeit ist für alle unsichtbar, wird nicht geschätzt und nicht bezahlt.


In Belarus wurden viele Bücher (auch bis heute) unbezahlt übersetzt. Manchmal werden einzelne Exemplare honoriert, um sie bei Präsentationen zu verkaufen oder an Freunde zu verschenken. Bei einem Blick auf die Liste der übersetzten Neuerscheinungen konnten meine Freunde oft schon erraten, was sie von mir zum Geburtstag oder zu Weihnachten kriegen würden.


Im Jahr 2009 erschien das unkonventionelle Online-Magazin PrajdziSvet, das Übersetzungen ins Belarussische beliebter machte. Ich nahm an dieser Arbeit teil. Das ambitionierte Ziel des Projektes war es, ein vollständiges Narrativ zu schaffen - quasi ein Bildnis der großen weiten Welt auf Belarussisch. Uns interessierten geographische und historische Perspektiven gleichermaßen. Auf der Internetseite finden sich nicht nur Übersetzungen aus den für uns “üblichen” Sprachen wie dem Ukrainischen, Polnischen, Deutschen oder Englischen, sondern auch dem selteneren Madagassischen, Sanskrit, Hindi. Wir publizierten Literaturen verschiedener Epochen, von der Antike bis zur Gegenwart. Aus diesen Publikationen entstanden dutzende Bücher, die stetig herausgebracht werden.


Von Beginn an träumte das Team von “PrajdziSvet” von gedruckten Ausgaben und dieser Traum ging 2011 in Erfüllung, als wir gemeinsam mit dem Belarussischen Schriftstellerverband die Reihe “PostScriptum” ins Leben riefen. Besondere Beliebtheit erlangten Arthur Conan Doyles Erzählungen über die “Abenteuer des Sherlock Holmes” (2014). Bestimmt spielten dabei auch die gleichnamige BBC-Serie und Guy Ritchies Filme eine Rolle. Als wir uns 2015, beflügelt von unserem Erfolg, dafür entschieden, einen weiteren Band herauszugeben, stellte sich heraus, dass dem Verlag die Mittel fehlten. Wir entschieden uns für eine Crowdfunding Aktion -  gerade war die Plattform Talaka erschienen. Damals hatten wir noch keine Konkurrenz und weil niemand in Belarus je Geld für ein Buch gesammelt hatte, kam die Aktion gut an und konnte 2500€ von Privatpersonen und Organisationen eintragen. In den Medien wurde über uns berichtet und unsere Werbung kostenlos verbreitet. Und doch war all das harte Arbeit: tägliche Interviews und Treffen mit Menschen, denen wir erklärten, warum man Bücher ins Belarussische übersetzen sollte. Und als der Band schließlich rauskam, mussten wir die Auflage noch verkaufen und bemühten uns zwei Jahre lang, “Holmes” in den Buchhandlungen unterzubringen. Und das Geld, das der Verkauf einbrachte, floss in die Herausgabe des dritten Bandes, Doyles “Zeichen der Vier” (2014).


Seit einigen Jahren befinde ich mich in einer anderen Situation: Die Verlage treffen ihre Entscheidungen selbst und meine Aufgabe besteht lediglich darin, die bestellten Bücher zu übersetzen. Und wie angenehm diese Variante auch aussehen mag - sie hat natürlich auch ihre Schattenseiten. Denn wer selbst auswählt, welche Werke er übersetzt, beeinflusst damit auch den kulturellen Raum so, wie er es für nötig empfindet und fügt hinzu, wovon es ihm nach zu wenig gibt. Ich selbst neige immer mehr zu dem Schluss, dass es für mich interessanter ist, eine Übersetzerin zu sein, die mehr ist, als nur eine Übersetzerin - trotz aller Schwierigkeiten.


Übersetzen ist meine Art die Welt zu verändern. Belarus kann nicht bleiben wie bisher, wenn hier William Shakespear, Jane Austen und Bolesław Leśmian auf Belarussisch erscheinen. Davon bin ich überzeugt. Nur klappt das nicht so schnell, wie man es gerne hätte.


Meine “Geheimsprache” ist Spanisch. Ich lese auf Spanisch, aber habe noch nie etwas übersetzt. Wer weiß, ob das noch kommt.

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