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Volha Kałackaja | Вольга Калацкая
ÜBERSETZEN ALS HOBBY

Volha Kałackaja nach der Gerichtsverhandlung in ihrer Wohnung im Minsker Stadtteil Serabranka, in der sie ihren Hausarrest absitzt, © Nadsia Bushan

Geboren 1971 in Minsk. Absolventin der Minsker Staatlichen Linguistischen Universität, an der sie Englisch und Übersetzungswissenschaften unterrichtet. Auch lehrte sie literarisches Übersetzen im Rahmen der unabhängigen Bildungsinitiative “Belarussisches Kollegium”. Bekannt ist sie als Übersetzerin von Prosa aus dem Englischen ins Belarussische und beteiligt sich an der Erstellung von Untertiteln für unabhängige Gruppierungen und Fernsehsender. Außerdem ist sie Autorin vieler englischer Versionen von touristischen, länderkundlichen und weiteren beliebten Herausgaben über Belarus. Sie lebt in Minsk. Seit März 2021 befindet sie sich wegen der Teilnahme an den Protestmärschen im Herbst 2020 unter Hausarrest.

 

Das literarische Übersetzen ist für mich ein Hobby. Ich übersetze das, was mich persönlich nicht loslässt. Wenn ich ein Buch lese und mich etwas sehr berührt, kann es gut sein, dass ich Lust bekomme, es zu übersetzen. Manchmal kann es passieren, dass man sich bei der Arbeit wieder vom Text entfernt und nicht länger an ihm als Übersetzungsobjekt interessiert ist. Dass die Übersetzung außerdem noch jemand zu sehen bekommt, ist nicht gesagt.

Ich übersetze von Hand. Am Computer lassen sich für mich nur fachliche Texte übersetzen. Literatur nur von Hand. Über Papier kann ich besser denken. Anders läuft die Suche nach sprachlichen Gegenstücken und den besten Satzstrukturen.

Darüber, ob das Buch eine breite Leserschaft erreichen kann, mache ich mir keine Gedanken. Allerdings habe ich immer viel Wert auf die Meinung meines Redakteurs Valjancin Akudovič gelegt. Wenn ich anschließend keinen Verlag von meinen Übersetzungen überzeugen konnte, war das für mich Schicksal. Mir ist es absolut egal, ob das Buch gedruckt wird oder nicht. Zur Zeit habe ich an literarischen Übersetzungen gar kein Interesse. 

Eine Übersetzung zu verfassen und zu bewerben sind für mich zwei verschiedene Berufe. Wenn eine Person zufällig beide Fähigkeiten besitzt, ist das natürlich toll. Aber ich bin der Meinung, dass man, um ein guter Kulturträger zu sein, über einige Eigenschaften verfügen muss, die im genauen Gegensatz zu denen eines guten Übersetzers stehen. Die Arbeit des Übersetzers ist introvertiert. Ein Übersetzer sollte sich vertiefen, alle Geräusche ausblenden und sich einzig auf die Stimme des Autors konzentrieren können. Kulturmittler müssen öffentlich auftreten können. Das ist die Arbeit einer extrovertierten und in gewissem Sinne vielleicht auch leicht narzisstischen Person. Für mich sind öffentliche Auftritte eine Qual. Deswegen vermeide ich sie. Seltene Ausnahmen bestätigen da nur die Regel. Zum Beispiel als ich (auf deine Einladung hin) bei einem großen literarisch-musikalischen Abend den Monolog der Penelope aus Margaret Atwoods’ “Penelopiade” las. Das war mir unangenehm, denn es war dort sehr laut und voll. Ich litt aufrichtig und spürte einen körperlichen Schmerz bei der tönenden Musik und den Schreien.

Einen Ausschnitt aus unserer gemeinsamen Übersetzung dieses Buches las ich auch zum Abschluss meiner Gerichtsverhandlung im März. Der Einsatz von PEN-International, die persönlichen Worte von Margaret Atwood und der internationale Widerhall haben mein Urteil mit großer Wahrscheinlichkeit milder ausfallen lassen, als es hätte sein können.

Festgenommen wurde ich im Januar und verbrachte zwei Monate in Žodsina. Andere Übersetzer - unsere freundliche Berufsgemeinschaft - haben mich in dieser Zeit sehr unterstützt. Sehr dankbar bin ich den Literaturschaffenden, die für mich vor Gericht ausgesagt haben. Ich bin allen verbunden, die mir Briefe schrieben und alles dafür taten, um auf meine Situation aufmerksam zu machen. Hinter Gittern hat es mich unglaublich unterstützt, Probleme beruflicher Natur in Briefen besprechen zu können. Als du mir zum Beispiel die Ergebnisse des Übersetzerwettbewerbs schicktest, in dem ein belarussisches Gedicht gleich zweimal ins Englische übersetzt worden war und ich die Möglichkeit hatte, sie selbst zu vergleichen und meine Anmerkungen dazu zu machen. Mit Hanna Jankuta, der Übersetzerin von Kazuo Ishiguro, schrieb ich über sein Buch “Alles, was wir geben mussten”. Ich weiß, dass mir auch Briefe auf Englisch geschrieben wurden, aber sie erreichten mich nicht. Fremdsprachige Briefe werden den Gefangenen nicht ausgehändigt, weil die Zensoren sie nicht verstehen.

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