Cities of translators Ljubljana Video | Nächste Haltestelle: LJUBLJANA
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Video | Nächste Haltestelle: LJUBLJANA

Ein Streifzug durch die Übersetzerwege von Ljubljana

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Regie und Drehbuch: Tanja Petrič
Kamera und Schnitt: Klemen Golob
Zweite Kamera: Robert »Bobo« Wochl
Assistent: Amar Trumić
Mitwirkende:
Barbara Izlakar, Touristenführerin
Mag. Marijan Rupert, Kurator der Handschriftensammlung der NUK 
Ana Pokrajac Iskra, Kustodin, Stadtmuseum Ljubljana 
Andrej Ilc, Leiter der Abteilung für Belletristik beim Verlag Mladinska knjiga
Tanja Petrič, Präsidentin des Verbands slowenischer Literaturübersetzer
Sprecherin: Valerija Lah Peternel
Untertitel: Franc Jakob Rac (deutsch), Grega Fajdiga (englisch), Andreja Kurent (slowenisch)

Die Autor·innen des Videos bedanken sich bei Lili Novys Erben Florjana und Žiga Volk für die Erlaubnis zur Veröffentlichung des Innenraums ihres einstigen Hauses.

© Matic Ačko

In Ljubljana lebten und wirkten im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Übersetzer*innen, die sowohl aus Fremdsprachen ins Slowenische als auch aus dem Slowenischen in diverse Fremdsprachen übersetzten. Durch ihre Arbeit leisteten sie einen bedeutenden Beitrag zur Identität der Stadt und nahmen auch entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der slowenischen Schriftsprache und Literatur. Der Verband slowenischer Literaturübersetzer, der am 1. August 1953 gegründet wurde, entschied sich zum 70. Jubiläum seiner engagierten Tätigkeit, als Bereicherung der touristischen Themenwege Ljubljanas einen „Übersetzerspaziergang“ zu entwerfen. Der ungefähr zwei Stunden lange Streifzug durch die Innenstadt, der inhaltlich von Barbara Izlakar, lizensierter Touristenführerin und Certified Interpretative Guide, und Tanja Petrič, Präsidentin des Verbands slowenischer Literaturübersetzer, geplant wurde, lüftet Ljubljanas Charakter anhand von Denkmälern und Geschichten, die vom reichen übersetzerischen und übersetzungswissenschaftlichen Erbe der Stadt zeugen.

© Amar Trumić

Im Rahmen des Projekts „Cities of Translators“ steigen wir in den Zug und am Bahnhof LJUBLJANA – diesmal nicht versehentlich wie der berühmte James Joyce, sondern völlig absichtlich – wieder aus. Von dort führt uns unser Weg durch die „Übersetzungsstationen“ weiter bis zur Handschriftensammlung der National- und Universitätsbibliothek (NUK). Das Übersetzen steht nämlich gleich am Anfang der slowenischen Sprache und Literatur. Bereits die ersten Spuren slowenischer Handschriften deuten auf Übersetzungen hin – so beinhalten die Freisinger Denkmäler aus dem 11. Jahrhundert in etwa Übersetzungen liturgischer Formeln. Doch auch das slowenische gedruckte Wort nahm mit Übersetzungen seinen Anfang, denn die ersten gedruckten Bücher waren Bibelübersetzungen zu Zeiten des Protestantismus, welcher forderte, dass jeder Mensch die Möglichkeit haben sollte, die Heilige Schrift in seiner Muttersprache zu studieren. Die Handschriftensammlung der NUK bewahrt handschriftliche Opera, Archive und Hinterlassenschaften der wichtigsten slowenischen Übersetzer*innen systematisch auf – und das nicht nur aus vergangenen Epochen, sondern auch von Zeitgenossen.

© Amar Trumić

Vom NUK kommen wir an den berühmten Denkmälern einiger angesehener Übersetzer- und Schriftstellerstimmen der slowenischen Literaturgeschichte vorbei. Wir machen schließlich Halt bei der Skulptur des Aufklärers Valentin Vodnik inmitten des Marktplatzes von Ljubljana, begeben uns dann zum berühmtesten Treffpunkt der Innenstadt, dem Prešeren-Platz (sl. Prešernov trg) mit den von Jože Plečnik gestalteten Drei Brücken (sl. Tromostovje) und biegen ab auf den Alten Platz (sl. Stari trg) zum einstigen Heim von Lily Novy, einer Dichterin, Übersetzerin und wichtigen Vermittlerin zwischen dem slowenischen und deutschen Kulturraum. Wir spähen auch in das Arbeitszimmer des berühmten Übersetzers von Shakespeare, des Dichters und Dramatikers Oton Župančič, das als Museumssammlung des Stadtmuseums Ljubljana in der Oton-Župančič-Stadbücherei ausgestellt ist. Daraufhin biegen wir um die Ecke zu „Übersetzungsworkoholic“ und „Standeslegende“ Janko Moder, u. a. Kult-Übersetzer von Goethes Faust, der für seine Übersetzungstätigkeit zahlreiche Auszeichnungen erhielt, darunter gleich zweimal den Sovre-Preis, die höchste Auszeichnung der Übersetzerzunft in Slowenien, für seine Übersetzungen von Boris Pasternaks Doktor Schiwago und Günter Grass' Die Blechtrommel, sowie 1989 letztendlich auch für sein Lebenswerk. Moder übersetzte nämlich aus mehr als 20 Sprachen – bis dato wurden mehr als 500 seiner Buchübersetzungen sowie über 200 Theaterstücke und Hörspiele veröffentlicht.

© Vid Brezočnik

Unser Weg führt uns von Moder – der auch als freischaffender Lektor und Sprachkorrektor bei zahlreichen slowenischen Verlagen tätig war – zum größten Verlag unter ihnen, nämlich zu Mladinska knjiga und der Stadtbuchhandlung Konzorcij. Der Verlag Mladinska knjiga ist mit seiner Tochtergesellschaft Cankarjeva založba, beide gegründet 1945, jedoch nicht nur das größte slowenische Verlagshaus, sondern auch der Verlag mit den ältesten Bücherreihen übersetzter Literatur, die auch heute noch existieren. Wie der Name Mladinska knjiga (dt. Jugendbuch) bereits verrät, wurden in den Anfängen vor allem Bücher für Kinder und Jugendliche herausgegeben – und bereits die erste Bücherreihe Sinji galeb, ins Leben gerufen 1952, schloss die ersten literarischen Übersetzungen mitein. Daraufhin entstanden im Zeitraum weniger Jahre die berühmten Buchreihen Čebelica, Odisej und Zlata ptica sowie 1956 die Kultreihe Kondor, die slowenischen Penguin Classics, die sowohl originale als auch Übersetzungsklassiker herausbringt und bisher 370 veröffentlichte Titel zählt.

© Amar Trumić

Am Ende landen wir in der Villa der Tomišič-Gasse 12 (sl. Tomšičeva ulica), wo abgesehen vom Verband slowenischer Schriftsteller und dem slowenischen PEN-Zentrum seit 1957 auch der Verband slowenischer Literaturübersetzer (DSKP) mit derzeit ca. zweihundert Mitgliedern ansässig ist. Der DSKP ist die Vereinigung von Übersetzer*innen aller literarischer und geisteswissenschaftlicher Gattungen und sieht seine Aufgabe in der Aufrechterhaltung des hohen Niveaus der Übersetzungstätigkeit, dem Networking zwischen literarischen Übersetzer*innen und der Etablierung des Fachgebiets. Er ist einer der wenigen Veranstalter öffentlicher Events, die einen Fokus auf die Reflexion des Übersetzens legen, zudem organisiert er internationale Übersetzungssymposien und Seminare für Übersetzer*innen aus dem Slowenischen in diverse Fremdsprachen, ist an Projekten generationsübergreifender Zusammenarbeit beteiligt und Verwaltet die Übersetzerresidenz „Sovretov kabinet“ in Dol pri Hrastniku. Zur Sichtbarkeit slowenischer Literaturübersetzer*innen trägt der Verband jedoch auch durch die Verleihung ständischer Auszeichnungen und die Interessenvertretung des Berufsstands in der Öffentlichkeit bei.

Hier, beim Verband slowenischer Literaturübersetzer endet unser Streifzug durch Ljubljana – oder jedoch nimmt er genau hier, im Tempel des Übersetzens, womöglich erst seinen Anfang? – mit jeder neuer Übersetzerstimme… Und wir steigen wieder in den Zug… Und fahren mit Joyce… zur nächsten Haltestelle: …

27.09.2023
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© Vid Brezočnik

Tanja Petrič studierte vergleichende Literaturwissenschaft und Germanistik an der Philosophischen Fakultät in Ljubljana, in Berlin und Wien. Sie ist freie Literaturkritikerin, Literaturübersetzerin aus dem Deutschen, Lektorin und Leiterin internationaler Projekte aus dem Übersetzungs- und Literaturbereich. Ihre Fachtexte, Rezensionen und Artikel aus dem Bereich Literatur und Kultur veröffentlicht sie in slowenischen wie auch internationalen Print- und Online-Medien, sie arbeitet auch mit dem slowenischen staatlichen Rundfunk Radio Slovenija zusammen. Seit 2010 koordiniert und leitet sie internationale Übersetzungsseminare für slowenische Literatur. Unter anderem übersetzte sie Autor·innen wie B. Brecht, M. M. Flašar, F. Hoppe, N. Kermani, A. Kim, J. Lüscher, F. Mayröcker, E. Menasse, R. Menasse, A. Schwarzenbach und J. Wagner ins Slowenische. Für ihre Arbeit als Übersetzerin und Kritikerin erhielt sie mehrere Stipendien und Auszeichnungen, u. a. den „Lirikonov zlát“ (2011) für ihre Übersetzungen deutscher Lyrik, die Übersetzungsprämie des Österreichischen Bundesministeriums für Kunst und Kultur (2013 und 2016), den Stritar-Preis für die beste Nachwuchsliteraturkritikerin (2015) sowie den Radojka-Vrančič-Preis für die beste Nachwuchsübersetzerin (2016) für ihre Übersetzung der Lyrik von Friederike Mayröcker. Seit 2010 ist sie Mitglied des Verbands slowenischer Literaturkritiker (DSLK) und des Verbands slowenischer Literaturübersetzer (DSKP), bei dem sie seit 2020 auch als Verbandspräsidentin agiert, ebenso ist sie seit 2016 Mitglied des slowenischen PEN-Zentrums.

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