Journale TRANSLATION GAMES.

#2: Rengaine, turelure, „Leier“, abgedroschen, im Sinne eines immer Gleichen, eines alten Liedes – so verhält es sich in allen Teilen nicht nur mit der „erasure“, der Ausstreichung, die, gekoppelt mit diversen, primitiv-digitalen Beitechniken, als allzu abgegriffener Haupttextgenerator der 'flutings' fungiert. Rengaine ist der Text aber auch da, wo ein Gleiches drei Mal wiederholt wird: #2–#4 [rengaine, renégat, mégot]: Derselbe Text wird, unter Umstellung des #-Ergänzungstanka aus #1 im zweiten Durchgang verdoppelt und verdreifacht im dritten. Er sagt uns titelgetreu jedoch nichts Neues, nur so viel, dass er infolge der dreistufigen Steigerung von der Welle zum Gewell wird. Die wogende Textgestalt ist dabei ein symbolisches Zitat aus Kamo No Chômeis Schrift Notizen ohne Titel, in welcher der Autor erwähnt, dass es im Japanischen verschiedene Wellennamen gibt1 (wie etwa im Isländischen verschiedene Begriffe für „Schnee“). [*Wasser/Wellen] Die Vorstellung von den unterschiedlichen Wellennamen hat Eindruck auf mich gemacht und dazu angeregt, das Wogen aufzugreifen und das Ursprungssonett mit seinem #-Pseudotanka-Beiwerk dreimal so zu fluten, dass unterschiedliche Welleneindrücke entstehen. Zugleich bricht das Horizontale hier über das Vertikale herein; Flut #t Flut #t Eis. Aber vor allem: Jacques Roubaud soll nicht umsonst von der Bedeutung des Wassers und seiner Fruchtbarkeitssymbolik im Renga-Kontext erzählt haben. Das Wasser der drei Wassertexte ist #-ing-analog und allegorisch in einem paradoxen Stadium suspendiert; eingefroren in Fluss und Blende. Damit nicht mehr auf Fruchtbarkeit verweisend, sondern auf ihr Gegenteil, wiederholen die drei Eiswasserflutings symbolisch den im Vorort zum Renga-Band beschriebenen, schwerfälligen Renga-Aneignungsprozess.2

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„Sabbia“, Sand, schreibt Edoardo Sanguineti auf Italienisch ins Gedicht. Extrahiert man aus dem Wort „grotte“ „rot“ (hier als Farbe zu lesen – anders als in #7 herRENGAbe) und zählt zusammen, wird in #3 renégat (rengaine / echo 1) das Wasser zu Sand, wie bei Lamartine („...À quelques pas de là, on entre dans une espèce de désert de sable rouge, accumulé en vagues énormes et mobiles comme celles de l'Océan“) und der Text damit ein dem Wasser Abtrünniger. Er versandet.

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Es wäre hier auf die für das Renga-Tanka obligatorische Einbringung der Jahreszeit rekurriert und derart ein weiterer Topos des Roubaudschen Renga abgedeckt. [*Jahreszeitspezifische Flut vs. Dürre]

Rengaineringelreih. Da es sich symbolisch um eine rengaine handeln soll und ein Cluster aus drei quasi gleichen Texten, sei noch auf die Etymologie der aus dem Wort „Renga“ abgeleiteten rengaine hingewiesen:

Ce mot [...] vient du verbe rengainer, au propre, remettre dans la gaine, dans le fourreau, au figuré, reculer, retirer ce qu'on avait dit; d'où il suit que rengaine a reçu aussi, au figuré, le sens de retraite prudente, après une attitude menaçante; mais il a une autre acception dont les dictionnaires ne parlent pas. Il signifie: propos, argument, prétexte mis sans cesse en avant comme un insipide refrain; procédé usé, rebattu, vulgaire.3

Chacun a r'engaîné sa dague.4 DAGUE: vulgäres Schwert, zurück in der Scheide. Was fluten sollte, zieht sich zurück. Aber nicht als Ebbe, sondern als Starre, als Sand, zurückgenommenes Wasser. Eine potentielle Klima-Reflexion? „Iber“ des Sands; Wüste und Verwüstung der Wasserlandschaft. Was bleibt, lässt sich mit einem Fast-Palindrom fassen, das sich zwar selbst auffrisst, aber vorher qua eines kontextuell deplatzierten Namens Bilder aus seiner Mitte herausprojiziert: Dürre, rüd. Und als Renga-rengainierte diastics (5-7) à la Jackson Mac Low:

dürre, rüd. säe
flüsse unter die hügel

„Renga: poème qui s'efface à mesure qu'il s'écrit, chemin qui s'annule et ne veut conduire nulle part.“5 Hier zumindest unter den Hügel. Eine andere Art Keller, in den hinabzusteigen nur diesem Siebensilbler gelingt. – Gelingt? Aber wer sonst wollte da hin.

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#4 mégot (rengaine / echo 2)

Vexierbild; Männer, die sich in Gedichten Zigaretten anstecken: „E io ho acceso una Benson, in the dark room (Special Filter)“6, „et j'ai allumé une Benson dans la pièce obscure (filtre spécial)“. Abgedroschen. Rengaine auch da. Und hier – mégot – Abbild der zerdrückten Kippe. – Aber die Flut?, das Wasser? Kippe.

Kein Wellen mehr. Rauchwellen? Fluten, Sand?
Eher Aschenstrata. Huesos-Asche, da die Knochen brannten.

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Fußnoten
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