Journale TRANSLATION GAMES.

Marina Agathangelidous Translator's Statement
 


Zwei Elemente von Renga interessieren mich am meisten: die Mehrstimmigkeit und die Mehrsprachigkeit, die beide aus dem Prozess des kollektiven Schreibens hervorgehen.

Ich übersetze die Gedichte aus Renga allein und versuche trotzdem, den beiden Elementen gerecht zu werden: Ich entscheide mich dafür, das Prinzip der Mehrsprachigkeit zu behalten und die vier Sprachen des Originals in zwei andere Sprachen zu übersetzen: Deutsch und Griechisch. Indem ich das tue, inszeniere ich einen Einakter für zwei Stimmen und betrete selber die Bühne, trete in Dialog mit mir selbst. 

In meinem Alltag lebe und schreibe ich in diesen zwei Sprachen. Sie formen nicht nur zwei unterschiedliche, deutlich voneinander abgegrenzte Welten, in denen ich mich bewege, die Menschen und die Dinge betrachte und mit ihnen in Kontakt komme, sondern prägen auch jeweils einen Teil meines Selbst. Ich kann zwar die Frage, inwiefern ich in jeder der beiden Sprachen anders denke und fühle, nach wie vor nur unzureichend beantworten, bin mir aber dessen bewusst, dass da, bei diesem Übergang von der einen Sprache zur anderen, Verschiebungen, Veränderungen stattfinden, die ihre Spuren tiefer als erwartet hinterlassen. 

Andererseits bin ich als Übersetzerin gewohnt, ständig nach Entsprechungen und Verbindungen zwischen den beiden Sprachen zu suchen; ich bin gewohnt (auch wenn ich nicht am Schreibtisch sitze und z.B. auf ein Werbeplakat in der U-Bahn schaue), den Weg, der von der einen zur anderen Sprache führt, zu ebnen. Immer stehen aber bei diesem Prozess die eine Sprache des Originals und die andere der Übersetzung gegenübereinander und wechseln erkennende, oft auch misstrauische Blicke, nie dürfen sie innerhalb desselben Textes oder Kontextes fröhlich miteinander agieren. 

Dass ich im Rahmen von Translation Games es mir erlauben durfte, meine zwei Sprachen einmal nicht gegenübereinander, sondern nebeneinander und gleichzeitig, als Teil derselben Einheit zu erleben, war für mich ein reiner Genuss. Abgesehen von der Freude, dass ich in diesem Fall beides zugleich sein kann, deutschsprachig und griechischsprachig, und so meine doppelte Identität sprachlich feiern kann, liegt ein großer Teil meiner Zufriedenheit in einem anderen, formaleren Aspekt: dass mir nämlich dadurch automatisch ein doppeltes Instrumentarium zur Verfügung steht; zwei Tastaturen, aus denen unendliche Möglichkeiten hervorzugehen scheinen. Praktisch bedeutet das, dass ich jedes Mal, an jeder einzelnen Stelle des zu übersetzenden Textes, aus entweder der einen oder der anderen Sprache ein Wort aussuchen konnte, das der jeweiligen Stelle im Originaltext semantisch, klanglich und rythmisch nach meinem Empfinden am besten entsprechen würde. 

Da das Publikum, an das Translation Games gerichtet ist, ein deutschsprachiges ist, habe ich mich zwar für einen zweisprachigen Übersetzungstext entschieden, in dem aber das Verhältnis zwischen den beiden Sprachen zugunsten des Deutschen ausfällt. Das Griechische wird dagegen gezielt an jenen Stellen eingesetzt, wo mir das Deutsche nicht reicht, wo ich einen anderen Sound und Rhythmus oder eine andere Bedeutungsnuance brauche. 

Die Tatsache, dass durch diese griechischen Einschübe etwas Fremdes in den deutschen Text hineindringt, das einem deutschsprachigen Publikum unzugänglich ist, nehme ich nicht nur in Kauf, sondern strebe ich bewusst an. Überhaupt finde ich die Annäherung an das Fremde als Hauptbedingung des Spiels, das hier gespielt wird, entscheidend: Die vier Ko-Autoren von Renga beherrschten nicht – mit Ausnahme von Tomlinson – alle vier Sprachen, und für das Lesepublikum der ersten Ausgaben bei Gallimard, Braziller und Mortiz müsste ebenfalls der viersprachige Originaltext stellenweise unverständlich und nur durch die beiliegenden einsprachigen Übersetzungen entschlüsselbar gewesen sein. Auch ich beherrsche alle vier Sprachen des Originaltextes nicht und musste deswegen erst einmal mithilfe von Dutzenden Wörterbüchern und Online-Übersetzungstools sowie der vorhandenen englischen und französischen Übersetzung des Werks mir einen Weg durch die wilde Textlandschaft bahnen. 

War es mir wichtig in meiner Übersetzung, Deutsch und Griechisch semantisch wie auch klanglich miteinander in Berührung zu bringen, so war es mir zugleich klar, dass  sich diese doppelte Klangstruktur nicht durch das stille Lesen, sondern erst beim Zuhören wahrnemen lässt. In dieser Hinsicht halte ich diese Übersetzung für grundsätzlich performativ: Das Potenzial, das in ihr verborgen liegt, kann nur durch das gesprochene Wort entfaltet werden. 

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