Journale Prosa Den Staub zum Tanzen bringen.

Den Staub zum Tanzen bringen.

Journal zur Übersetzung von Hiromi Itōs Roman Dornauszieher - Der fabelhafte Jizō von Sugamo

Zum Einstieg: Übersetzen aus dem Japanischen: Wie geht das?
„Die Schamanin“
Orte und Landschaften
Verschriftlichte Mündlichkeit oder: Was man mit einer Alphabetschrift alles nicht kann
Klangwelten und die Farbigkeit des Sprechens
„Geliehene Stimmen“
Kulturgeschichte, High und Low
Zur Viel-Lesbarkeit eines Roman-Poems

„Ist nicht der Ausgangspunkt des Übersetzens, zu verstehen, was man mit Literatur tun kann und was nicht?“
Yoko Tawada1

Alles wird hier durcheinandergewirbelt: Ein Leben auf zwei Kontinenten, zwischen den Sprachen und Kulturen: die Familie in Südkalifornien, mit britisch-jüdischem Künstler als Ehemann, dazu drei Töchter, die kranken Eltern in der Heimat und die Arbeit in Japan, und eine atemlos hin und herjettende Erzählerin, die sich Itō nennt. Sie trägt also denselben Namen wie die Autorin, aber Vorsicht, das Buch ist nicht einfach Autofiktion. Die packenden, herzzerreißenden und absurden Alltagsszenen sind durchsetzt von blitzartigen Tauchgängen in Mythen und Lokalgeschichte, poetischen Drohnenflügen, rufen ständig neue Stimmen auf den Plan, „geliehene Stimmen“ aus einem riesigen Arsenal von japanischer und Weltliteratur. Hier schreibt eine Dichterin mit Witz und Tiefgang und einer kunstvoll alltäglich tönenden, aber hochgradig verdichteten Sprachmusik, die buddhistische Sutren, Dada und Rap intoniert.2

Und wie übersetzt man das? Mit vielen weiteren Tauchgängen und Drohnenflügen, um das Feld zu kartieren. Und in einem Drahtseilakt: nicht zu fremd, damit die Leserschaft die gute Laune wie die Durststrecken, die Kalamitäten wie die Höhenflüge, den flirrenden Tanz zwischen Schmerz, Glück, Streit, Trauer und Erlösung nachvollziehen kann. Nicht zu angepasst, um die Originalität, die Ästhetik, die Innovationen und Irritationen des japanischen Werks erlebbar zu machen.

Zum Einstieg: Übersetzen aus dem Japanischen: Wie geht das?

Im Vergleich zu den frühen 1980er Jahren, als ich mich zum ersten Mal an einem literarischen Text als Übersetzerin aus dem Japanischen versuchte – es handelte sich übrigens um eine Erzählung des Nobelpreisträgers von 1994, Kenzaburō Ōe – haben sich die Verhältnisse erstaunlich gewandelt. Soll man es kulturelle Globalisierung nennen? Jedenfalls sind viele Dinge, die uns hier in Mitteleuropa völlig fremd waren, nahegerückt, und vieles ist Teil unseres Alltags geworden. Wie mühsam, umständlich und wenig erfolgreich es damals doch beispielsweise war, dem deutschen Lesepublikum Gegenstände wie Futon, Tatami oder Tofu nahezubringen. Denn unter „tagsüber aufgerollten Schlafmatten“, „Reisstrohmatten“ oder „Bohnenquark“ - so lasen sich gängige Erklärungen – konnte man sich nicht wirklich etwas vorstellen. Und die vertrackten Umschreibungen von Sushi, die ich interessehalber einmal sammelte, lassen einen wahlweise ratlos oder köstlich erheitert zurück.3 Doch hierzulande Unbekanntes muss natürlich irgendwie erklärt werden, wenn es nicht als reiner unübersetzter „Exotismus“ stehenbleibt. Und das geschieht meist in bekannten Kategorien, wie auch sonst? Das Problem zeigt sich anschaulich an dem Wort kamaboko, für das ich die Übersetzung „Fischwurstkuchen“ gefunden habe.4 Nebenbei bemerkt, versteckt sich hinter den Ersetzungen und Umschreibungen eine allgemeine übersetzungstheoretische, aber auch erkenntnistheoretische Frage.

Doch wie gesagt, die Zeiten haben sich gewandelt: Inzwischen haben wir so viele Möglichkeiten, uns mit japanischer Lebensart und Geschichte, der Landesgeographie oder auch der Küche vertraut zu machen, dass vieles nicht mehr erklärt werden muss, sondern sogar lexikalisiert wurde. Und seit selbst deutsche Romane neuerdings Wörter wie Bonsai, Hikikomori oder Kintsugi im Titel tragen, müssen wir Japanologen nicht mehr fürchten, dass der allzu fremde Klang eines japanischen Namens oder Wortes zum Ablehnungsgrund für eine Buchpublikation gereichte. Unbekannte Wörter und Sachverhalte sind für uns Heutige notfalls nur einen oder wenige Mausklicks entfernt. Dennoch bleiben die meisten Mühen des Übersetzens erhalten. Schließlich wäre eine Romanlektüre wenig erquicklich, wenn sie auf ständige Hintergrundrecherchen ihrer Leserschaft angewiesen wäre. Und die Fremdheit eines japanischen Erzählwerks erschöpft sich natürlich auch nicht in der Fremdheit von Lebensumständen oder etwa Volksbräuchen. Das Fremde so weit wie möglich aufzulösen, ist aber womöglich auch nicht das Ziel einer literarischen Übersetzung, oder? So viel, als Einstiegsreflexion, die darauf vorbereiten soll, dass die meisten Fragen, die sich beim Übersetzen stellen, ganz allgemeiner Natur sind und sich ähnlich zwischen eng verwandten Sprachen stellen könnten. Die größere Distanz – sprachstrukturell, kulturell und literarisch – zwischen dem Deutschen und dem Japanischen schafft ein Mehr an Übersetzungsoptionen. Doch die Entscheidungen und Lösungen zu begründen, ist eine Aufgabe, die hier hoffentlich ansatzweise transparent gemacht werden kann.

„Die Schamanin“

Itō Hiromi 1981

Als Itō Hiromi5 Ende der 1970er Jahre die literarische Bühne betrat, sorgte sie umgehend für großes Aufsehen. 1955 in Tokyo geboren, studierte sie Japanische Literatur an der Aoyama Gakuin Universität in ihrer Heimatstadt, ließ sich von der Studenten- und der Hippie-Bewegung inspirieren und begann, Gedichte zu schreiben, die sie in einer von ihr selbst begründeten Zeitschrift unter die Leute brachte. Doch bald schon interessierte sich das Lyrik-Establishment für sie, die repräsentative Zeitschrift Gendaishi techō [Journal der Gegenwartsliteratur] lud sie ein und zeichnete sie 1978 mit ihrem ersten von vielen weiteren Literaturpreisen aus. Dies war umso überraschender angesichts ihrer oft provokanten und skandalumwitterten Texte und Auftritte, denn niemand zuvor hatte Körper, Haut, Schwangerschaft, Geburt, Lust und Tod so frontal und in einem ganz und gar neuen Ton zur Sprache gebracht. Aber so kühn und offenherzig ihre stark an der eigenen Biographie orientierten Werke, so eindeutig war von Anfang an auch der Anspruch, im Persönlichen das Allgemeine zu reflektieren. Das gilt selbst für eines ihrer berühmtesten frühen Gedichte, das die Geburt ihrer ersten Tochter Kanoko im Jahre 1984 zum Hintergrund hat. „Kanoko töten“, ein langes Poem, das in vielen Variationen und rasanten Rhythmen die Alp- und Lustträume der Schwangeren und jungen Mutter beschwört.6 Das Werk wurde seither in zahlreiche Anthologien aufgenommen. Auf Deutsch lässt es sich in dem Band nachlesen, der 1993 als erste Übersetzung ihrer Werke in eine Fremdsprache erschien.7 Mit Itō fand, so sehen es heute die Literaturhistoriker, die in den 1980er Jahren aufblühende Lyrik von Frauen ihre stärkste Stimme und eröffnete der japanischen Gegenwartsliteratur neue Wege.  Dabei lässt Itō sich weder als „feministische“ noch als „weibliche“ Dichterin einordnen. Vielmehr ist es, wie die bekannte Soziologin Ueno Chizuko vermerkt, ihr zuweilen gewalttätiges Ringen mit der Weiblichkeit, das ihre Texte und Lesungen für eine zeitgenössische Leserschaft so zwingend und authentisch macht. Schon früh haftet ihr auch der Ruf einer Art Schamanin an. Im vorliegenden Roman gibt sie Einblick in ihre Familiengeschichte; wir erfahren, dass ihre Großmutter wie ihre Mutter Verbindung zur Geisterwelt herstellen konnten. Zu deren Ritualen gehören auch die beschwörenden Auftritte, an die sich viele erinnert fühlen, wenn sie Itōs leidenschaftlichen Lesungen beiwohnen. Schamanische Fähigkeiten klingen in vielen ihrer Werke an, in denen sie, ausgehend von Volkssagen und buddhistischen Legenden, historische Schicksale eindringlich zum Sprechen bringt, etwa in den traumatischen Erlebnissen versklavter Geschwister, denen sie im Stile der mittelalterlichen oralen Literatur, der sogenannten sekkyōbushi, eine Stimme gibt.

Itō Hiromi übersetzte das Sekkyōbushi Oguri Hangan, das auch im „Dornauszieher“ zitiert wird, in modernes Japanisch. Hier ein Link zur Webseite des Verlags Heibonsha mit einer Zeichnung zu Itō als Balladen-Rezitatorin vor ihrem zu Tränen gerührten Publikum. Am unteren Ende der Seite ein Kurzporträt der Autorin.

In ihrem charakteristischen, stark an der Mündlichkeit orientierten Erzählstil bringt sie die gequälten Kreaturen und die unbekannten, verdrängten oder vergessenen Seiten weiblicher Erfahrung zum Vorschein.8

Itō ist unermüdlich produktiv: in den 1980er Jahren erscheinen in steter Folge Gedichtbände und von ihr selbst illustrierte humorvolle Artikel und Bücher über Ehe und Kindererziehung, ein Band mit Lyrik und Aktaufnahmen, verantwortet von der Fotografin Miyako Ishiuchi, sie übersetzt Werke von Autorinnen aus der Vormoderne und der klassischen Moderne ins Gegenwartsjapanisch und bringt auch einzelne Übersetzungen aus dem Amerikanischen heraus. Seit 1997 lebt sie nämlich mit ihren drei Töchtern und ihrem zweiten Mann, einem britischen Künstler, in Kalifornien, mit regelmäßigen Aufenthalten in Japan. Die Erfahrung von Fremde, die Durchlässigkeit von Sprachen füreinander und das Spiel mit vielfältigen kulturellen Traditionen werden zu zentralen Themen. Für ihren Roman La Niña, der vom Eingewöhnen und Leben in einer sprachlich, kulturell und klimatisch so fremden Umgebung handelt, wobei die Protagonistin deren hochgradige interne Diversität erst allmählich verstehen lernt, wird sie 1999 mit dem Noma Literaturpreis ausgezeichnet. Mit dem buchstäblich zwischen den Welten, in stetem Hin und Her zwischen Kalifornien und Japan, entstandenen Werk Dornauszieher kehrte die Lyrikerin Hiromi Itō nach eigenen Aussagen wieder zu ihrem ureigenen Metier zurück – zur Dichtung, nachdem sie sich zwischenzeitlich vor allem dem erzählenden Schreiben und der Essayistik zugewandt hatte. Dieses Werk führt die Schaffensstränge zusammen und webt sie gleichsam ineinander.

Der rote Umschlag der Originalausgabe mit grüner Banderole. Sie ist in das Coverdesign integriert.

Wie in Japan üblich9, wurde es zunächst, von Februar 2006 bis April 2007, in monatlichen Folgen in einer literarischen Zeitschrift veröffentlicht, bevor es 2007 in gebundener Ausgabe erschien. Seine besondere Form spiegelt sich auch in den Preisen, die es erhielt, nämlich dem nach der Verfasserin des wohl international berühmtesten japanischen Erzählwerks, der Geschichte des Prinzen Genji aus dem 10.-11. Jahrhundert benannten Murasaki Shikibu-Preis und dem Hagiwara Sakutarō-Preis, dessen Namensgeber als einer der Begründer der modernen japanischen Lyrik gilt.

Der Dornauszieher festigte Itōs Ruf als eine der bedeutendsten Autor·innen der Gegenwart. Unterdessen schreibt und dichtet sie emsig weiter, lehrt seit 2018 Literarisches Schreiben an der Waseda- und ab Herbst 2021 an der Hosei-Universität Tokyo. Zu den Ehrungen gesellte sich 2015 auch noch ein nach dem Dramatiker Tsubouchi Shōyō benannter Grand Prix, gewissermaßen zum Ausweis ihres breit gefächerten literarischen Engagements. So viel zum Werdegang dieser literarischen Künstlerpersönlichkeit, von der es heißt: "Itōs Arbeit provoziert bei Kritikern und Fans gleichermaßen starke Leidenschaften und macht sie zu einer bestimmenden Kraft in Japans Literaturwelt." (Japan Times, 21.07.2018).

Orte und Landschaften

„Auch wenn man denselben Roman nicht noch einmal in einer anderen Sprache schreiben kann, so denke ich doch, dass man einen existierenden Roman übersetzen kann.“
Yoko Tawada

Der Handlungsraum des Werks überspannt den Pazifischen Ozean, zwischen dem Wohnsitz der Familie in Encinitas, einem Vorort von San Diego in Südkalifornien und Japan, wo die Haupt-Anlaufstellen Tokyo und Kumamoto auf der südlichen Hauptinsel Kyushu sind.

Encinitas, der Familienwohnort in USA.

Japankarte mit den Haupt-Schauplätzen

Mit den Orten verbinden sich jeweils besondere Lebenszusammenhänge, Geschichten und Stimmungen, die auch ganz physisch, durch visuelle Eindrücke, Gerüche, Geräusche und Geschmäcker, aufgerufen werden. Dabei kann es bei geographischen Orten zu enormen Binnendifferenzierungen kommen. So fächern sich einzelne Stadtteile und Viertel von Tokyo in einzigartige Lebensräume  mit eigener Geschichte auf; sei es, dass eine neu verlegte Straße oder Bahnstrecke mit dem entsprechenden Bahnhofszugang zu neuen Beschwernissen beim Erreichen des Pilgerziels im Sugamo-Viertel führt, sei es, dass die Ortsnamen der Umgebung, die Bäume, Gebäude, Mauern und Zäune, an denen sich die Erzählerin vorbeibewegt, mit Lokalsagen, Gerüchten, Lied- und Literaturfetzen und persönlichen Erinnerungen verwoben werden. Gleich im zweiten Kapitel werden wir beim Abschreiten der Landschaften ihrer Kindheit in der Umgebung des bekannten Tempels Kōganji, wo der heilige Dornauszieher verehrt wird, in die Familiengeschichte eingeführt, und unwillkürlich verfällt die Erzählerin in einen rhythmischen Erzählton mit Anklängen an mittelalterliche Balladen oder Volkssagen.

Tempel Kôganji I. Die geschäftige Zugangsstrasse zum Tempel in Sugamo, wo der Dornauszieher verehrt wird. Foto: Hijiya

Tempel Kôganji II. Das Becken für die Räucherstäbchen. Den heilenden Rauch zieht man auf den eigenen Körper. Foto: Hijiya

Tempel Kôganji III. Die Statue der „Wasch-Kannon“ wird bearbeitet. Foto: Hijiya

Einkaufsstraße im Stadtviertel Sugamo, das beigefarbene Schild über der Straße verweist nach rechts auf den Eingang zum Dornauszieher-Jizō. (Foto: J. Angles)

Verkauf von Schutzamuletten – die mittleren Muster auf rosa Untergrund sind migawari- bzw. „Stellvertreter“-Amulette. (Foto: J. Angles) Man beachte dazu auch die Leseprobe im Anhang an dieses Journal.

 

Es beginnt damit, dass sie an die Kindermorde erinnert, die dunkle, verschwiegene Seite der ärmlichen Gegend von Iwanosaka – „Felsenhügel“, die sich „lang, bevor ich geboren wurde, als meine Mutter noch ein kleines Mädchen war“, zugetragen haben muss.

(…) mein Großvater ging dann zur Insel Sado, um in der Goldmine zu arbeiten, und kam gelähmt zurück. Da begann für meine Großmutter die eigentliche Mühsal. Mit ihrem halben Dutzend Kindern. Das zweitälteste war meine Mutter. Das älteste war eine kränkliche Halbschwester, dann kam meine gesunde, kräftige Mutter. Sie hatte, so hörte ich‘s, eine schwere Zeit. Schwerer als jedes andere Kind.

Schwerer als alle anderen.

Komm und besuch
Iwanosaka

Wo die Tränenbrücke
Den Oshito Fluss quert.

(Kapitel 2)  

Die Erzählerin verfällt unwillkürlich in einen Stakkato-Rhythmus und flicht auch noch ein uraltes Lied ein. So werden die Lokalitäten in ihrer Geschichte verankert, auch wenn dies natürlich nur in sprechenden Ausschnitten geschieht. Landschaften, Städte und Viertel sind stets mehr als geographische Fixpunkte, sie sind komplexe, historisch geprägte und vielfach symbolisch markierte Einheiten, die die Heutigen mit früheren Generationen verbinden. Auch und gerade, wo sie dem Wandel unterworfen sind. Das lässt uns die Verfasserin von Anfang an spüren.10Doch was hier an kulturellem Wissen und Gedächtnis aufgerufen wird, ist auch für die japanische Leserschaft nicht immer unmittelbar zugänglich. In manchen Kapiteln sind diese freilich eindeutig im Vorteil, etwa wenn sich die Erzählerin in Kapitel 6 anlässlich eines Dichtertreffens auf eine Kurzreise zur Südwestspitze der Hauptinsel Honshu begibt und sich dort auf besonders geschichtsträchtigem Boden bewegt. Vieles von dem seit der Schulzeit verinnerlichten Allgemeinwissen wird hier vorausgesetzt und bildet den unausgesprochenen Hintergrund für die eigenartige und unheimliche Stimmung, die sie auf einem Abstecher bei der Rückreise mit Freunden zum Akama-Schrein mit Blick auf die Strudel in der Meerenge von Dannoura befällt. Für die japanische Leserschaft würde schon ein geographischer Name wie Dannoura oder das Stichwort „Strudel“ genügen, um sogleich eine berühmte tragische Seeschlacht und einen wichtigen Wendepunkt in der japanischen Geschichte aufzurufen. Doch der Text nennt nicht einmal diese beiden Stichworte, sondern vertraut darauf, dass sich beim weiteren Lesen – oder sowieso bei Kenntnis der Geographie – die entsprechenden Assoziationen einstellen.  Hier sah sich die Übersetzerin als erstes genötigt, die genannten Stichwörter erst einmal einzufügen, um eine vorläufige Orientierung zu geben. Und sie kam nicht umhin, auch noch eine längere Anmerkung zu formulieren, um damit die auch noch in anderen Zusammenhängen erwähnten Ereignisse und Personen kenntlich zu machen:

„Die sagenumwobene Seeschlacht von Dannoura am 25. April 1185 an der Meerenge zwischen der Südspitze der japanischen Hauptinsel Honshū und Kyūshū ist ein Fixpunkt im kulturellen Gedächtnis Japans. Sie besiegelte den Untergang des Taira-Klans, auch Heike genannt, über Generationen hinweg Rivalen der mächtigen Familie Minamoto, auch unter dem Namen Genji bekannt. Aufstieg und Fall der Taira im Kampf mit den Minamoto ist nicht nur der Stoff für das berühmteste Kriegerepos Japans, das Heike monogatari («Die Sage vom Geschlecht der Taira», entstanden ca. 1220), sondern die ursprünglich von blinden Sängern, sog. Biwa hōshi, die sich auf dem lautenähnlichen Instrument biwa begleiten, vorgetragenen Episoden, die später gesammelt und niedergeschrieben wurden, dienten als Grundlage für Gedichte und Musikstücke, bildliche Darstellungen, unzählige Theaterstücke, Filme, Manga und Anime. Das von Verrat und Vasallentreue gleichermaßen geprägte tragische Geschehen ist so bis in die Gegenwart der breiten Bevölkerung vertraut.“ (Kapitel 6)

Ohne ein solches Hintergrundverständnis wäre nicht nur die eigenartige Stimmung auf dem etwas aufgekratzten Autotrip  mit den beiden anderen Personen kaum nachvollziehbar, zumal hier auch die markanten Kontraste von gegenwärtiger Unbeschwertheit und Erlebnishunger und belastenden Erinnerungen und historischer Schuld stark hervortreten.

Orte gewinnen somit eine Tiefendimension und sind für alle Leser·innen, ob jung oder alt, mit ihrer Geschichte und vielfältigen Erzählungen verwoben. Manchmal, wie hier, lässt sich das wohl nur durch solche womöglich etwas aufdringlich und pädagogisch wirkenden Erläuterungen der Übersetzerin vermitteln. Gefälliger wäre sicher ein unauffälliges Einflechten von Zusatzinformationen in den Fließtext. Doch zum einen hätte das dann an vielen Stellen erfolgen müssen, und solche Eingriffe in den Text verbiegen ihn allzu sehr, hin zum (unterstellten) Verständnishorizont der Zielsprache. Zugegeben, in manchen Episoden kommt damit die Leichtigkeit des Erzählten etwas zu kurz. Bisweilen lässt diese scheinbare Beiläufigkeit aber auch die Leser·innen des Originals über vieles hinweggehen, etwa die zahllosen Anspielungen auf die Vor- und Frühgeschichte der Region auf der Rückfahrt, die schon in der Nennung der Ortsnamen verborgen ist.  Aha, hier wird die touristische Route aufgefrischt, mag sich so mancher denken. Warum aber „riecht es nach Frühgeschichte“ bei der Vorbeifahrt an Orten wie „Dazaifu. Tofurō-ato, Mizuki-ato. Danach kam noch Karukaya no sekiya-ato“, die hier einfach nur hintereinander aufgezählt werden?  Auch wenn sie womöglich nicht weiter darüber nachgedacht haben und die Details nicht kennen, hören japanische Ohren die Vergangenheit mit, denn der Zusatz ato nach den Ortsnamen bedeutet hier „Ruine(n)“, in Mizuki („Wasserfestung“) beispielsweise die Überbleibsel einer gegen Invasoren aus China oder Korea im7. Jhd. errichteten, 1, 7 km langen und 10 m hohen Mauer entlang eines Wassergrabens.

Und so liest sich die vordergründig touristische Streckenbeschreibung wie folgt:

Shinmoji. Kokura-Ost. Kokura-Süd. Yawata.

Kaum waren wir auf der Schnellstraße, kamen hier und dort Kampferbäume ins Blickfeld. Das frische Grün hatte eine rötliche und gelbliche Tönung angenommen. Die Bergwisteria ließ ihre Blütendolden hängen, ab und zu tauchten Paulonien-Bäume auf, mit Blüten, die in den Farben der Wisterien nach oben schauten.

Lachende Berge, für wann ist das eigentlich das Jahreszeitenwort, fragte ich. Genau jetzt, sagte lachend Herr Oguri, der am Steuer saß.

Ja, sie lachen aus vollem Halse, sind das alles Kampferbäume? Die anderen Bäume lachen nicht?, fragte meine Freundin, die sich hatte anstecken lassen.

Wakamiya, Miyawaka, als ob jemand sich nicht sicher sei, wie der Ort nun eigentlich heißt, standen diese Namen nebeneinander auf einem Schild. Koga. Hier aßen wir chanpon, das regionale Nudelgericht, in der Raststätte. Fukuoka. Sue. Merkt ihr’s, es riecht immer stärker nach Frühgeschichte.

Dazaifu. Tofurō-ato, Mizuki-ato. Danach kam noch Karukaya no sekiya-ato.

Als man in Mizuki-ato Ausgrabungen durchführte, fand man gerösteten Reis aus dem siebten Jahrhundert. Ich habe ein Körnchen gefunden und hebe es sorgfältig auf, sagte Herr Oguri.

Chikushino. Tosu. Hier gabelt sich die Straße. Eine Schnellstraße führt an die Ostküste nach Nagasaki, die andere südwestlich nach Ōita.

Kurume, und weiter. Die Flussebene von Hirokawa. Yame mit seinen Teefeldern.

In Nankan gab es einen Biwa-Sänger namens Yamaga, als ich ihn zum letzten Mal hörte, war er über neunzig. Das ist schon mehr als zehn Jahre her.

Meine Freundin hielt ihr Handy ans Ohr, Du, Mami ist bald in Kumamoto, sagte sie langsam und deutlich. Es war alles friedlich. Draußen floss die Frühlingslandschaft an uns vorbei. Die Bäume auf den Bergen standen üppig und lächelten ausladend. Alles war voller Frühlingsbrunst in dieser Abenddämmerung. Irgendwie war sogar die Luft bläulich, von zarter Blässe wie junge Lauchwurzeln.

Kikusui, in mildem Licht. Ueki, in blassem Licht. Und dann Kumamoto. Ein Dachziegel hatte sich verirrt. Die Abenddämmerung im Frühling schritt still voran. Bis in die eigenen Venen.

(Kapitel 6)

Welch ein Gemisch aus Impressionen und Assoziationen! Die drei Reisenden scheinen auch immer noch beseelt vom Dichtertreffen, ihnen kommt beim Anblick der sprießenden Natur gleich ein Jahreszeitenwort unter, wie es im Haiku die Regel ist, und gegen Ende dieser Passage mischen sich in die Wegschilderung lyrische Zitatfetzen. Im Original sind sie nicht wie hier durch Kursivschreibung markiert, sondern sind Teil der Erzählerstimme. Was hat es denn damit auf sich? Doch zuvor noch etwas zur Schriftform des Romans.

Verschriftlichte Mündlichkeit oder: Was man mit einer Alphabetschrift alles nicht kann

„In der Bedeutung von ‚etwas können‘ ist selbstverständlich auch ‚etwas nicht können‘ enthalten.“
Yoko Tawada

Die japanische  gilt als die komplexeste Schrift weltweit. Das macht sie zum bevorzugten Werkzeug der Sprachkünstler∙innen. Die Sache ist recht vertrackt, denn es bräuchte eigentlich einen kompakten Schnellkurs in Sachen japanische Schrift, deren Geschichte seit ihren frühesten Anfängen etwa ab dem 4. Jahrhundert, basierend auf den chinesischen Zeichen, den eigentlichen Verstehenshorizont bildet.11 Hier nur die Basisfakten: Das Japanische wird in einer komplexen Wort- und Silbenschrift geschrieben. Die sinntragenden Wortschriftzeichen sind chinesisch bzw. sinojapanisch – die sogenannten kanji, wörtlich: „Zeichen der Han-Chinesen“, die Silbenschriftzeichen (kana), von denen es jeweils knapp 50 gibt, wurden aus den chinesischen Zeichen entwickelt. Es gibt sie in zwei Varianten, den hiragana, die vor allem für grammatikalische Elemente verwendet werden, und den katakana, die heutzutage hauptsächlich für Fremdwörter, ausländische Namen und bei Hervorhebungen im Text eingesetzt werden. Diese habituelle Aufgabenteilung der Zeichensysteme kann von einer Autorin oder einem Autor jedoch mehr oder weniger unterlaufen werden, und genau dies macht sich Itō auf raffinierte Weise und mit unterschiedlichsten Wirkungsabsichten zunutze. Betrachten wir nur einmal das Layout und das Schriftbild:

Fast kein Rand am oberen und unteren Ende der Seite, auch die Seitenzahlen in japanischer Schrift. Hier S. 22-23.

Auf den ersten Blick fällt japanischen Leser·innen der hohe Anteil an hiragana, den gerundeten, fließenden Silbenzeichen, die aus historischen Gründen auch den Beinamen onnade („Frauenhand(schrift)“) tragen, ins Auge. Die fast randlosen Zeilen und die langen Sätze erinnern an historische Schriften wie die berühmten Werke der Hofdamenliteratur des 10.-11. Jahrhunderts, an Textbücher für Sagenrezitation oder Predigten. Ungewöhnlich ist etwa auch die Seitenangabe in japanischen Zahlen oder die ganz und gar überraschende vorangestellte Kapitelübersicht in barocken Formulierungen.

Die Kapitelübersicht zum Einstieg in das Buch.

An anderer Stelle kommt eine andere Sprach- und Schriftform zum Tragen: Ein moderner Sutrentext wird in der für solche heiligen Texte üblichen chinesischen Schriftsprache, dem sogenannten kanbun, wiedergegeben, unter Zugabe von Lesehilfen in Hiragana für die rezitierende Gemeinde, die sonst nicht wüsste, wie sie das Sutra auszusprechen hätte. Kein Zweifel: die Autorin setzt schon auf der Schriftebene vielfältige Signale, die auf so etwas wie eine Doppel- bzw. Mehrfachbödigkeit ihres Erzählens hindeuten.

Der moderne Sutrentext in üblicher Doppelschreibung findet sich in dieser Form auch in der deutschsprachigen Ausgabe.

Wie subtil und virtuos sie auf der Klaviatur der japanischen Verschriftlichungsmöglichkeiten spielt, mag auch nicht allen Leser·innen des Originals aufgehen. Doch die Übersetzerin, die dem Text Wort für Wort verpflichtet ist, kann nicht umhin zu bemerken, was hier in den meisten Fällen unübertragbar bleibt. Das Mündliche wird bis ins Schriftbild reproduziert, spiegelt sich in den Bündelungen von Sprecheinheiten und Aktionsbeschreibungen ohne Absatz-Setzungen oder in Zeilensprüngen oder auch Absätzen innerhalb einer Personenrede, etwa, wenn der zeitweilig zum Jizō mutierte Dichter sich an die Erzählerin wendet und ankündigt: Wissen Sie – und danach beginnt eine neue Zeile. An solchen Stellen gewinnt der Schreibduktus gestische Qualitäten. Deutlicher und auch im Deutschen spontan nachvollziehbar ist die Mündlichkeit, die in der Leseranrede durchscheint, etwa zu Beginn von Kapitel vier, als die Ich-Erzählerin in unorthodoxer japanischer Schreibung ihren aggressiven Akt gegenüber dem Ehemann kurz vor ihrer Abreise nach Japan durch Dehnungsstriche zwischen den Silben des Verbs betont: „Sie haben recht gehört, ich habe ihn ge-bis-sen!“

Ein Beispiel aus Kapitel zwölf: Da beschwert sich der Vater am Telefon, er habe ja niemanden bei sich wohnen, wär schon schön, wenn es das gäbe, z.B. die eigene Tochter oder Schwiegertochter. Die im deutschen Text hier zur Kenntlichmachung kursivierten Wörter wurden in Katakana geschrieben – eine wirkungsvolle Nachbildung des mündlichen Sprechens bis hin zu Änderungen im Tonfall.

Ungewöhnlicher noch ist der Schriftgebrauch im Hinblick auf Nomina oder Eigennamen. Auch alltägliche Wörter des Grundwortschatzes werden oft nicht in Kanji geschrieben, sondern eher in Hiragana, oder auch in Katakana, was je nach Kontext Verfremdung oder Hervorhebung impliziert. Und das, obwohl die Autorin gleichzeitig auch sehr spezielle Kanji-Wörter, die man heutzutage kaum noch auf Anhieb richtig lesen kann, einbaut. Dabei fügt sie dann aber die Lautung als Lesehilfe an, um die Leser·innen nicht zu irritieren. Das gilt etwa für Pflanzennamen mit ungewöhnlicher Lesung im fünften Kapitel. (Oftmals stehen dahinter spezielle, zuweilen erfundene Etymologien, die auf Volksbrauchtum und Sagen zurückgeführt werden.)

Noch auffälliger aber ist es, wenn Namen in Katakana geschrieben werden, was beispielsweise durchgängig bei „Oguri-san“ bzw. Herrn Oguri der Fall ist. Was steht dahinter? Grundsätzlich greift hier wohl eine zumindest symbolische Anonymisierung, denn selbst wenn es sich um einen Klarnamen handeln sollte, wäre immer noch nicht die Schreibung bekannt. Auf die aber kommt es an, erst die Kanji-Schreibung stellt die Individualität her, denn meist gibt es ungeahnt viele Alternativen und Varianten. Aber die Sache ist in diesem Fall sogar noch komplexer.

In Kapitel sechs, als die Erzählerin Herrn Oguri einen Talisman übergibt, finden wir eine volle Sequenz wörtlicher Rede ganz in Katakana wiedergegeben. Hier ist es ein beschwörender Ton, mitsamt einer Art Stimm-Modulation, wenn schon in der Anrede: „Oguri-san“ das „san“ nicht wie üblich in Hiragana, sondern in Katakana geschrieben wird. So kann der Wechsel der Schriftform auch eine veränderte Stimmlage und Sprechweise anzeigen. Und im weiteren Verlauf der Lektüre begegnen wir dann auch noch einer Sagengestalt gleichen Namens und ahnen, dass die auffällige, neutralisierende Schreibung uns wohl auch sensibilisieren sollte für die verborgenen Parallelen zwischen den Figuren. 

Kursivierungen, Fettdruck oder Unterstreichungen bzw. deren Entsprechung gibt es natürlich auch im Japanischen, aber hier ging es ja um Schreibweisen, die in Alphabetschriften nicht abbildbar sind, doch gerade bei Itō breiten Einsatz finden. Und was macht die Übersetzerin damit? Sie prüft von Fall zu Fall, was, wenn nicht an Ort und Stelle, so doch im weiteren Kontext an Informationen eingespeist werden kann, ohne allzu explikativ zu werden und den Erzählfluss zu stören. Gerade das Gestische am individuellen Schriftbild ist ein Charakteristikum, das diesem Text im Japanischen eine besondere Lebendigkeit verleiht.

Klangwelten und die Farbigkeit des Sprechens

„Erst in dem Augenblick, in dem er in einer ganz bestimmten Sprache geschrieben wird, beginnt der Roman zu existieren.“
Yoko Tawada

Die außergewöhnliche Farbigkeit und Klangfülle des Erzählens entfaltet sich jenseits der Verschriftlichungsformen auch auf der sprachstrukturellen und akustischen Ebene. Die Sprache des Romans hat von Anfang an einen sehr ungewöhnlichen Klang, nah an der Mündlichkeit und oralen Erzähltraditionen, stellenweise dialektal verfärbt. Selbst die alltäglichsten Sätze mit Inquit-Formeln, die auf Deutsch völlig normal klingen, sind bei Itō verfremdet, und das beginnt schon beim allerersten Satz: „Wann kommst du denn wieder? sagte meine Mutter.“ Die Personenrede klingt durch und durch natürlich, aber statt einer neutralen Formulierung benutzt die Erzählerin in ihrem Erzählerdiskurs altertümliche Formeln für „sagte sie“ oder auch sonstige Feststellungen. Die Floskeln „to  mōshimashita“ („sagte“) oder  „de gozaimasu“ für die Kopula sind Formen, die einerseits Mündlichkeit bzw. eine pragmatische Sprechsituation konnotieren, andererseits aber dem Höflichkeitssprachen-System entnommen sind und so als Erzählerdiskurs im Gegenwartsjapanischen sofort signalisieren: dies ist keine Alltagssprache, dies ist literarisiert, es gibt eine deutliche Distanz zur direkten Wiedergabe von Alltagsrede. Umso stärker spürt man den Kontrast, die Spannung innerhalb des Textes zwischen der starken Mündlichkeit und offensichtlichen Authentizität des reproduzierten Alltagssprechens samt Slang oder zeitbedingten Soziolekten auf der einen Seite und dem im Text selber durchbrechenden Lyrizismus andererseits, der rhythmisierten Sprache, die sich der Alltagselemente bedient, sie aber verfremdet.

Was es mit der Höflichkeitssprache auf sich hat, bedarf wiederum einer Erläuterung, die leider etwas technisch ausfallen muss, um wenigstens anzudeuten, worum es geht. Keinesfalls geht es dabei einfach um einen größeren Satz an höflichen Floskeln oder um merkwürdige oder pompöse Wendungen, wie man sie manchmal in dilettierenden Erklärungen von westlichen Japanreisenden im Stil von „ehrenwerter Tee“ für o-cha findet. Denn in diesem Punkt erweist sich das Japanische als Sprache, die eine besondere Aufmerksamkeit für soziale Beziehungen und Hierarchien verlangt. Linguistisch gesehen, handelt es sich um ein System von Sprachebenen, einen Satz obligatorischer Kategorien auf zwei Hauptachsen, der Partnerbezugs- oder Appell- und der Referenz- oder Stoffbezugsachse.

Mit anderen Worten, beide Achsen, die oft ineinander übergehen, da ja die angeredete Person oder Sprecherin auch Gegenstand der Rede sein können, entsprechen einem Satz an stilistischen Wahlmöglichkeiten. Und dies betrifft die wichtigsten Wortformen, nämlich Verben, Adjektive und die Kopula, aber bis zu einem gewissen Grad auch die Nomina, ja die gesamte Syntax. Das geht mithin weit über Selbstbezeichnungen und Anredeformen hinaus und erfasst das gesamte Sprechen.12 Auf der Appell-Achse etwa finden wir Abstufungen von schlicht zu höflich und ehrerbietig wie besagte Kopula-Form „de gozaimasu“ oder das ehrerbietige Verb für „sagen“, „mōsu“, wie beim Beispiel zuvor noch mit der höflichen Endung „-masu“, versehen, die, wohlgemerkt, im Erzählerdiskurs verwendet werden, so dass damit sogleich eine bestimmte Anredesituation zwischen Erzählerin und Leser·innen etabliert wird. Hinzu kommt die Referenz-Achse, bei der die Entscheidung für eine bescheidene, neutrale, respektvolle, elegante oder erhabene Form davon abhängt, wie Sprecher oder Sprecherin ihre Einstellung oder Beziehung zum besprochenen Gegenstand bewerten. Aber das System ist noch weit komplexer, denn es schließt auch noch bestimmte donatorische sowie euphemistische Verben und viele andere Faktoren, Gruppenzugehörigkeit und Verwandtschaftsbeziehungen, ein, die das System Höflichkeitssprache zu einem auch für im Japanischen sozialisierte Personen ausgesprochen knifflig und schwer beherrschbar machen. Auch wenn dieses System im Laufe der Zeit so etwas wie Vereinfachungen, manche nennen es gar Demokratisierung, erlebte, sind die formalen Merkmale obligatorische Kategorien der Sprache. Seine möglichst umfassende und angemessene Beherrschung erst verbürgt die soziokulturelle Kompetenz der Sprecherin. Allerdings erlaubt ihr diese Beherrschung auch das Spielen mit dem System – etwa ein bewusstes Überziehen der ehrerbietigen Redeweise, um zu ironisieren oder damit das Gegenüber bloßzustellen. Wiederholt thematisiert die Erzählerin das Höflichkeitssystem, wenn sie, beispielsweise, gewissermaßen beiseitesprechend in Klammern vermerkt: „Im Folgenden verzichte ich auf die übliche Höflichkeitssprache mit den Ehrerbietungsfloskeln. Eigentlich möchte ich sie gern benutzen, um meinen Respekt auszudrücken, aber ich fürchte, dass damit etwas Wesentliches verlorenginge.“ Hier wird ein Bewusstsein für einengende und unpersönliche Effekte der erwartbaren Redeformen weitergegeben, das ansonsten eher unter der Wahrnehmungsschwelle verharrt.

All die Register und Färbungen erweitern sich noch, wenn wir die Fülle an Soziolekten, Dialekten und anderen speziellen Arten des Sprachgebrauchs hinzunehmen, die im Dornauszieher zum Tragen kommen. Die aus der Außenperspektive vermutlich auffälligste, aber auch besonders schwer nachvollziehbare Eigenheit des Japanischen ist wohl der Genderlekt bzw. das, was als Männer- und Frauensprache vag bekannt ist. Auch dies ist ein umfassendes, alle Sprachebenen einbeziehendes System, das im Übrigen eng mit der Höflichkeitssprache korreliert. Auch hier gilt: es geht keinesfalls nur um den ziemlich umfangreichen Satz an Formen für Sprecher∙innen und Angesprochene bzw. deren geschlechts- oder genderspezifische Varianten, also das Männer- und das Frauen-Ich oder Du/Sie, das in Abhängigkeit von Variablen wie Altersunterschied, Vertrautheit sowie sozialem Status zu weiteren Differenzierungen führt. Um es an wenigen Beispielen des Romans zu zeigen: Der Ehemann spricht im Streit mit der Erzählerin von sich als „ore“ und ruft sie „omae“. Das konnotiert eine sehr patriarchale, hierarchische Beziehung. Die raue, gleichsam testosteronhaltige Selbstbezeichnung „ore“ ist Männern in sehr informellen Situationen vorbehalten, „omae“ hat zudem einen abwertenden Beigeschmack. Frauen würden diese Anrede allenfalls an ihren Hund richten. Die Mutter der Erzählerin adressiert ihre Tochter als „anta“ und spricht zu ihr von sich selbst als „atashi“. Das sind vertraute, familiäre und zudem weibliche Formen. In formelleren Situationen lautet die Selbstbezeichnung „watashi“, ebenfalls eine bevorzugt weibliche Form; noch mehr soziale Distanz und Höflichkeit atmet die Selbstbezeichnung „watakushi“, die allerdings auch von Männern benutzt wird. Im Diskurs der Erzählerin, im Gegenüber mit der Leserschaft, spricht diese von sich als „watashi“ und adressiert sie als „anata“, in der ebenfalls förmlicheren, höflichen Variante. Doch wechselt die Erzählung auch in die dritte Person und nennt dann einfach, ohne jeden Zusatz, den Namen Itō.

Männer- und Frauensprache zeigen sich, wie gesagt, auf allen Ebenen. Aussagenpaare wie „hara hetta naa“ (m) versus „onaka ga suita wa“ (w) für so alltägliche Wendungen wie „Ich habe Hunger“ oder „meshi o kuu zo“ (m) versus „gohan o taberu wa“ (w) („ich esse jetzt!“) oder „mate yo!“ (m) versus „matte chōdai! (w) („warte [bitte]!“) illustrieren den Umfang des geschlechtsspezifischen Regelrepertoires der japanischen Sprache.13 Soweit, so normal, könnte man seufzend sagen, denn all diese Differenzierungen lassen sich allenfalls ansatzweise im Deutschen spiegeln. Doch was macht die Erzählerin Itō? Sie mischt hier auch noch munter feminine und maskuline Diktion: „onaka (w) ga hettara (m) tabetai (neutral)“. Vielleicht ist der Erzählzusammenhang hier aber auch kein Zufall: „… aber wenn ich mein Herz ausschütten will, möchte ich das auf Japanisch tun, genauso wie ich essen möchte, wenn ich Hunger habe.“ Auch über solche so beiläufigen wie rasanten Grenzüberschreitungen werden die meisten Leserinnen und Leser hinwegfliegen. Andere Varianten in dieser Vielfalt der Register und Sprechweisen klingen ihnen vermutlich eher im Ohr, beispielsweise die Dialekte, die immer zugleich bestimmte Orte, Beziehungen und Traditionen wachrufen. Augenzwinkernd beginnt das zweite Kapitel mit einer humorigen Aufzählung der vermeintlichen „Ausspracheschwierigkeiten“ in Itōs Heimatidiom, bis hin zur völlig verhedderten „Unaussprechlichkeit“ des allbekannten Namens der Zeitung Asahi Shinbun.

Besonders markant am Dialekt von Tokyo ist, dass der Laut «hi» als «shi» ausgesprochen wird.
In Shibuya gibt es die Statue vom treuen Hund Hachikō, und in Shibiya [Hibiya] gibt es die vielen Kinos. Über Shiroshima wurde die Atombombe abgeworfen, und shitode [hitode]- wenn sich viele Menschen versammeln - ist Tempelfest. Bei Sonnenaufgang shinode [hinode] legt man die Hände zum Gebet aneinander, und Katzen sonnen sich gern [shinata bokko – hinata bokko (Sonnenbad)]. Die Zeitung namens Asashi-Hinbun ist eins von den Wörtern, die sich partout nicht aussprechen lassen.

Die Erzählerin wird folglich nicht nur in ihrer Familie, sondern von allen vertrauteren Personen, die aus derselben Gegend stammen, Shiromi genannt. In dieser Anrede schwingen all die Erinnerungen an Kindheit und Heimat mit, doch nicht nur nostalgische, sondern changierend in vielerlei Emotionen. Nun lautet ja eine bewährte Grundregel, dass Dialekt nicht übersetzt werden sollte, denn u.a. käme es unweigerlich zu falschen Assoziationen in der Zielsprache.14

Zumal dies nicht die einzige lokale Sprachfärbung in diesem Roman ist. Witzig etwa, wie sich die Krankenschwester im südlichen Kumamoto in ihrem Lokaldialekt über die so „komische“ Sprechweise der Leute von Tokyo auslässt: das „können wir überhaupt nicht nachmachen“. Noch witziger aber, dass die Tempelbesucher∙innen in Sugamo, die sich die ikinari-Klöße als Mitbringsel kaufen, gar nicht ahnen, dass das nicht etwa eine Spezialität aus Sugamo, sondern aus Kumamoto ist. (Kapitel 5)

Wie übersetzt man japanisches Englisch bzw. Amerikanisch? Die jüngste, in Kalifornien aufgewachsene Tochter Aiko soll für einige Monate, solange ihre Mutter in Japan beschäftigt ist, die japanische Grundschule besuchen, um sich sprachlich und kulturell einzugewöhnen. Die Gespräche zwischen Mutter und Kind in ständigem Hin und Her zwischen den Sprachen werden zwar japanisch wiedergegeben, doch schon in solchen Details wie der wechselnden Anrede erspüren wir die Sprachenkluft: „Aiko, du musst auf dieser Seite gehen, Mama kann sich nicht zu dir umdrehen, ich kann dich sonst nicht sehen“, sagt die Erzählerin mit steifem Nacken, offenbar auf Englisch, als „Mama“. Wenig später bemerkt Aiko: „Mutter, du siehst aus wie ein kranker Mensch.“ Im Japanischen redet die Tochter sie so an, wie es auch in der älteren Generation zwischen Hiromi und deren Erzeugerin üblich ist. So hat sie es von ihrer Mutter gelernt. Die ungelenken Formulierungen sind weitere Signale. Die Erzählerin konstatiert:

Sie sprach fließendes Japanisch, doch manchmal klang es fremd, wie bei einem Dialekt, sie hatte sich zwar am Sprachgebrauch von anderen orientiert und versuchte, sich nun selber so auszudrücken, aber irgendwie passte es nicht ganz, dieses Japanisch, in einzelnen Wörtern, Sätzen, und manchmal in noch längeren Abschnitten schlich sich da die fremde Sprache ein.

Wenn sie auf Japanisch in einem ganz ungewöhnlichen, eher schriftlichen Stil sagt: „ich wünsch“, dann klingt das englische „I wish“ durch. In ihrer Ungeduld und überschäumenden Emotion springt das Idiom, ein Satzteil japanisch, einer englisch. Das registriert die Erzählerin für uns – oder wir bemerken es am unweigerlich durchscheinenden Englisch.

Die Farbigkeit der Romansprache blüht auch durch die von der Autorin intensiv eingesetzten Onomatopoetika auf, an denen das Japanische reich ist, vor allem, wenn man neben den im strengen Sinne lautmalenden auch noch die zustandsmalenden hinzunimmt. Im Deutschen wandert die Lautmalerei oftmals in andere Wortarten. Wenn am Ende des ersten Kapitels erstmals der Pilgerbesuch beim Jizō in Gedanken mit allen Stationen aufscheint, getragen vom Wunsch, Qualen und Gestank abzuwaschen (arau), kulminiert die Vorstellung in kräftigem Schrubben, japanisch goshigoshi arau.

Das Gewühle vor der Wasch-Kannon. Foto: Hijiya

Die Heiligen-Statue, von allen Seiten umringt, wird geschrubbt. Foto: Hijiya

Sie klingt in musikalischen Assoziationen mit, Klangqualitäten, die im Gedächtnis haften wie bestimmte Erinnerungsketten. Das Datum des 1. September etwa, die Kombination von Schulbeginn und Taifun im Anzug, löst eine Lautmalerei des Sturmgeschehens aus, nach der originellen und besonders eingängigen Wortneuschöpfung im Kinderbuch Kaze no Matasaburō („Matasaburō, der Windkobold“) von Miyazawa Kenji, der rhythmisch variierte „do“-Laute aneinanderreiht: doddodo, dodōdo, dodōdo, dodō.  Das muss der Autorin mit dieser Sequenz im Kopf geklungen haben, denn sie vermerkt am Ende ihres Kapitels, dass sie sich der „Stimmen“ aus diesem Buch bediente.

Der Dichter, Schriftsteller und gläubige Buddhist Miyazawa (1896-1933) erscheint im Buch auch wiederholt mit Zitatfetzen aus einem Gedicht, das zu Corona-Zeiten in Japan als Trosttext wiederbelebt wurde. Itō hat mit ihren Studierenden an der Waseda-Universität im Sommersemester 2020 das Gedicht gemeinsam rezitiert.

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Itōs Lesung mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ihres Seminars an der Waseda-Universität im Sommersemester 2020.


 

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Das Gedicht ist im Original und in deutscher Übersetzung in den Heften für ostasiatische Literatur erschienen.15

Die zweisprachige Version des Gedichts als PDF zum Download.

Im Deutschen wird dies mit einer Folge von lautmalenden Verben wiedergegeben: Heulender, jaulender, klappernder, scheppernder Wind. Ähnlich hier, im 6. Kapitel: Yuaan yuyoon – Schweben, Schaukeln, Schwanken, Trudeln.16

Doch wenn in der Folge immer wieder das Schwebegefühl die Wahrnehmungen bestimmt und die Emotionen beherrscht, wird im Deutschen auch die sangliche japanische Lautmalerei übernommen: „…(ich) hing meinen Gedanken nach, yuyayuyon. Meine Gedanken schweiften – yuyayuyon ()“. 

„Geliehene Stimmen“

Giebt geheimen Sinn zu kosten, Wie’s den Wissenden erbaut.
Johann Wolfgang von Goethe: „Ginkgo biloba”

Die Romankapitel tragen, im Original übrigens nicht nummeriert, narrative, altertümlich klingende Titel. Sie lauten beispielsweise: „Wie, nach Überquerung des Ozeans, Pfirsiche geschleudert und Hügel überwunden werden.“ Und das folgende: „Der geworfene Pfirsich fault, und Itō gewinnt ihre animalische Kraft zurück“.  Sämtliche Kapitel sind von Einsprengseln aus anderen Werken, von den frühesten mythologischen Texten über Nō und Kabuki bis zur modernen Lyrik, durchsetzt, was man jedoch leicht überlesen kann, denn die Zitierungen und Bezugnahmen, darunter auch Märchen, Manga, Popmusik und Werbesprüche, sind fugenlos mit den eigenen Formulierungen verbunden und werden nicht markiert. Am Ende eines Kapitels jedoch weist die Autorin in einem typographisch abgesetzten Nachsatz auf die, wie sie sie nennt, „geliehenen Stimmen“ hin. Beim ersten „Pfirsichkapitel“ etwa heißt es: „Ich habe mir Stimmen aus der Mythensammlung Kojiki, Miyazawa Kenjis Erzählung „Gosch, der Cellospieler“, und der mittelalterlichen buddhistischen Volkssage (sekkyōbushi) „Shintazuma“ (Die Frau von Shinoda) ausgeliehen.“ Und hinter dem zweiten „Pfirsichkapitel“ lautet der Nachsatz: „Ich habe mir Stimmen aus Kafkas „Verwandlung“ in der Übersetzung von Takahashi Yoshitaka, aus Miyazawa Kenjis Erzählung „Die Eicheln und der Luchs vom Berge“ und aus dem Kojiki [„Aufzeichnungen über alte Begebenheiten“, japanische Mythologie, 712] ausgeliehen.“ Wo sich diese Zitate verstecken, müssen die Leser·innen, wie gesagt, selber herausfinden, vorausgesetzt, sie sind auf diese Dimension des Textes neugierig. Denn auch die kleingedruckten Hinweise am Kapitelende überlesen jene leicht, die sich durch den wechselhaften Plot und den selbstironischen, klang- und bilderreichen Erzählton schon genügend unterhalten fühlen.

Besonderes Kopfzerbrechen bereitete der Übersetzerin die Frage, wie mit solchen Hinweisen umzugehen wäre. Das Reservoir an herangezogenen Texten und Textsorten ist gewaltig. Die überwiegende Mehrzahl der Quellen dürfte westlichen Leser·innen nicht vertraut sein. Dennoch bilden ja alle, hier gleichrangig in der Schlussnotiz aufgelisteten, Quellen ein Verweisungsgerüst und heben die besondere Machart des Werks hervor. Sie formen eine zusätzliche Dimension, ein Wurzelgeflecht von ungeahnter Tiefe und mit überraschenden Vernetzungen. Sie einfach wegzulassen, verbot sich von Anfang an. Die Hinweise sind im Übrigen von unterschiedlicher Spezifität. Immer aber legen sie Spuren. Nicht, dass die Leser·innen angehalten wären, jeder einzelnen nachzugehen. Aber bereits ein Name oder Werktitel erschließt ja einen Kontext. Die gewitzte Autorin, das sei hier verraten, spielt aber auch hier. Warum die unterschiedliche Genauigkeit? Manchmal setzt sie ein „etc.“. Was verbirgt sich dahinter? Wir können nicht einmal ausschließen, dass sie falsche Fährten legt. So enthalten die Hinweise am Kapitelende auch augenzwinkernde Selbstkorrekturen wie die folgende:

„Übrigens, 800 Millimeter sind natürlich nicht 8 Meter, das war Itōs Schwäche im Kopfrechnen.“ (Kap. 8)  

Die „geliehenen Stimmen“ werden im Text selbst, wie erwähnt, nicht markiert, so dass Leser·innen sie womöglich gar nicht als solche erkennen. Bei manch einer Formulierung aber werden sie höchstwahrscheinlich stutzig, stolpern über eine merkwürdige Wendung oder einen Stilbruch. Das Liebeswerben der Sittiche im Käfig - Ei, welch vortrefflicher Mann! – wird eingehend geschildert und kontrastiert mit den im Eheclinch verhakten Protagonisten, die die Szene bitter kommentieren, eine Konstellation von unabweisbarer Komik. Zumal, wenn der Vogel mit Worten des mythischen japanischen Götterpaares Izanagi und Izanami buhlt. Woraus die Leserin das erschließen kann? Sie könnte es, angesichts der auffälligen Wendung hellhörig geworden, vermuten, wenn sie den Hinweis – als einen von mehreren Verweisen - auf die Mythensammlung Kojiki am Kapitelende findet.

Damit die Leser·innen der deutschen Übersetzung aber nicht einfach nur durch solcherlei Merkwürdigkeiten irritiert durch den Text stolpern, hat sich die Übersetzerin zu folgendem Verfahren entschieden: Sie hebt manche der Zitatfetzen durch Kursivierung hervor wie im obigen Beispiel. Das weckt Aufmerksamkeit und lässt auf eine Intention schließen. Wenn sich dann an anderer Stelle dieselbe merkwürdige Formulierung wiederfindet, was gar nicht selten der Fall ist, wird die gestalterische Absicht der Erzählerin eindeutiger. Einmal aufmerksam geworden, wird die Leserin eigenständig fremde „Stimmen“, lyrische Splitter und Fremdzitate ausmachen. Und so sind die Kursivierungen von der Übersetzerin nur als gelegentlicher Anstoß gedacht, keinesfalls aber werden auf diese Weise alle „Fremdstimmen“ in der deutschen Fassung markiert. Zumal auch hier die Übergänge fließend sind und manch ein entliehenes Motiv in seiner Umkehrung aufscheint. Es gibt im Roman mehrfach verdrehte Zitierungen und Überlagerungen, sehr präzis und pointiert gearbeitete witzige Überschreibungen. Doch dies zu entdecken oder auch nicht, sei der Leserin anheimgestellt. Die Übersetzerin hat zwar, um genau zu arbeiten, archäologische Grabungen vorgenommen. Aber ihre Aufgabe ist es nicht, die im Text kodierten Geheimnisse preiszugeben. Sie sollte allenfalls und mit Behutsamkeit Spuren legen, wie sie die Autorin vorgezeichnet hat.

Kulturgeschichte, High und Low

Wenn angesichts der bisherigen Erläuterungen zu den im Text vergrabenen Anspielungen und ihren Hallräumen der Eindruck entstanden sein sollte, dass es sich beim Dornauszieher um ein mit Bildungsballast vollgestopftes, schwer verdauliches Elaborat handelt, wäre das einzig und allein der ungeschickten Präsentation der Übersetzerin zuzuschreiben. Die sich daher flugs anschickt, noch einmal den Blick ‚aufs Ganze‘ zu richten. Der Reiz des Romans liegt nämlich gerade darin, dass er sich an der Oberfläche unterhaltsam liest, uns mitnimmt in durchaus nicht fremde Gefühlswelten, ja geradezu einen Sog entwickelt, und das ungeachtet kultureller und historischer Distanzen. Doch darüber hinaus bietet er weitere Lektüremöglichkeiten an, nachdem wir recht bald seine Doppel- bzw. Mehrfachbödigkeit bemerken konnten. Viele der hier aufgeführten Erklärungen, etwa zu den besonderen expressiven Möglichkeiten der japanischen Schrift und den spezifischen, im Sprachsystem angelegten Differenzierungsweisen, waren ja nur als Verständnishintergrund für die Leser·innen der Übersetzung gedacht, denn erst im Anschluss daran lässt sich an Einzelbeispielen zeigen, wo und wie die Autorin mit ihnen spielt und ihnen neue Bedeutungen entlockt. Die eingangs gestellte Frage, wie viel Fremdheit ein solcher Text in der Übersetzung verträgt, stellt sich noch einmal neu im Lichte der getroffenen Übersetzungsentscheidungen. Da die Autorin bei ihrer japanischen Leserschaft viel voraussetzen kann, das hierzulande der Erläuterung bedarf, um es nachvollziehen zu können, hat sich die Übersetzerin für folgendes Vorgehen entschieden: Wo zum unmittelbaren Verständnis des Erzählzusammenhangs ein erläuternder Zusatz erforderlich war, wurde dieser an Ort und Stelle in eckigen Klammern eingefügt. Das hat den Nachteil einer gewissen Sperrigkeit beim Lesen, aber den Vorteil eines genauen Nachvollzugs, welche Informationen im Lesehorizont des japanischen Textes vorhanden oder nicht vorhanden waren. Ergänzt wurden die Erläuterungen durch eine weitere Ebene, auf die mit Asterisk im Fließtext verwiesen wird, nämlich Anmerkungen am Ende. Dabei handelt es sich um solche Informationen, die zwar nicht unmittelbar zum Verständnis einer bestimmten Satzaussage erforderlich waren, aber ein vertieftes Verständnis des weiteren Zusammenhangs ermöglichen. Dabei geht es nicht um einen Schnellkurs in japanischer Landeskunde oder um Namen religiöser Führer, bekannter Schriftsteller∙innen oder Märchenfiguren, denen jeder leicht nachgehen kann. Eher sind es schwieriger zu eruierende Zusammenhänge oder Fakten, zu denen sich kein einfacher Zugang in westlichen Sprachen findet, weil man oft nicht einmal weiß, wie man suchen soll. Auch mit diesen zwei Erläuterungsebenen – und einem angehängten Nachwort der Übersetzerin – bleibt vieles unerklärt, rätselhaft. Doch so soll es sein. Gerade das macht Literatur aus.

Was das Romanpoem Dornauszieher vor allem charakterisiert, ist die Spannung zwischen der leicht lesbaren Textoberfläche mit einer realitätsgesättigten Story aus dem heutigen Leben und der flirrenden Vielfalt an Ausdrucksformen und Stimmen unmittelbar unter der Oberfläche, in der deutschen Übersetzung sporadisch aus dem Textgewebe herausgezogene Schlaufen, durch Kursivierung oder Anmerkungen kenntlich gemacht. Gewiss, jedes Stück Literatur speist sich aus Traditionen und Vorgängerwerken, oft genug auch durch deren bewusste Überschreitung oder Negation. Im Falle des Dornausziehers erscheint das aber in hohem Maße als Programm. Die in der Gegenwarts-Story immer wiederkehrenden und auf alle Generationen und Geschlechter bezogenen Themen Einsamkeit, Krankheit, Qual und Zorn finden ebenso wie Selbstbehauptung, Lebensfreude und Spiel ständige Echo-Ebenen in Zitatfetzen und Anklängen an Ausdrucksformen früherer Jahrhunderte bis in unsere Zeit. Und das Faszinierende dabei ist, dass auch sie alle Altersgruppen, sozialen Schichten und eine Vielfalt an ästhetischen Formen einbeziehen, und das auch noch kulturübergreifend. Der Zorn der alten Frauen bricht sich in Kapitel 15 in einem Tagtraum der Erzählerin als wilde Attacke auf ihren Ehemann Bahn und wird mit Worten aus Euripides‘ Backchen als düstere Orgie der Anhängerinnen des Dionysos inszeniert. Während westliche Leser·innen solche markanten Querverweise mühelos identifizieren können, ebenso wie die faszinierenden Assoziationen zwischen Kafkas „Verwandlung“ und der japanischen Mythologie in den beiden „Pfirsich“-Kapiteln, blieben für sie wohl viele der „Stimmen“ aus der ostasiatischen Kulturgeschichte stumm.17 Daher hier noch einige Hinweise auf solche von der Übersetzerin durch „herausgezogene Schlaufen“ kenntlich gemachten Bezüge:

Da gibt es Stilmittel aus früheren Epochen wie die „Kopfkissenwörter“ (makura kotoba), schmückende Beiwörter, wie wir sie in den frühesten Denkmälern der japanischen Literatur, in der „Sammlung der zehntausend Blätter“, dem Man’yōshū aus dem 8. Jahrhundert mit Liedern und Gedichten aus der Zeit von ca. 600 bis 750 unserer Zeitrechnung vorfinden, von Itō ganz nebenbei und selbstverständlich in ihren Erzähltext geschmuggelt, als Klangverstärker und lyrische Pointen ins moderne Japanisch gehoben. In der Übersetzung werden daraus beschwörende Stotterwörter: der Vater, chichi, mit dem vorangestellten „Kopfkissenwort“ chichinomi no chichi wird zu „feinerfauler Vater“, die Mutter, haha, mutiert zu hahasoba no haha – „muntermagere Mutter“. Alliterationen sind im Übrigen, wie Wiederholungen, Aufzählungen (mono-zukushi) und parallele Strukturen, immer wiederkehrende poetische Gestaltungselemente in Itōs Werk. Ein anderes archaisches Stilmittel sind die „Türangelwörter“ (kakekobota), die sowohl in der Lyrik wie im Nō-Theater und den Jōruri-Gesängen eingesetzt werden. Es handelt sich dabei um einen doppelsinnigen Lautkomplex, der in zwei Zusammenhänge gestellt wird, so dass beide Bedeutungen Verwendung finden (einmal in Verbindung mit dem vorhergehenden Text, einmal mit dem nachfolgenden). Ein oft zitiertes Beispiel für diese Wortspieltechnik ist matsu, das zum einen im Sinne des Substantivs „Kiefer“, gleichzeitig aber als Verb in der Bedeutung von „warten“ eingesetzt wird. Bei Itō finden sich solche „Türangelwörter“ in dem alten Lied von Kuzunoha, das in Kapitel zwei und drei anklingt. Der Frauenname Kuzunoha ist schon für sich genommen doppelsinnig, denn kuzu no ha bedeutet „Pfeilwurz“ (kuzu)- „Blatt“ (ha).  Im Japanischen kommt diese Spielerei ganz unscheinbar daher, in knappster Kürze, hier zum Vergleich in Lateinschrift transkribiert: Tazune kite miyo urami kuzunoha. (Kap. 2). Die Übersetzung muss hingegen die beiden „Türangelwörter“ urami und kuzunoha auseinanderfalten, um ihren Doppelsinn zu enthüllen: urami als „die Rückseite (ura) anschauen (mi)“ und den „Groll“ (urami), und besagten Frauennamen und die Pfeilwurzblätter. Folglich wird das Lied mehr als doppelt so lang: Komm her und schau/ Kuzunoha, die Blätter vom Pfeilwurz,/ihre dunkle Rückseite/ihren Groll. In Kapitel 3 erfährt diese Geschichte noch eine Vertiefung durch weitere Assoziationen – die Frau ist eigentlich ein Fuchs in Menschengestalt -, als die Erzählerin sich als Mäusefängerin gegenüber ihrem Mann insgeheim mit Kuzunoha, der Füchsin, identifiziert.18

Das für den Dornauszieher zentrale Motiv des Wanderns und Pilgerns, im ständigen Hin und Her zwischen den Lebensräumen ebenso wie als Metapher für den Lebenspfad und die Suche nach Sinn, wird von der Autorin in Formen gesetzt, die sich unüberhörbar an dem klassischen Muster der michiyuki orientieren, lyrische Wegbeschreibungen voller Hintersinn, wie sie seit den frühesten Reisegedichten in der japanischen Literatur zu finden sind.19 Solche michiyuki („Pfadgeh-“, „Pilger-“) -Passagen sind unabdingbarer Bestandteil jedes Nō-Stücks und prägen die Dramaturgie im Bunraku-Puppentheater wie im Kabuki.20

Kein Wunder also, wenn wir im Werk immer wieder auch auf noch explizitere Verknüpfungen zu diesen Gattungen stoßen, die übrigens in starkem Maße vom buddhistisch geprägten Lebensgefühl der Vergänglichkeit und Flüchtigkeit (hakanasa, mujō) durchtränkt sind. Geschickt gelingt es der Autorin in Kapitel 10, aus Anlass einer Freilicht-Nō-Aufführung, die sie mit ihrer jüngsten Tochter besucht, denkbar diverse Perspektiven auf diese als elitär geltende Theaterform gleichzeitig aufzutischen. All diese Bezüge im Einzelnen zu belegen und auszudeuten, wäre Aufgabe einer literaturwissenschaftlichen Studie.21Hier daher nur noch der Hinweis auf ein in diesem Werk besonders häufig herangezogenes literarisches Schatzkästlein, das Ryōjin hishōStaub auf dem Dachbalken, eine altjapanische Sammlung volkstümlicher und geistlicher Lieder, die bei Hoch und Niedrig beliebt, etwa seit der ersten Jahrtausendwende in Umlauf waren. Der „Staub auf dem Dachbalken“ ist übrigens eine Metapher für „Lied“ und verweist uns ins alte China: Zur Han-Zeit soll es in Lu einen Mann gegeben haben, bei dessen wundervollem Gesang sogar der Staub auf dem Dachbalken in Bewegung geriet. In fast allen Kapiteln flicht die Erzählerin Itō Verse und Versfetzen daraus ein und bringt das oft herzzerreißende, tief melancholische Lebensgefühl der Fischer und Bauern, der Pilgermönche und Wanderdirnen in ihrer geschilderten Lebensgegenwart des 21. Jahrhunderts zum Klingen.22Meer und Berge, die vielen Buddhas, die Plage, die Qual und die Flüchtigkeit, sind ein thematischer Knotenpunkt, ein Grundton, der durch die gesamte Geschichte bis in die Zeit der noch Ungeborenen widerhallt. Doch da sind auch die anderen Stimmen, die Lebensfreude, das Spielerische und unbändig Kreative und Vitale mit den hervorblitzenden Lyrik- und Zitatfetzen aus der japanischen Dada- und Avantgarde-Dichtung, die ihrerseits von Figuren wie Rimbaud, Baudelaire oder Rilke inspiriert wurden. All die vielen genannten und ungenannten weltliterarischen Quellen, aus denen sich der Dornauszieher-Text speist und die er untereinander verknüpft, sind Bestandteile der Textur dieses ungewöhnlichen Werks. Die ‚Lieder‘ der Gegenwart hallen im Werk in Form von Manga-Assoziationen oder TV-Werbesequenzen wider, wenn die Erzählerin am Steuer im Verkehrsgewühl ihren Frust in einem Fluch als „Kleinwagen-Zicke“ ablässt und dabei einen Reklamespot mit einer populären Schauspielerin aufspießt, die einen roten Porsche durch die Gegend fährt. Und damit wären wir wieder im Alltagsplot angekommen. (Der Künstler- wie der bürgerliche Name des bekannten Idols wird übrigens am Ende von Kapitel 1 aufgelistet.)

Zur Viel-Lesbarkeit eines Roman-Poems

„Wenn es aber um die Übersetzungsarbeit geht, so hat man nie das Gefühl, dass diese beendet ist.“
Yoko Tawada

Es bleibt also dabei: Je mehr wir über die Machart des Buches wissen, desto reizvoller gestaltet sich auch das Lektüreerlebnis. Für die Übertragung bedeutete das, mehr als üblich auch den Erzählduktus einzufangen, nachvollziehbar zu machen, was vielleicht auch für japanische Leserinnen und Leser nicht unmittelbar zugänglich ist, sie aber dennoch bei der Stange hält. Daher die zuvor erläuterten Strategien, die Beibehaltung der japanischen Absatzgrenzen, die mehrstufigen, markierten Erläuterungen im Text. Dazu die Kursivierungen, die sporadisch aus dem Textgewebe herausgezogenen „Schlaufen“. Und einige übersetzerische Freiheiten, die sich bei der Lektüre erschließen werden und zu denen mich nicht zuletzt die Erfahrungen meiner Übersetzer-Kolleginnen und Kollegen ermutigten. Esther Kinskys „Gedanken zum Übersetzen“ waren unter den Texten, die mich bei meiner Arbeit begleitet haben, beispielsweise mit der Feststellung:

„Jede Übersetzung ist eine Sicht des Originalwerks, eine Ansicht, die durch den Filter der Sprachwelt des jeweiligen Übersetzers den Weg aufs Papier gefunden hat, und wie durch die Farbfilterlinse einer Kamera aufgenommen, breitet sich vor dem Leser der Übersetzung ein anderes Bild aus als vor dem Leser des Originals.“23

Und in Frank Heiberts Selbstbeobachtung fand ich mich selbst beim Übersetzen gespiegelt:

„Es gibt Momente beim Übersetzen, an denen man laut aufschreit, kichert, durchgeschüttelt wird von Entsetzen oder Lachen. Wir schicken den Text körperlich durch uns hindurch, weil wir ja die Stimme (oder die Stimmen) des Buches werden müssen.“24

Solche körperlichen Erfahrungen verdanke ich ‚meiner‘ Autorin Itō Hiromi. Auch ihre Erzählerin im Dornauszieher hat es übrigens immer wieder durchgeschüttelt. Ihren „klugen Fuchsbau“ (Th. Mann) ins Deutsche zu übertragen, war eine leib-seelische Erfahrung der besonderen Art, ermöglicht durch ihre Geduld und unermüdliche Auskunftsbereitschaft und ihre Freundschaft.

Die japanischen Reaktionen auf das Buch, sofern sie in publizierter Form zugänglich sind, legen das Schwergewicht auf die Wirkung des Textes als Schule des Lebens mit geradezu therapeutischem Effekt. „In der Sackgasse? Da hilft nur eins – Itō Hiromi!“  schrieb Japans bekannteste Frauenaktivistin, die Soziologin Ueno Chizuko, in ihrem Nachwort zur Taschenbuchausgabe des Dornausziehers. Die bekannte Schriftstellerin Kawakami Hiromi hebt in ihrer Buchbesprechung in der Yomiuri Shinbun auf das Universale und Gender-Übergreifende der geschilderten Erfahrungen ab:

„All das Persönliche, das in diesem Buch ausgebreitet wird, ist ergreifend bis zum Niederknien, doch all dies widerfährt ja nicht nur der Autorin - man spürt eine grandiose Heftigkeit, wie sie über Frauen und Männern weltweit hereinbricht, es packt einen unmittelbar. Nein, das ist beileibe nicht nur privat, das ist etwas wahrlich Allgemeines.“

Auch eine solche Lektüre sollte den Leser·innen der deutschen Fassung offenstehen. Und noch viele Lektüren darüber hinaus, die die Autorin mit List und Witz in ihrem Text sichtbar, hörbar provoziert. Anders gesagt: Oberstes Ziel der Übertragung war, die Viel-Lesbarkeit des Textes zu erhalten und dem deutschsprachigen Publikum eine gewissermaßen selbstbestimmte Lektüre zu ermöglichen. Dazu noch einmal Esther Kinsky: „Wem soll er [der Übersetzer] es recht machen? Der Sprache selbst.“25 Ob es gelang, auch im Deutschen „den Staub zum Tanzen zu bringen“?

Ito mit der Übersetzerin und ihrem Übersetzer ins Amerikanische im Februar 2019 in Berlin. (Foto: Y. Tsunekawa)


Diese zweisprachige Leseprobe gibt es ebenfalls als PDF zum Download.

Fußnoten
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©Pablo Castagnola

Irmela Hijiya-Kirschnereit, Japanologin, Literaturwissenschaftlerin, Professorin der FU Berlin, hat japanische Literatur im deutschen Sprachraum durch Forschung, Übersetzungen, Medienarbeit und Veranstaltungen bekannt gemacht. Im Insel Verlag gab sie von 1990 bis 2000 die 34 Bände der Japanischen Bibliothek heraus, in der von ihr herausgegebenen Reihe Iaponia Insula im Münchner Iudicium Verlag sind bislang 37 wissenschaftliche Studien, vor allem zur Literatur und Kulturgeschichte, erschienen. Initiatorin und Mitherausgeberin des Großen japanisch-deutschen Wörterbuchs in 3 Bänden (München 2009, 2015, 2021). Sie übersetzte neben Sachbüchern u.a. Werke von Kenzaburō Ōe, Fumiko Enchi, Taeko Kōno, Hiromi Itō, Kazuko Saegusa, Akiyuki Nosaka, Minako Ōba, Yasushi Inoue. Sie ist Mitglied im Herausgeber-Beirat internationaler wissenschaftlicher Fachzeitschriften in Tokyo, Seoul, Neapel, London und Kyoto und hat zwei deutsch-japanische Übersetzerpreise mitbegründet. 1992 erhielt sie den Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft, 2014 den japanischen NIHU (National Institutes for the Humanities) Prize in Japanese Studies.

 

Bücher u.a.:

Was vom Japaner übrig blieb. Transkultur – Übersetzung – Selbstbehauptung. Essays. München 2013

Ausgekochtes Wunderland – Japanische Literatur lesen. München 2008

Selbstentblößungsrituale: Zur Theorie und Geschichte der autobiographischen Gattung Shishōsetsu in der modernen japanischen Literatur. 1981, Neuausg. München 2005

Japanische Gegenwartsliteratur: Ein Handbuch. München 2000

Was heißt: Japanische Literatur verstehen? Frankfurt/M. 1990, 3. Aufl. 2015.

Das Ende der Exotik: Zur japanischen Kultur und Gesellschaft der Gegenwart. Frankfurt/M. 1988, 3. Aufl. 2015.

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