Journale Annette Hug im Sprachkarussell.

Brief an die Mutter: Annette Hug übersetzen, die Rizal übersetzt, oder Rizal übersetzen?

 

Rizals Mutter hat einen Satz ausgesprochen, der sich als Leitmotiv durch Annette Hugs Roman zieht und Rizal verfolgt:

„Du sollst nicht abfallen.“

Ich weiß nicht, was sie im Original geschrieben hat, ich weiß nicht einmal, ob sie auf Tagalog oder auf Spanisch geschrieben hat. In Goujats Buch stoße ich auf den vermutlich entsprechenden Brief, dort steht in französischer Übersetzung:

„promets-moi d’être un bon chrétien“, „versprich mir, dass Du ein guter Christ sein wirst“.

Goujat fügt hinzu: „Hier stellt sich die Frage, was genau das heißen sollte, ‚ein guter Christ sein‘. Für Rizal wurde die Frage zu einem regelrechten Studien- und Rechercheobjekt, wie auch sein Freund und Landsmann Máximo Viola feststelle,[annotation  (stimmt, AH erwähnt es!)] der ihn später bei seinem Aufenthalt in Berlin begleitete[/annotation], in Österreich und der Schweiz , und mit dem sich Rizal über die Frage oft unterhalten hat.“ [footnote Hélène Goujat, Réforme ou révolution? Le projet national de José Rizal (1861-186) pour les Philippines, Paris : Connaissances et savoir, 2010. (hier übersetzt von Odile Kennel)]

 

Das alles klingt gut und spannend, aber muss ich deshalb diesen etwas kryptischen Satz erklärend übersetzen? Annette Hug hätte ja dann „Sei bitte ein braver Christ“ schreiben können. Und auch wenn ich den Brief erkenne, so weiß ich doch, dass sie ausgeschnitten und neu zusammengesetzt hat, um die Quellen ihrer Vorstellung anzupassen. Ich übersetze schließlich Annette Hug und nicht Teodora Mercado Rizal.

 

Elle écrivait à l’aveugle et tenait la

plume avec peine, il avait fallu prier une jeune parente de

s’enquérir de la signification de ses lignes et d’ajouter à la

lettre une traduction. « C ’est peut-être ma dernière lettre,

lisait-on. Écoute, mon fils, l’unique vœu d’une vieille mère.

Ne va pas te perdre. »

(AH, CL, p. 18)

 

Sie hatte fast blind geschrieben und den Stift unsicher geführt,

also musste man eine junge Frau bitten, die Mutter

nach der Bedeutung ihrer Worte zu fragen und dem

Brief eine Übersetzung beizufügen. »Dies ist vielleicht

mein letzter Brief«, war zu lesen. »Höre, mein Sohn, nur

einen Wunsch habe ich noch offen in meinem Leben.

Du darfst nicht abfallen.«

(AH, p. 15)

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