Journale Annette Hug im Sprachkarussell.

Versuchsweise übersetzt er einige Zeilen, schon wachsen
die Berge, die er in Wilhelmsfeld vor Augen hatte, zu Alpen
an. Aus den Laubbäumen ragen plötzlich Felsen auf,
steile Abhänge setzen Tannen und Föhren an, die Gipfel
verlieren sich in den Wolken. So ist das auch in Kalamba,
im Hinterland Manilas, wo sich der Berg Makiling über
einem See erhebt. Doch der Gipfel ist selten zu sehen, er
scheint im Himmel zu verschwinden.
Beim Lesen schieben sich die Landschaften in einander
und alles geschieht gleichzeitig. Zwei neue Handelsrouten
werden erschlossen.[footnote Annette Hug, Wilhelm Tell in Manila. Verlag Das Wunderhorn, 2016, S.11.]

Il s’essaie à traduire quelques lignes, déjà les montagnes
qu’il avait sous les yeux à Wilhelmsfeld se transforment en
chaîne des Alpes. Les falaises se couvrent de feuillages, les
pentes abruptes se parent de sapins et d’arolles, les sommets
se perdent parmi les nuages. Il en est de même à Calamba,
dans l’arrière-pays de Manille, où le mont Makiling s’élève
au-dessus d’un lac. Mais le sommet est rarement visible, on
dirait qu’il disparaît dans le ciel.
La lecture fond les paysages l’un dans l’autre et tout
se déroule en même temps. Deux nouvelles voies sont
ouvertes au commerce.[footnote Annette Hug, Révolution aux confins, Übers. Camille Luscher, éd. Zoé 2019, p.13.]

 

Wilhelm Tell in Manila ist auch ein Roman über einen Übersetzer. Wir folgen der Hauptfigur bei ihren Recherchen, und Annette Hug zeichnet diese Szenen auf so lebendige, nachvollziehbare Weise, dass ich mir mehr als einmal vorkam wie vor einem unendlichen Spiegel: wenn ich beispielsweise das beste Wort suchte, um Rizals Suche nach dem besten Wort zu übersetzen (vgl. Szenen einer Übersetzung).

 

Ich liebe die Szene, die so wunderbar beschreibt, was bei einer Übersetzung geschieht: Zwei Landschaften, zwei Universen schieben sich übereinander, es entsteht etwas Drittes, Hybrides. Rizals Schillerübersetzung nimmt uns mit an einen Ort, der schon nicht mehr die Schweiz ist, aber auch noch nicht die Philippinen.

Wie ein Wechselbild, auf je nach Blickwinkel Hase oder Ente sichtbar werden …

 

Die Metapher ist nicht von mir Wittgenstein kommentiert dieses Bild und Marc de Launay, französischer Übersetzerwissenschaftler zitiert es in seinem Handbuch: Qu'est-ce que traduire (Vrin, Chemins Philosophiques, 2006)

 

PDF