Claudia Cavalcanti

Seit Jahren arbeite ich an der Übersetzung einiger von mir ausgewählten Gedichte Ingeborg Bachmanns. Im Jahr 2008 verbrachte ich dank der Robert-Bosch-Stiftung zwei Wochen im Übersetzerhaus Looren, um eine erste Fassung davon fertigzustellen. Jahre später war die österreichische Dichterin wieder Grund meiner Teilnahme an der Vice-Versa-Werkstatt Deutsch-Portugiesisch, die im Jahr 2013 im LCB, Berlin, stattfand. Damals wählte ich fünf Gedichte aus, deren Übersetzung ich mit den deutschen und brasilianischen Kollegen diskutieren wollte. An einem ganzen Vormittag setzten wir uns sehr eifrig mit einem einzigen Gedicht auseinander, dem emblematischen “Die gestundete Zeit”, ohne zu sicheren Schlussfolgerungen  zu kommen, so komplex ist die Verständigung des Werkes Bachmanns, vor allem des oben erwähnten Gedichts.

Nach all dieser Zeit intermittierender Arbeit fand ich einen Verleger, der sich für die Veröffentlichung der rund 40 Gedichte interessierte. Das TOLEDO-Programm zeigte sich als eine hervorragende Möglichkeit, einen Text über die Schriftstellerin, ihr Werk und meine Übersetzung zu verfassen. Außerdem war dies auch eine Gelegenheit, nach Wien zu fliegen und die Stadt, in der sie einige Jahre lebte, zu besuchen. Ich war nie dort gewesen, obwohl ich fast sechs Jahre in Deutschland gelebt bzw. studiert hatte.

Während meines zweiwöchigen Aufenthalts in Wien hatte ich die notwendige Ruhe und Zeit, einen umfassenden Text von ca. 50 Seiten zu schreiben, aber auch einige für Bachmann wichtige Stätten in Wien zu besichtigen, wie z.B. das Literaturarchiv an der Österreichischen Nationalbibliothek, wo ihr Nachlass unter ganz speziellen Bedingungen für einen Besuch zur Verfügung steht. Die Genehmigung dazu bekam ich von den Erben Ingeborg Bachmanns, zwei von ihnen lernte ich persönlich kennen. Die Familie sieht der ersten Veröffentlichung ihrer Gedichte in Brasilien mit großer Sympathie entgegen, und ich hoffe, eine gute Arbeit geleistet zu haben.

Das gesamte Buchprojekt habe ich einen Monat nach meiner Rückkehr aus Wien beim Verlag abgegeben. Es soll O tempo adiado (meine Übersetzung für Die gestundete Zeit) heißen und im Januar 2020 bei Todavia Livros erscheinen.