Natalka Sniadanko

Ein Bibliotheksausweis ist nicht unbedingt das, was man in jeder Stadt beantragen möchte. Vor allem in einer Stadt, in der man nur 4 Wochen lebt. Aus der Zeit in München sind mir sogar zwei neue Bibliotheksausweise geblieben. Als ein Andenken oder vielleicht als ein Geheimsymbol, dass ich wiederkommen sollte nach München. Immer wieder Mal.

An manchen Tagen gelang es mir in beiden Bibliotheken zu arbeiten – vormittags in der Internationalen Jugendbibliothek im Schloss Blutenburg, und nach ihrer Schließung um 16.00 Uhr – in der Bayerischen Staatsbibliothek, die etwas untypische und ganz wunderbare Öffnungszeiten hat – man kann dort von Montag bis Sonntag von 8.00 bis 24.00 Uhr arbeiten. Von einem Schloss ins andere. Dazwischen ein Mittagessen in toller Gesellschaft der Jugendbibliotheksmitarbeiter in einem feinen Lokal. Ein absolut perfekter Tagesablauf. So kann man sogar als Literaturübersetzer sein Leben genießen. Auch länger als 4 Wochen.

Die Bücher aus aller Welt. Die Besucher aus aller Welt. Die Bibliotheksmitarbeiter, deren Kompetenz einem Angst machen kann. Als ich am ersten Tag meines Aufenthaltes erfuhr, dass diese Bibliothek ein Belegexemplar meines einzigen je geschriebenen Kinderbuches besitzt, wurde es mir fast bange zumute.

Jede Auskunft, die ich brauchte, bekam ich sofort, oft sogar noch beim Mittagstisch. Die schönsten Ausstellungen? Ja, klar, mehr als man schaffen kann. Die weniger bekannten Ecken von München – in 5 Minuten per E-Mail. Alle möglichen Textfragen – sofort gab es Erklärungen, Erläuterungen, Konnotationen.

Aber Perfektion kennt kein Ende. Während meines Aufenthaltes arbeitete ich an der ukrainischen Übersetzung eines Jugendbuches von Ursula Poznanski. Kurz vor dem Ende des Aufenthaltes bekam ich den Auftrag, ein Kinderbuch „Der Leuchtturm auf den Hummerklippen“ von James Krüss zu übersetzen. Da freute ich mich noch mehr an dem richtigen Ort zur richtigen Zeit zu sein. Noch am selben Tag lernte ich die Frau kennen, die das gesamte Krüss-Archiv auswendig kennt. Dieses Archiv ist ebenso im Besitz der Internationalen Jugendbibliothek in München. So konnte ich schon vor Beginn der Übersetzung eine perfekte Recherche betreiben.

So sollte es immer sein, würde man sich wünschen.