Agata Teperek

Arbeitsaufenthalt in der Internationalen Jugendbibliothek in München, vom 3. bis 17. November 2018

Im Rahmen der TOLEDO-Mobilitätsförderung habe ich zwei überraschend warme und sonnige Novemberwochen in der Internationalen Jugendbibliothek in München (einem richtigen, märchenhaften Schloss, da die Bibliothek sich im ehemaligen Jagdschloss Blutenburg befindet) verbracht, wo ich an der Übersetzung des Jugendromans „Sommernachtsfunkeln“ von Beatrix Gurian für den polnischen Verlag „Jaguar“ gearbeitet habe. Das Buch wurde mit einer kleinen Verspätung im Juni 2019 als drittes Buch von Frau Gurian in Polen herausgegeben.

Während des Arbeitsaufenthalts hatte ich die Gelegenheit, die Autorin, die selbst in München wohnt, persönlich kennen zu lernen, ihr zauberhaftes Atelier, das sie mit ihrem Mann (Fotograf) und ihrer Freundin (Goldschmiedin) teilt, zu besuchen und einige Unklarheiten mit ihr vor Ort zu klären beziehungsweise über Übersetzungsprobleme und Veränderungsvorschläge zu diskutieren. Das war eine schöne und für mich außergewöhnliche Erfahrung, eine Person, die man vor allem nur durch ihre Bücher und E-Mails kennt, zu treffen und in einem inoffiziellen Gespräch von der Entstehungsgeschichte ihrer Romane (vorher habe ich ein andres Buch „Glimmernächte“ von Frau Gurian ins Polnische übersetzt) hören zu dürfen.

Arbeitsmäßig finde ich den Aufenthalt ganz gut gelungen. Zwar hatte ich mir vorgenommen, meine Übersetzung in München fertig zu bekommen, was mir aber leider wegen einiger vorangehender Störungen nicht hundertprozentig gelungen ist. Ich habe jedoch meine Pläne zum größten Teil umgesetzt. Zum Glück bekam ich schon in München vom Verlag Bescheid, dass ich länger an der Übersetzung arbeiten kann, weil das Buch im Sommer und nicht im Frühling, wie ursprünglich abgemacht, herausgegeben wurde. Deswegen war ich nicht so gestresst als ich es andernfalls gewesen wäre.

Obwohl ich die Gastfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Mitarbeiter der Bibliothek sehr schätzte, stellte sich schnell heraus, dass die Internationale Jugendbibliothek kein Traumarbeitsplatz für mich ist. Hauptsächlich hatte ich ein Ziel: mich in Ruhe und ohne alltägliche Störungen auf die Arbeit, von morgens bis abends, zu fokussieren. Wie es sich aber zeigte, waren meine Vorstellungen vom Arbeitstag, die sich teilweise auf die Erfahrungen aus dem EÜK in Straelen stützten, falsch. Ein Arbeitsaufenthalt in München sieht definitiv anders aus. Man kann nämlich in der Bibliothek nur während der Öffnungszeiten arbeiten (von 10 bis 16 Uhr, von Montag bis Freitag). Danach muss man einen anderen Arbeitsplatz in der Stadt finden. Die Arbeit in meinem sonst sehr bequemen und gemütlichen Zimmer (ca. 20-30 Minuten mit dem Fahrrad von der Bibliothek entfernt), war leider ziemlich schwierig, da ich dort keinen richtigen Schreibtisch hatte. Dies gab mir eine zusätzliche Motivation, ins Zentrum zu fahren und das Kulturangebot der Stadt in Anspruch zu nehmen – denn in München gibt es auf jeden Fall viel zu tun. Es kann aber bei der Arbeit ablenkend wirken.

Leider hatte ich auch nicht viele Gelegenheiten andere Übersetzer kennen zu lernen. Ich war die einzige Übersetzerin in der Bibliothek (zwei ausländische Gastforscher beendeten kurz nach meiner Ankunft ihre Arbeitsaufenthalte beziehungsweise fuhren zu Konferenzen). Glücklicherweise stellte sich heraus, dass meine estnische Bekannte, die selbst Dichterin und Übersetzerin ist, durch reinen Zufall zur selben Zeit Stipendiatin in der Villa Waldberta war, sodass wir abends ab und zu etwas unternehmen konnten.

Eine nette Abwechslung stellte mein Besuch beim Arbeitskreis für Jugendliteratur dar, wo ich mehr vom Deutschen Jugendliteraturpreis und der Tätigkeit des Arbeitskreises für Jugendliteratur erfahren konnte. Während meines Aufenthalts gab es die Eröffnung des Literaturfests München unter dem Titel „Schönes Babel. Europäische Lektüren”. Das Literaturfest München ist ein jährlich organisiertes Literaturfestival mit einer langen Reihe interessanter Veranstaltungen. Das Fest ist vom forum:autoren, der Münchner Bücherschau und dem Literaturhaus München organisiert und das Programm wird jedes Jahr von einem anderen Autor oder einer anderen Autorin kuratiert (Jan Wagner war für das Programm im Jahre 2018 zuständig). Auch die Münchner Bücherschau, eine Art der Buchausstellung, die seit einigen Jahren ein Teil des Literaturfestes ist, erlaubt einen guten und umfangreichen Einblick über die neu publizierten Bücher auf dem deutschsprachigen Markt. Genau diesen Zeitpunkt, also Ende November / Anfang Dezember, würde ich allen, die über einen Arbeitsaufenthalt in München nachdenken, wegen des Literaturfestes herzlich empfehlen.