Philip Boehm

Auch wenn ein Buch die reinste Fiktion ist, hat es immer seine Realien.

Auch wenn diese Realien irreal wirken. Wie zum Beispiel ein Toledo, das weder in Spanien noch in Ohio liegt ...

In den Büchern, die ich übersetze geht es öfters um Realien von heute, diesmal aber waren die von gestern für mich am wichtigsten, weil ich zwei Romane zu übertragen hatte, die in der Vergangenheit spielen: die Texte stammen aus den 30er bzw. den 40er Jahren. In seinem nach etwa 80 Jahren wiederendeckten Roman Der Reisende beschreibt Ulrich Alexander Boschwitz die Odyssee des Juden Otto Silbermann, eines Berliner Kaufmanns, der im November 1938 — also in den Tagen nach der Kristallnacht — versucht, sich unsichtbar zu machen, indem er immerfort neue Züge besteigt. Dank Toledo konnte ich zumindest einigen seiner Spuren folgen.

Vor allem verbrachte ich jedoch die zwei Novemberwochen damit, an meiner Übersetzung des ebenfalls neulich wiederentdeckten Originaltexts von Arthur Koestlers Sonnenfinsternis zu arbeiten. In meinem Moabit-Toledo hatte der tägliche Umgang mit der Sprache eine auffrischende Wirkung. Außerdem half mir der Aufenthalt sehr, die Stimmen in den Sätzen deutlicher hören zu können. Und um eben diese Stimmen geht es.

Jetzt, dank TOLEDO, ist die neue englische Fassung von Darkness at Noon erschienen. Und nun geht’s zurück zu Der Reisende. Und hoffentlich werde ich selber bald wieder nach Toledo reisen können.