ViceVersa: Deutsch-Persische Werkstatt
12.–18. November 2017
Literarisches Colloquium Berlin
Große Begeisterung bei der ersten ViceVersa Deutsch-Persisch-Werkstatt
Funktioniert die Welt der DDR für iranische Leserinnen und Leser ohne Fußnoten im Zieltext? Wird ein Bestseller im Iran automatisch einer in Deutschland? Ist Nachdichtung von Lyrik die geringere Herausforderung als eine möglichst wortgetreue Übertragung? Wie wird man ausgeprägter Umgangssprache am besten gerecht? Und was tun, wenn eine Wortschöpfung sich einer Übertragung in die Zielsprache partout entzieht?
Mit solchen und vielen ähnlichen Fragen beschäftigt sich gewiss jede ViceVersa-Werkstatt. Die Deutsch-Persische aber bot im November 2017 erstmals überhaupt Gelegenheit zu Erfahrungsaustausch und konstruktiver Textkritik. In sehr entspannter Atmosphäre wurden anhand der erfreulichen Bandbreite der Textgattungen Einzelfragen diskutiert, Zweifelsfälle geklärt, Anregungen und Hintergrundinformationen geliefert. Daran, dass die Runde bis zur letzten Minute konzentriert bei der Sache war, hatten die einzigartigen Rahmenbedingungen gehörigen Anteil: angefangen bei den Räumlichkeiten vor der malerischen See-Kulisse, über die einfalls- und abwechslungsreichen kulinarischen Glanzpunkte, bis hin zu motivierenden Spaziergängen, einem Theaterbesuch und sehr anregenden Lesungen im LCB.
Angesichts eines in Iran wenig beliebten Berufsverbands, aufgrund fehlender Förderinstitutionen und dem Mangel an Fortbildungsmöglichkeiten kam der ersten deutsch-persischen Übersetzerwerkstatt fast eine Pionierrolle zu. Sie hat vor allem den Grundstein für einen stetigen Erfahrungsaustausch gelegt, hat die iranischen Kolleginnen und Kollegen unter anderem darin bestärkt, sich weiterhin für den fairen Umgang iranischer Verleger mit Urheberrechten einzusetzen, hat allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern erneut bewusst gemacht, wie wichtig die Sicherung literarischer und sprachlicher Qualität ist. Gute Übersetzungsleistungen in beiden Sprachrichtungen sind bisher weder auf dem deutschen noch auch auf dem iranischen Buchmarkt in wünschenswertem Maß zu finden. So stellt sich neben dem Erfordernis der kontinuierlichen Fortbildung die Aufgabe der Nachwuchsförderung, weil es schade wäre, wenn der deutschsprachigen Leserschaft der Zugang zu guter iranischer Literatur verwehrt bliebe. Und wie wäre dem seit jeher großen Interesse iranischer Leserinnen und Leser an deutscher - und internationaler - Literatur besser Rechnung getragen als durch hochwertige Übersetzungen?
Alle Beteiligten waren sich einig: Diese erste Deutsch-Persisch-Werkstatt hat viel gebracht, und man wünscht sich weitere - vielleicht sogar mit afghanischer oder tadschikischer Beteiligung? Fürs Erste haben zwei Teilnehmerinnen bereits konkret die Zusammenarbeit an mindestens einem Übersetzungs-Projekt geplant.