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Unschöne Namen

Eine Antwort auf Amalija Mačeks RundUmschau-Beitrag Beauty

Amalija Mačeks Beitrag in der RundUmschau bringt die „Coverdiskussion“ auf einen neuen Höhepunkt: Aus „gestalterischen bzw. ästhetischen Gründen“ verzichten slowenische Verlage vermehrt auf die Nennung von Übersetzern auf dem Cover, schreibt sie, obwohl diese dort zuvor durchaus zu finden waren. Sind Übersetzernamen plötzlich der hässliche Fleck auf dem sauberen Tischtuch, das Verlage mit ihren Umschlägen ausbreiten? Wer soll denn an der Tafel Platz nehmen und wer kommt in die Küche? Und welche Sprache soll dort jeweils gesprochen werden? Um es gleich vorwegzunehmen: Die „Beauty“ eines Covers hängt sicher nicht von seinem Minimalismus ab, sonst wäre es auch ohne Verlagslogo schöner. Eher ist hier wohl vom Geschäft um Aufmerksamkeit die Rede. Und vielleicht um Intimität. Die ja auch schön sein kann.

Einer, der da hierzulande mit offeneren Karten spielt, ist Hanser-Verleger Jo Lendle. Er erkennt alle Argumente an, die für eine Kennzeichnung unserer dialogischen Schreibpraxis auf dem Cover sprechen: die Autorschaft für das neue Sprachkunstwerk; die Poetik, die eine Übersetzung „undercover“ auch dem Original unterschiebt; die Übersetzung als eigene literarische Gattung, die mit ihrer Erweiterung der Trias Autor-Erzähler-Figur eine eigene Art von Literaturkritik, aber auch von Literaturtheorie und -geschichte nötig macht ... Gleichzeitig sieht er aber ein weiteres Argument als gewichtiger an als alle anderen: Ein Cover sei kein Ort der Wahrheit, sondern des Marketings, erklärte er etwa auf der Jahrestagung des VdÜ 2019 und noch einmal bei einer Veranstaltung zum Thema im Übersetzerzentrum der Frankfurter Buchmesse 2022. Man verkaufe die Autorenmarke und sonst nichts. Dass diese Marken natürlich zu einem Teil von Übersetzenden mitgeprägt und durch deren Arbeit erst lesbar werden und Autor·innen das anerkennen – wie die US-amerikanische Kampagne #TranslatorsOnTheCover zeigt, die bereits 2700 Schriftsteller·innen signiert haben –, spielt dabei leider keine Rolle. Denn „es hat sich gezeigt, dass sich Reduktion auf dem Cover besser verkauft“.

Hier schließt sich der Kreis zu den slowenischen Verlagen. Dennoch erstaunt mich diese Aussage. Aus meiner früheren Tätigkeit als Dramaturgin weiß ich, wie spekulativ Prognosen zu Verkäufen sind. Ob es dazu denn Zahlen oder Erfahrungen gebe, frage ich Jo Lendle deshalb nach der Veranstaltung. „Uns fehlt natürlich der unmittelbare Vergleich der beiden Alternativen“, antwortet er entwaffnend transparent. Woraufhin sich das Gespräch zu einem offenen Austausch über Interessen und Perspektiven fortspinnt. Denn selbst innerhalb der Marktlogik scheint mir: Die Zeiten ändern sich. Wir leben in einer Welt, in der die unterschiedlichsten Gerechtigkeits- und Teilhabedebatten geführt werden. Ist es da nicht schlicht anachronistisch, die schöpferische Arbeit von Übersetzenden zu verwerten und ihnen zugleich die Sichtbarkeit zu verweigern? Kurz, würde sich „fair“ nicht auch besser verkaufen? Jo Lendle stimmt zu: „Ja, wenn es ein ‚fair‘-Siegel gäbe …“

Wirtschaftlichkeit und Gerechtigkeit gegenüber Urhebern müssen sich nicht ausschließen. Ein Fairness-Label für Bücher könnte neben der Übersetzernennung auch für die Einhaltung von Mindesthonoraren stehen. Zukünftig wird wohl auch die Frage, ob eine Übersetzung durch KI oder in „Handarbeit“ angefertigt wurde, der Kennzeichnung bedürfen – eine neue Chance, das gleich per Namensnennung zu erledigen? Was wäre das Äquivalent von „ohne Gentechnik“, „bio“ und „fair“ in der Buchbranche? Und wer würde diese Label derzeit bekommen?

Oder geht es, noch einmal undercover, noch um etwas ganz anderes? 2015 hielt Frank Heibert für das ilb 2015 den hellsichtigen Festvortrag Der unsichtbare Dritte. Darin hieß es: „Wir wollen die Illusion, einem Original und dessen Autor ganz nahe zu kommen. Und diese Illusion wollen wir uns ebenso wenig kaputtmachen lassen wie die Nähe; man stelle sich vor, auf einmal steht zwischen dem Autor und mir ein unbekannter, bislang unsichtbarer Dritter – er steht im Weg, sonst nichts.“ Zweisamkeit sells? Dann müssten wir über Intimes reden.

Zum selben Thema siehe auch: „Wohin mit den Koautoren?“  sowie „Übersetzer*innennamen müssen aufs Cover“

13.07.2023
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©Michael Donath

Claudia Hamm fand ihren Weg zum Literaturübersetzen über die Theaterregie, die Performance, das Schreiben von Bühnentexten und Essays und jahrelange Aufenthalte in Mexiko, Chile, Frankreich und Italien. Sie arbeitete als Dramaturgin am Burgtheater Wien und als Regisseurin an verschiedensten Theatern und Festivals in Frankreich, Italien und im deutschsprachigen Raum. Für ihre Übersetzungen – z.B. der Werke von Emmanuel Carrère, Édouard Levé, Joseph Andras und Nathalie Quintane – erhielt sie zahlreiche Stipendien, war für den Übersetzerpreis der Leipziger Buchmesse und den Christoph-Martin-Wieland-Preis nominiert und erhielt 2016 den Übersetzerpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft. Hier und da leitet sie Seminare und Werkstätten zum Literaturübersetzen (etwa am Literaturinstitut Hildesheim oder im Rahmen des George-Arthur-Goldschmidt-Programms) und ist Mitgründerin des Festivals translationale berlin.

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