TOLEDO TALKS
Welche Themen bewegen Übersetzer·innen heute - hierzulande und in aller Welt?
TOLEDO TALKS öffnet einen neuen Raum für den Erfahrungsaustausch.
TOLEDO TALKS setzt Debatten in Gang, die für die internationale Übersetzer·innen-Gemeinschaft von Aktualität sind.
Mit TOLEDO TALKS laden wir Übersetzer·innen dazu ein, ihre Erfahrungen und Beobachtungen zu gegenwartsbezogenen Themen mit uns zu teilen – in Form von Essays, Geschichten, Plädoyers.
TOLEDO TALKS lässt Übersetzer·innen als gesellschaftliche Akteure in Erscheinung treten, bringt ihr Wissen ein in internationale Diskurse.
TOLEDO TALKS startete im Rahmen von „Sommerakademie, später“ am 18. Dezember 2020 mit der Reihe „Berührungsängste“ – in Kooperation mit dem Literarischen Colloquium Berlin. Im September 2021 startete die Reihe „Staying alive“ zum Thema Neuübersetzung.
Let’s talk about translation!
Aktuell werden die TOLEDO TALKS gefördert durch das Programm „Neustart Kultur“ der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien.
Welche Themen bewegen Übersetzer·innen heute - hierzulande und in aller Welt?
TOLEDO TALKS öffnet einen neuen Raum für den Erfahrungsaustausch.
TOLEDO TALKS setzt Debatten in Gang, die für die internationale Übersetzer·innen-Gemeinschaft von Aktualität sind.
Mit TOLEDO TALKS laden wir Übersetzer·innen dazu ein, ihre Erfahrungen und Beobachtungen zu gegenwartsbezogenen Themen mit uns zu teilen – in Form von Essays, Geschichten, Plädoyers.
TOLEDO TALKS lässt Übersetzer·innen als gesellschaftliche Akteure in Erscheinung treten, bringt ihr Wissen ein in internationale Diskurse.
TOLEDO TALKS startete im Rahmen von „Sommerakademie, später“ am 18. Dezember 2020 mit der Reihe „Berührungsängste“ – in Kooperation mit dem Literarischen Colloquium Berlin. Im September 2021 startete die Reihe „Staying alive“ zum Thema Neuübersetzung.
Let’s talk about translation!
Aktuell werden die TOLEDO TALKS gefördert durch das Programm „Neustart Kultur“ der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien.
- Verfasser·in
- Ali Abdollahi
- Nantana Anuntkosol
- Shoko Asai
- Christos Asteriou
- Marcelo Backes
- Bernard Banoun
- Susan Bernofsky
- Pieke Biermann
- Charlotte Birkner-Behlen
- Florian Bissig
- Ulrich Blumenbach
- Rike Bolte
- Charlotte Bomy
- Eva Bonné
- Ganna-Maria Braungardt
- Alida Bremer
- Jan Brokof
- Claudia Cabrera
- José Aníbal Campos
- Margherita Carbonaro
- Tomás Cohen
- Isabel Fargo Cole
- Claudia Dathe
- Nicola Denis
- Valentina di Rosa
- Ricardo Domeneck
- Daniela Dröscher
- Michael Ebmeyer
- Urs Engeler
- Radna Fabias
- Moeen Farrokhi
- Logan February
- Roberta Gado
- Karoline Georges
- Maximilian Gilleßen
- Gadi Goldberg
- Mandy Gratz
- Kübra Gümüşay
- Claudia Hamm
- Tanja Handels
- Hadija Haruna-Oelker
- Frank Heibert
- Iryna Herasimovich
- Sandra Hetzl
- Günter Hirt
- Simone Homem de Mello
- Lenka Horňáková Civade
- Mahmoud Hosseini Zad
- Carla Imbrogno
- Jayashree Joshi
- Julia Kaminskaja
- Josée Kamoun
- Gioia Kayaga
- Patricia Klobusiczky
- Anna Kove
- Marion Kraft
- Christina Kunze
- Alexandros Kypriotis
- Christiane Körner
- Erwin Köstler
- Jean-René Lassalle
- Gabriele Leupold
- Tess Lewis
- Georg Leß
- Isabelle Liber
- Christophe Lucchese
- Camille Luscher
- Stéphanie Lux
- Olivier Mannoni
- Amalija Maček
- Clemens Meyer
- Abdulkadir Musa
- Aljonna Möckel
- Lena Müller
- Ton Naaijkens
- Gulnoz Nabieva
- Chrystyna Nazarkewytsch
- Iwona Nowacka
- Lídia Nádori
- Karen Nölle
- Alexandre Pateau
- Tanja Petrič
- Douglas Pompeu
- Steffen Popp
- Oliver Precht
- Kerstin Preiwuß
- Alta L. Price
- Katharina Raabe
- Olga Radetzkaja
- Thomas Reschke
- Jayrôme Robinet
- Annie Rutherford
- Subroto Saha
- Nico Sauer
- Gábor Schein
- Bradley Schmidt
- Marina Skalova
- Donna Stonecipher
- Melanie Strasser
- Madeleine Stratford
- Uda Strätling
- Yoko Tawada
- Sami Tchak
- Rosemarie Tietze
- Julie Tirard
- Beate Tröger
- Anja Utler
- Nelia Vakhovska
- David Wagner
- Cécile Wajsbrot
- Lisa Wegener
- Thomas Weiler
- Uljana Wolf
- Sascha Wonders
- Zhijun Yang
- Judith Zander
- Érica Zíngano
- Autor·in
- Swetlana Alexijewitsch
- Alhierd Bacharevič
- Honoré de Balzac
- Yevgenia Belorusets
- Andrej Belyj
- Elizabeth Bishop
- Andrej Bitow
- Michail Bulgakow
- Kir Bulytschow
- Emmanuel Carrère
- Igor Cholin
- Haroldo de Campos
- Najat El Hachmi
- Karoline Georges
- Lidia Ginsburg
- Amanda Gorman
- Byung-Chul Han
- Christian Hawkey
- Wolfgang Hilbig
- Sophie Hunger
- Ilja Ilf
- Franz Kafka
- Ralph Leonard
- Ben Lerner
- Audre Lorde
- Curzio Malaparte
- Ossip Mandelstam
- Viktor Martinowitsch
- Friederike Mayröcker
- Clemens Meyer
- Toni Morrison
- Wsewolod Nekrassow
- George Orwell
- Jewgeni Petrow
- Andrej Platonow
- Dmitri Prigow
- Alexander Puschkin
- Adèle Rosenfeld
- Lew Rubinstein
- Pawel Salzman
- Warlam Schalamow
- Anna Seghers
- Wladimir Sorokin
- Michail Soschtschenko
- Arkadi Strugatzki
- Boris Strugatzki
- Ziemowit Szczerek
- Tatjana Tolstaja
- Alexei Tolstoi
- Lew Tolstoi
- Ljudmila Ulitzkaja
- David Foster Wallace
- Oscar Wilde
- Uljana Wolf
- Serhij Zhadan
- Sprache Beitrag
- brasilianisches Portugiesisch (português brasileiro)
- Chinesisch
- Deutsch
- Englisch (english)
- Französisch (français)
- Marathi
- Polnisch (polska mowa)
- shqip
- Slowenisch (slovenščina)
- Spanisch (español)
- Thailändisch
- Ukrainisch (українська)
- עברית
- Land
- Albanien
- Argentinien
- Belarus
- Brasilien
- Chile
- China
- Cuba
- Deutschland
- England
- España
- Frankreich
- Griechenland
- Indien
- Iran
- Italien
- Japan
- Kanada
- Kolumbien
- Libanon
- Mexiko
- Polen
- Québec
- Russland
- Schweiz
- Slowenien
- Thailand
- Ukraine
- Ungarn
- USA
- Usbekistan
- Österreich
- Schlagworte
- 2. Weltkrieg
- 1920er Jahre
- afroamerikanische Literatur
- AI
- Amanda Gorman
- Antropofagia
- Audre Lorde
- Avantgarde
- Belarus
- Berlin
- bildende Kunst
- Brasilien
- China
- Dante
- DDR
- Dialekt
- Diversität
- Erinnerung
- Expressionismus
- farsi
- Feminismus
- Frauenbild
- Gehörlosigkeit
- Gender
- Gewalt
- Holocaust
- Homophobie
- Horror
- Identität
- Indigene Literatur
- Intersektionalität
- Iran
- Islam
- Italien
- Kafka
- KI
- Kindheit
- Klang
- Klasse
- Klassiker
- Kolonialismus
- Kolumbien
- Kulturelle Aneignung
- Legitimität
- Literaturbetrieb
- Lyrik
- Manifest
- Märchen
- namethetranslator
- Neuübersetzung
- Performance Art
- Poesie
- Polen
- Postkolonialismus
- Pseudonym
- Queer
- Québec
- race
- Rassismus
- RundUmschau
- Russland
- Schweiz
- Sensitivity Reading
- Slang
- Slowenien
- Stille Post
- Stimme
- Tempus
- Thailand
- Theater
- Toni Morrison
- Trans*
- Trauer
- TUPI OR NOT TUPI
- UK
- Ukraine
- Underground
- USA
- Utopie
- Video
- Werke & Tage
- woke
- Zensur
- Übersetzungskultur
Zur Neuübersetzung von Toni Morrisons Romanen „Sehr blaue Augen“ und „Beloved“
Tanja Handels übersetzt mehrere Romane von Toni Morrison neu. Am Beispiel der Übersetzung von „Sehr blaue Augen“ und „Beloved“ berichtet sie von der Verantwortung, die sie bei den Übersetzungen verspürt, vom Privileg, Toni Morrison jetzt in den 2020ern neu zu übersetzen und vom Glück, in den Chor der deutschsprachigen Übersetzer·innen der Literatur-Nobelpreisträgerin einzustimmen.
Zur Neuübersetzung von Curzio Malaparte, „Die Haut“
Curzio Malapartes epochaler Roman „Die Haut“ über das Kriegsende in Italien erschien im Original 1949, in erster deutscher Übersetzung 1950. Über 70 Jahre später erscheint nun eine Neuübersetzung von Frank Heibert. Eindrücklich berichtet Heibert von den Herausforderungen dieser Übersetzung, von seiner ambivalenten Haltung gegenüber dem schillernden, aber nicht unbedingt sympathischen Autor und davon, was es braucht „in dem vom Autor hochgezogenen [Text]gebäude zu wohnen und es zu übersetzen.“
In der RundUmschau widmen wir uns internationalen Debatten und Neuigkeiten rund um das literarische Übersetzen. In dieser Ausgabe erreichen uns Ein- und Ausblicke aus China, dem Vereinigten Königreich, Thailand und der Schweiz.
Anlässlich des Besuchs eines Panels zum Übersetzen inklusiver Sprache beim tschechischen Literaturfestival Svět knihy Praha macht sich der*die schottische Übersetzer*in Annie Rutherford Gedanken um sprachspezifische Besonderheiten genderneutraler Sprache und darüber, inwiefern Übersetzer*innen dazu beitragen können, diese zu normalisieren.
Eine Reflexion am Tag der thailändischen Übersetzer·innen und Dolmetscher·innen
Im Juni 2024 wurde der 17. Tag der Übersetzer·innen und Dolmetscher·innen vom thailändischen Übersetzer- und Dolmetscherverband gefeiert. Das zentrale Thema der Tagung war die Künstliche Intelligenz: Gefährdet die KI den Übersetzer·innenberuf, oder ist sie ein wertvolles Werkzeug? Gibt es beim Umgang mit der KI besondere Herausforderungen for literarische Übersetzer·innen? Die thailändische Übersetzerin Nantana Anuntkosol berichtet für die RundUmschau.
Gender, Übersetzung und Zensur im zeitgenössischen chinesischen Theater
Die Rolle der Frauen – sei es als Autorinnen, Regisseurinnen oder Schauspielerinnen – ist in China bis heute ein Tabuthema. Zhijun Yang berichtet von den Bestrebungen der Zensur, alles Weibliche aus Texten zu herauszustreichen und von den Hürden, die sich auftun, wenn Stücke radikal feministischer Dramatikerinnen in China auf die Bühne gebracht werden sollen.
Ein Besuch der Solothurner Literaturtage, der Werkschau des Schweizer Literaturschaffens, gibt Aufschluss darüber, wie Autor·innen und Übersetzer·innen ihre Mehrsprachigkeit in kreativer Weise nutzen.
»Ein Wort steht im Weg wie ein Tier und ich kann nicht weitergehen: „Ungeziefer“. Vielleicht ist es ein sogenanntes Kollektivum, bei dem das Schicksal der einzelnen Kakerlaken oder Ratten nicht zählt. Bei Kafka geht es aber gerade um ein einziges Ungeziefer, das keinen Artgenossen hat.«
„Manchmal fühlt es sich an, als hätte ich sie gegessen.
Manchmal denke ich, ich wäre ein Kannibale.“
Aus der Erfahrung einer Lebertransplantation sucht David Wagner andere Bedeutungsebenen der Anthropophagie und liest einen Roman, in dem ein Mensch aus Liebe verspeist wird.
"Sometimes it feels as though I've eaten them.
Sometimes I think I'm a cannibal."
Drawing on his experience of a liver transplant, David Wagner searches for alternative meanings of anthropophagy and reads a novel in which someone is eaten out of love.
piranha (etim. - peixe dentado) (s.) – PIRA-
NHA, o mesmo que pirãîa (v.) (Lisboa, Hist.
Anim. e Árv. Do Maranhão, fl. 173)
PIRANHA, tisoura; peixe de dentes muito
cortantes.
„Den Begriff des Kannibalismus, oder aufgehübscht, der Anthropophagie, fand ich immer unverdaulich, in erster Linie, weil die als Kannibalen Bezeichneten nie eine Chance hatten, Stellung zu beziehen. Und ich weiß nicht, warum ich einen Text, den ich übersetze, verschlingen, verdauen, in anderer Form wieder herausspucken sollte?“ – fragt sich Odile Kennel bei ihrer Nachdichtung des Gedichts i-juca piranha von Érica Zíngano, welches selbst auf vielfältige Weise mit dem TUPI-Begriff spielt.
Mit Mychail Semenko, Mykola Chwyljowyj und Majk Johansen stellt Claudia Dathe drei Protagonisten der avantgardistischen Bewegungen der Ukraine vor, die für die künstlerischen Widerstands- und Erneuerungsstrategien der 1920er Jahre stehen. Dathe betrachtet die damaligen Bestrebungen, sich von den kolonialen Praktiken Russland loszusagen durch das Prisma der Antropofagia und stellt so erhellende, neue Bezüge her.
Claudia Dathe introduces Mychail Semenko, Mykola Chwyljowyj und Majk Johansen, three protagonists of the Ukrainian avant-garde movement who showcase artistic strategies of resistance and renewal in 1920s Ukraine. Through the prism of anthropophagy, Dathe considers their attempts to break with Russia’s colonial practices and thereby establishes new, illuminating connections.
Ein Mosaik mit anthropophagischen Motiven
Anhand von Beispielen aus der belarussischen Kunstszene ergründet Iryna Herasimovich das revolutionäre Potenzial von Anthropophagie und beschreibt im Gegenzug die kannibalischen Eigenschaften eines diktatorischen Systems, das in die intimsten Lebensbereiche der Menschen eindringt. Herasimovich stellt verschiedene anthropophagische „Überlebensmodi“ dar und erarbeitet ein Verständnis von Anthropophagie als Konzept zwischen Erstarrung und Einverleibung. Eine herzliche „Einladung zum Überwinden der gewohnten Denkschranken“.
A mosaic with anthropophagic motifs
Drawing on examples from the Belarussian arts scene, Iryna Herasimovich explores the revolutionary potential of anthropophagy and describes in turn the cannibalistic characteristics of a dictatorial system which penetrates the most intimate areas of people’s lives. Herasimovich’s essay showcases various anthropophagical “modes of survival” and works towards an understanding of anthropophagy between assimilation and ossification. A hearty invitation to “overcome our habitual limitations of thought”.
Patricia Klobusiczky nähert sich dem Konzept der Anthropophagie, das zunächst in ihrer Lebens- und Lesenswelt nicht vorzukommen scheint. Bei näherem Hinsehen begegnet es ihr plötzlich überall und präsentiert sich gar als eine Art Universalschlüssel zum Weltverständnis. Eine Variation der antropofagiá zwischen Abscheu und Faszination, Einverleibung und Einverliebung.
Patricia Klobusiczky takes a closer look at anthropophagy, a concept she initially thinks has nothing to do with her life. But on closer inspection, it turns out it’s everywhere – and even offers a kind of skeleton key to understanding the world. A reflection on antropofagiá which hovers between horror and fascination, incorporation and infatuation.
A Recipe for Performance Translation
Logan Febuary reflects on their consumption and transfiguration of Marina Abramović’s works through their own art and writing. February describes their artistic and academic relationship to Abramović’s work as “a form of ekphrastic translation”. In particular, the 1997 performance Spirit Cooking is an inspiration, a template for presenting pain and violence as art, on the artist’s own terms. Drawing on influences from Abramović to Sakaya Murata and other essays in this series, February explores the subversive, queer and empowering potential of different forms of cannibalistic ceremonies.
Ein Rezept fürs Performance-Übersetzen
Logan February reflektiert das Konsumieren und die Umgestaltung der Werke Marina Abramovićs in seiner·ihrer Kunst und Schreiben. Die eigene künstlerische und akademische Beziehung zum Werk der Performance-Künstlerin beschreibt February als „eine Art ekphrastische Übersetzung“. Insbesondere die Spirit Cooking-Performance (1997) hat February inspiriert; sie ist eine Vorlage, um Schmerz und Gewalt als Kunst darzustellen, und zwar nach den Bedingungen der Künstler·in selbst. Anhand Marina Abramović, der Schriftstellerin Sakaya Murata und anderen Essays dieser Reihe erforscht February das subversive, queere und ermächtigende Potential verschiedener Formen kannibalistischer Zeremonien.
Mit Skepsis und Humor blickt Uljana Wolf auf die Kannibalismustrope, die in der literarischen Übersetzungstheorie der letzten Jahre als dekoloniale Figur interpretiert wird. Bei der Betrachtung der Bilder Tarsila do Amarals erkennt sie eine Kontinuität der kolonialen Perspektive der Antropofagia. Uljana Wolfs Blick richtet sich auf Lygia Clarks Performance »Baba Antropofágica« (1969), in der Fäden aus einem Mund abgespult werden. Das Abspulen eines Fremdkörpers aus dem eigenen Mund – eine anti-anthropophagische Analogie zur eigenen Übersetzungspraxis?
Uljana Wolf considers the trope of cannibalism as a decolonial motif in translation theory with scepticism and humour. In her contemplation of Tarsila do Amaral’s paintings, she identifies a continuation of the colonial perspective of Antropofagia. Wolf’s gaze turns to Lygia Clark's Performance “Baba Antropofágica” (1969), in which threads are unwound from a mouth. The unwinding of a foreign body from one's own mouth – an anti-anthropophagic analogy to one’s own translation practice?
In der RundUmschau widmen wir uns internationalen Debatten und Neuigkeiten rund um das literarische Übersetzen. In dieser Ausgabe erreichen uns Ein- und Ausblicke aus der Schweiz, dem Iran und der Ukraine.
Moeen Farrokhi schreibt über den Kreislauf von Hoffnung und Verzweiflung, den Generationen von Literaturübersetzer·innen im Iran im Laufe ihres Arbeitslebens durchlaufen und warum – trotz unberechenbarem Zensurapparat im Rücken – weiter gelesen, geschrieben und übersetzt wird.
Chrystyna Nazarkewytsch berichtet über die Rolle, die das Krymtatarische in der ukrainischen Aktualität spielt und über Anastasija Lewkowas großen „Krymroman“ Hinter Perekop liegt Land, der im vergangenen Jahr zu einem der wichtigsten literarischen Ereignisse in der Ukraine wurde.
Ausgehend von seiner Teilnahme am Übersetzungssymposium des Verbands der Autorinnen und Autoren Schweiz denkt Florian Bissig über das Selbstverständis von Übersetzer·innen in Zeiten von maschineller Übersetzung nach und stellt sich die Frage der kulturellen und gesellschaftspolitischen Relevanz des Übersetzens.
Einige Informationen zum Kannibalismusmotiv im Horrorfilm sowie zu den Ernährungsgewohnheiten kriegerischer Putten
Wenig überraschend, dass der Kannibalismus auch im Horrorfilm seinen Facettenreichtum zeigt. Georg Leß erstellt im Folgenden einen Leitfaden für Neueinsteiger·innen.
Some information on the motif of cannibalism in horror films and on the eating habits of warlike putti
It's no surprise that horror films also showcase the multifacetedness of cannibalism. Georg Leß offers a guide for the unitiated.
A tradução literária e o pensamento selvagem
Anhand einer surrealen Episode aus dem Buch Macunaíma. Der Held ohne jeden Charakter (1928) reflektiert Douglas Pompeu seine eigene Übersetzerische Praxis. Wie übersetzen wir, wenn der Text ein Fremdkörper ist? Douglas Pompeu führt uns in einen Grenzbereich zwischen Heimat und Ferne, Körper und Fremdkörper - und zeigt uns Sprache als ein Stück Fleisch, das geschluckt und, verdaut oder auch nicht, wieder ausgespuckt wird.
Die literarische Übersetzung und das wilde Denken
Anhand einer surrealen Episode aus dem Buch Macunaíma. Der Held ohne jeden Charakter (1928) reflektiert Douglas Pompeu seine eigene übersetzerische Praxis. Wie übersetzen wir, wenn der Text ein Fremdkörper ist? Douglas Pompeu führt uns in einen Grenzbereich zwischen Heimat und Ferne, Körper und Fremdkörper – und zeigt uns Sprache als ein Stück Fleisch, das geschluckt und, verdaut oder auch nicht, wieder ausgespuckt wird.
Literary Translation and Wild Thinking
Based on a surreal episode from the book Macunaíma. The Hero Without a Character (1928), Douglas Pompeu reflects on his own translation practice. How do we translate when the text is a foreign body? Douglas Pompeu leads us into a border area between home and distance, body and foreign body – and shows us language as a piece of meat that is swallowed and, digested or not, spat out again.
„Quallen haben keine Ohren“ von Adèle Rosenfeld ist ein Roman, in dem durch das schwindende Hörvermögen der Protagonistin die Sprache bröckelt. Julie Tirard unterhält sich mit der Übersetzerin des Buchs, Nicola Denis, wie in diesem Roman eine Hörbeeinträchtigung poetisch transzendiert wird und welche Herausforderungen dies beim Übersetzen mit sich bringt. Ein Gespräch über Münder, über das Singen und über lange Tische.
On Translating Infinite Jest into Farsi
Iranian translator Moeen Farrokhi describes how grieving his literary mentor came together with the mammoth task of translating David Foster Wallace's Infinite Jest into Farsi. Via Twitter and a mailing list, a network of Wallace translators from around the world emerged.
Über das Übersetzen von Infinite Jest ins Farsi
Der iranische Übersetzer Moeen Farrokhi beschreibt, wie sein Trauern um einen literarischen Mentor mit der Mammutaufgabe der Übersetzung von David Foster Wallace‘ Infinite Jest ins Farsi zusammenfiel. Über Twitter und eine Mailingliste entspann sich ein Austausch zwischen Wallace-Übersetzern aus aller Welt – zu denen auch Ulrich Blumenbach gehört, dessen Unendlicher Spaß 2009 bei Kiepenheuer & Witsch erschien. Für TOLEDO hat Ulrich Blumenbach Moeen Farrokhis Essay ins Deutsche übersetzt.
Digitales Atelier zu Kannibalismus
VOOO ist der digitale Werkstattraum des Literarischen Colloquium Berlin und bietet Platz für kollaborative Recherchen, gemeinsame Arbeiten, sozialen Austausch und Präsentationen. Zum Auftakt im August 2023 wurde – in Anlehnung an die TOLEDO TALKS-Reihe – ein digitales Atelier zu Kannibalismus eröffnet.
Eine Wiederbegegnung mit Toni Morrisons Tar Baby
Toni Morrisons Tar Baby erschien 1982 zum ersten Mal in deutscher Sprache, in der Übersetzung von Uli Aumüller und Uta Goridis. Nun veröffentlicht der Rowohlt Verlag den Text in neuer Auflage, sprachlich überarbeitet und aktualisiert von Marion Kraft. Was genau das bedeutet, zeigt Marion Kraft in ihrem Beitrag: Mit sprachlichem Feingefühl kreiert sie einen Text, der den wichtigen Kontext der Tar Baby Folktales und die Besonderheiten des Black Vernacular English würdigt. Dabei reflektiert sie Bewegungen der Übersetzungstheorie seit der Erstveröffentlichung vor über 40 Jahren.
»Ein kleiner, hagerer Mann mit einem abgetragenen, dunkelgrünen Anzug, leuchtend rotem Bart und einem weit über den Kopf gezogenen Strohhut steigt auf dem Praça da Sé in São Paulo aus einem Reisebus. Er wird von einer Person ähnlicher Körpergröße, breiter gebaut, mit einer luftigen Tunika, europäisch gearbeiteten Lederschuhen, haarlosem Kinn, dunklen, leuchtenden Augen und einem braunen Der Pate-Hut, unter dem ein schwarzer, geflochtener Zopf hervorschaut, per Handschlag begrüßt. Gemeinsam gehen sie in eine nahegelegene Lagerhalle.«
"A slight, gaunt man in a dark green threadbare suit disembarks from a coach at Praça da Sé in São Paulo. He has a bright red beard and a broad straw hat pulled down firmly on his head. Someone comes to greet him with a handshake. This person is a similar height, though somewhat broader, and is wearing an airy tunic and European leather shoes. He has a smooth chin, bright eyes, and a black plait peeking out from beneath a Godfather hat. Together they stroll to a nearby warehouse."
Haroldo de Campos: Cadavrescrito (Galáxias) – Übersetzung und Kommentar
Die galáxias von Haroldo de Campos (1929-2003) lassen sich nicht übersetzen. Charlotte Birkner-Behlen und Mandy Gratz haben es trotzdem getan und stellen hier ihre Übersetzung von cadavrescrito vor.
Uma reflexão sobre a transmissão de conceitos-chave das duas vanguardas modernas brasileiras
In her article, Simone Homem de Mello recaps central episodes in the transmission of the term “Anthropophagia” in Brazilian cultural history since the sixteenth century. In doing so, she explores metaphoric and metonymic displacements which have taken place during the passing on of the image of cannibalism, and questions the discrepancies between the discourse on this cultural phenomenon with the related literary and translatory praxis.
Eine Reflexion über die Weitergabe von Schlüsselkonzepten der beiden brasilianischen Avantgarden der Moderne
In ihrem Artikel rekapituliert Simone Homem de Mello zentrale Episoden der Überlieferung des Antropofagia-Begriffs in der brasilianischen Kulturgeschichte seit dem sechzehnten Jahrhundert. Dabei lotet sie metaphorische und metonymische Verschiebungen aus, die bei der Tradierung des Kannibalismus-Bildes stattgefunden haben, und hinterfragt die Diskrepanzen zwischen dem Diskurs zu dieser Kulturtechnik und der mit ihr verbundenen literarischen und übersetzerischen Praxis.
A reflection on the transmission of key concepts from the two modern Brazilian vanguards
In her article, Simone Homem de Mello recaps central episodes in the transmission of the term “Anthropophagia” in Brazilian cultural history since the sixteenth century. In doing so, she explores metaphoric and metonymic displacements which have taken place during the passing on of the image of cannibalism, and questions the discrepancies between the discourse on this cultural phenomenon with the related literary and translatory praxis.
In der RundUmschau widmen wir uns internationalen Debatten und Neuigkeiten rund um das literarische Übersetzen. In dieser Ausgabe erreichen uns Ein- und Ausblicke aus Kolumbien, Indien und den USA.
„In der Literaturwissenschaft dieses sprachenreichen Landes ist Übersetzung als einheitliches, fertiges Konzept nie postuliert worden.“ Jayashree Joshi beschreibt, welche Rolle das Englische im indischen Übersetzungskosmos spielt, wie der Booker-Preis für ein aus dem Hindi ins Englische übersetztes Buch der indischen Übersetzungsszene Aufwind verschaffte, und wie sich der renommierte JCB-Literaturpreis mehr und mehr übersetzten Büchern öffnet.
(Ökologische) Überlegungen zu zukünftigen Übersetzungsbedingungen
Rike Bolte berichtet vom Skandal, dass selten aus indigenen in hegemoniale Literatursprachen übersetzt wird und macht sich Gedanken über eine zukünftige Übersetzungskultur: Einer neuen Ko-Existenz von übersetzenden (und zu übersetzenden) Communities und warum es dafür neue Worte braucht. Sie ruft die Zusammenhänge von Übersetzung, Techno-Ökofeminismus, dark ecology und Künstlicher Intelligenz auf, und fragt sich, welches zukünftige Klima Dichter·innen imaginieren.
Tess Lewis writes about the Manifesto on Literary Translation, published by PEN America's Translation Committee in April 2023, which, amongst other things, calls for increased visibility, sustainability, and recognition of the creative and necessary work translators do.
Tess Lewis schreibt über das im April 2023 vom Translation Committee des PEN America veröffentlichte Manifesto on Literary Translation, das unter anderem zu mehr Sichtbarkeit und Anerkennung der kreativen und notwendigen Arbeit von Übersetzer·innen aufruft.
Eine Antwort auf Amalija Mačeks RundUmschau-Beitrag Beauty
Im Februar 2023 beschrieb Amalija Maček in der RundUmschau, dass slowenische Verlage vermehrt auf die Nennung von Übersetzern auf dem Cover verzichten. In ihrer Antwort auf diesen Beitrag gibt Claudia Hamm einen Überblick, welche Gründe auf dem deutschen Buchmarkt für die Nicht-Nennung von Übersetzer·innen auf dem Cover angeführt werden und ob Bücher in Zukunft Fairness-Label tragen sollten.
Filmreihe Übersetzen. Werke und Tage
Sabine Hänsgen (geb. 1955) und Georg Witte (geb. 1952) haben die Verluste des Zweiten Weltkrieges als Teil ihrer eigenen Familiengeschichten erlebt, was zugleich das Interesse für die russische Kultur nährte. Das künftige Übersetzerduett lernte sich während des Slawistikstudiums an der Reformuniversität Bochum kennen. Die dortige Atmosphäre der Erneuerung von Forschung und Lehre und der Orientierung auf die Zeitgenossenschaft hat beide entscheidend geprägt. Als Hänsgen und Witte Anfang der 80er Jahre mit ihren Forschungsvorhaben nach Moskau gingen, fanden sie schnell den Anschluss zur inoffiziellen sowjetischen Kunst – und stürzten sich ins Übersetzen. Ihr Ziel war es, „nicht nur als Buch schriftlich zu publizieren, sondern das ganze Milieu, in den Stimmen, in den Actions und Performances, die dort stattgefunden haben, mitzuvermitteln“, sagt Georg Witte. Um die Kunstaktionen und Performances festhalten zu können, schmuggelte Sabine Hänsgen eine VHS-Kamera nach Moskau ein. „Das Ähnliche im Unähnlichen oder das Unähnliche im Ähnlichen zu entdecken“, so beschreibt sie den Ansatz, die konzeptuelle Kunst des sowjetischen Undergrounds in den westlichen Kontext einzubetten. Der ersten Publikation, dem Medienpaket „Kulturpalast“ (1984) folgten bald weitere. Das Doppel-Pseudonym des Übersetzerpaars, Günter Hirt & Sascha Wonders, einst als Schutz gegen die Zensur ausgedacht, lebte auch nach der Wende fort. Dank der Arbeit von Günter Hirt & Sascha Wonders können wir heute unter anderem die Stimmen von Igor Cholin, Wsewolod Nekrassow, Dmitri Prigow, Lew Rubinstein in deutschen Übersetzungen lesen. Wie auch für andere Kolleg·innen, die sich mit der russischen Literatur befassen, bedeutete für Hänsgen und Witte der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine 2022 einen „existentiellen Schnitt“.
Film Series Translating. Work and Days.
Sabine Hänsgen (born 1955) and Georg Witte (born 1952) experienced the losses of the Second World War as part of their own family history, which also fuelled their interest in Russian culture. The future translator duo met while studying Slavic Studies at the Reform University in Bochum. The atmosphere of renewal in research and teaching there and the focus on contemporaneity had a decisive influence on both of them. When Hänsgen and Witte went to Moscow with their research projects at the beginning of the 1980s, they quickly made contact with unofficial Soviet art - and threw themselves into translating. Their aim was "not only to publish in writing as a book, but also to convey the entire milieu in the voices, actions and performances that took place there," says Georg Witte. Sabine Hänsgen smuggled a VHS camera into Moscow to record the artistic actions and performances. "To discover the similar in the dissimilar or the dissimilar in the similar" is how she describes the approach of embedding the conceptual art of the Soviet underground in a Western context. The first publication, the media package "Kulturpalast" (1984), was soon followed by others. The double pseudonym of the translator couple, Günter Hirt & Sascha Wonders, once conceived as protection against censorship, lived on even after the end of the Soviet Union. Thanks to the work of Günter Hirt & Sascha Wonders, we can now read the voices of Igor Cholin, Vsevolod Nekrasov, Dmitri Prigov and Lev Rubinstein, among others, in German translations. For Hänsgen and Witte, the full-scale Russian invasion in 2022 meant an "existential cut", as it did for other colleagues who deal with Russian literature.
Filmreihe Übersetzen. Werke und Tage
Christiane Körner, geboren 1962, las als junge Frau „Den Mythos des Sisyphos“ von Camus und entdeckte dadurch Dostojewski. Diese Lektüre weckte in ihr die Neugier auf die russische Sprache. Nach dem Slawistikstudium ging sie Anfang der 90er Jahre als DAAD-Lektorin nach Moskau. Ihre Beziehung zu Russland war von Ambivalenzen geprägt. Sie fühlte sich emotional zu Hause, spürte jedoch zugleich die Gewalt, die die Gesellschaft durchzog. Christiane Körner begann, die Literatur dieses so widersprüchlich empfundenen Raumes als Übersetzerin zu erkunden. Mittlerweile hat sie eine breite Palette von sehr unterschiedlichen Stimmen ins Deutsche gebracht: von Avantgardisten wie Pawel Salzman bis zu postmodernen Autorinnen und Autoren wie Tatjana Tolstaja, Dmitri Prigow und Wladimir Sorokin. Ein wichtiges Anliegen war ihr, Texte zu übersetzen, die sich mit dem Zweiten Weltkrieg befassen. Dass es achtzig Jahre nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion zu einem Angriff Russlands auf die Ukraine kam, bei dem der „Kampf gegen den Faschismus“ auf pervertierte Weise als Vorwand missbraucht wird, hat sie auch in ihrem beruflichen Selbstverständnis zutiefst erschüttert.
Film Series Translating. Work and Days.
Christiane Körner, born in 1962, discovered Dostoyevski when she read Camus’s The Myth of Sisyphus as a young woman. It awakened a curiosity about the Russian language within her. After studying Slavic Studies, she went to Moscow in the early 1990s as a DAAD teacher. Her relationship to Russia was ambivalent. She felt at home emotionally, but felt the violence that pervaded Russian society. Christiane Körner began to explore the literature of her new environment, which she felt to be so contradictory, through translation. Since then, she has translated a wide range of different voices into German: from avant-garde writers like Pawel Salzman to post-modern writers like Tatyana Tolstaya, Pavel Zaltsman, Dmitri Prigov and Vladimir Sorokin. It was important to her to translate texts which dealt with the Second World War. Russia’s full-scale invasion of Ukraine eighty years after the German invasion of the Soviet Union, using the "fight against fascism" as a twisted pretext, has also deeply shaken her professional self-image.
Filmreihe Übersetzen. Werke und Tage
Gabriele Leupold wurde 1954 in eine Familie von Heimatvertriebenen hineingeboren: Ihr Vater stammte aus Schlesien, ihre Mutter aus Ostpreußen. Sie wuchs in Rheinland-Pfalz auf, mit dem Gefühl, „das eigentliche Leben spielt sich woanders ab“. Als Teenager las sie Dostojewskij und wollte Psychologie studieren. Dann aber wandte sie sich der Slawistik zu. Als sie Anfang der 1970er zum ersten Mal in die UdSSR fuhr, war sie von der Größe des Landes und der Vielfalt der Welten tief beeindruckt. Sie schloss Freundschaften, unter anderen mit Dissidenten. Bereits als Studentin begann Gabriele Leupold, anspruchsvolle Literatur zu übersetzen. Sie hatte von Anfang an eine Vorliebe für Autoren, „die aus Sprache bestehen“. Ossip Mandelstams „Gespräch über Dante“, übersetzt zusammen mit Wolfgang Beilenhoff, gehörte zu ihren ersten Publikationen. Heute können wir Andrej Belyj, Andrej Platonow und Warlam Schalamow in Gabriele Leupolds Übersetzung lesen. Gerne baut sie auch Brücken zwischen Menschen. Kurz vor dem Mauerfall hat sie zusammen mit anderen die Berliner Russischgruppe gegründet. Sie existiert bis heute und ist ein wichtiger Ort des Austauschs zwischen Übersetzer·innen unterschiedlicher Generationen.
Film Series Translating. Work and Days.
Gabriele Leupold was born in 1954 into a displaced family: her father originally came from Silesia, her mother from East Prussia. She grew up in Rhineland-Palatinate with the feeling that “real life is happening somewhere else”. She read Dostoyevsky as a teenager and wanted to study psychology. But then she turned to Slavic Studies. When she travelled to the USSR for the first time in the early 1970s, she was impressed by the size of the country and the variety of worlds. She made friends, also with dissidents. As a student she already began translating challenging works of literature. From the beginning, she had a love for authors who “consist of language”. Ossip Mandelstam’s “Conversation about Dante”, translated together with Wolfgang Beilenhoff, was one of her first publications. Today, we can read Andrei Bely, Andrei Platonov and Varlam Shalamov in Gabriele Leupold’s translation. She likes building bridges between people. Shortly before reunification, she founded the “Berliner Russischgruppe” with others. The group is still active and is an important place of exchange between translators of different generations.
Filmreihe Übersetzen. Werke und Tage
Rosemarie Tietze, geboren 1944 im Schwarzwald, kannte ihren Vater nicht – er „ist in Russland geblieben“, wurde im Krieg vermisst. Das sei wohl der biografische Grund, warum sie sich dem Russischen widmete, sagt Rosemarie Tietze. 1969 ging sie erstmals für längere Zeit nach Moskau, begegnete Menschen, die ihr die neue faszinierende Welt zu erschließen halfen. Schnell wuchs der Wunsch, diese Welt zu vermitteln, doch musste sie lange kämpfen, bis die Autoren, die ihr am Herzen lagen, in ihrer Übersetzung erscheinen konnten. Das hatte nicht zuletzt mit dem Kalten Krieg und der deutschen Teilung zu tun. Der wichtigste zeitgenössische Autor für Rosemarie Tietze ist Andrej Bitow, dessen Werk sie dem deutschen Publikum nahegebracht hat. Auch Tolstoi und Puschkin können wir heute in ihren Neuübersetzungen lesen. Neben ihrer Tätigkeit als Literaturübersetzerin hat Tietze sich früh für die Zunft eingesetzt. Dass es heute den Deutschen Übersetzerfonds gibt, ist ganz wesentlich ihrer Initiative und ihrem Engagement zu verdanken.
Film Series Translating. Work and Days.
Rosemarie Tietze, born in 1944 in the Black Forest, didn't know her father – “he never came back from Russia”, went missing in action during the war. That is likely the biographical reason why she dedicated herself to Russian, says Rosemarie Tietze. In 1969, she travelled to Moscow for the first time for a longer period and met people who helped her discover this fascinating new world. Her desire to convey this world grew quickly, but she had to fight for a long time before the authors so close to her heart could be published in her translation. This had not least to do with the Cold War and the divided Germany. The most important contemporary author for Rosemarie Tietze is Andrei Bitov, whose work she introduced to the German public. We can also read Tolstoy and Pushkin today in her retranslations. In addition to her work as a literary translator, Tietze was an early advocate for the guild. That the Deutscher Übersetzerfonds (German Tranlators' Fund) exists today is largely due to her initiative and commitment.
Filmreihe Übersetzen. Werke und Tage
Ganna-Maria Braungardt wurde 1956 in Crimmitschau in eine Schauspielerfamilie hineingeboren, wollte aber nie Schauspielerin werden. Sie ging in die UdSSR, studierte Slawistik und wurde 1984 als Lektorin für Sowjetliteratur im Verlag Volk und Welt eingestellt. „Eine traumhafte Arbeitsstelle“, erinnert sie sich heute. Bald begann Ganna auch zu übersetzen: Der Redakteur und Übersetzer Thomas Reschke vermittelte der jüngeren Kollegin die ersten Übersetzungsaufträge und half ihr solidarisch als Mentor. Als die Wende kam und sie alle gekündigt wurden, wollte Ganna ihren Beruf nicht aufgeben. Jetzt war sie es auch, die den älteren DDR-Kolleginnen als Mentorin half, sich den neuen Arbeitsbedingungen anzupassen. Ganna-Maria Braungardt hat sich als Übersetzerin aus dem Russischen einen Namen gemacht. In ihren Übersetzungen lesen wir u.a. Swetlana Alexijewitsch und Ljudmila Ulitzkaja. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine sieht sie ihre Arbeit als noch wichtiger an: „Wir sind heute nicht weniger, ja wir sind vielleicht sogar mehr gefragt als Vermittler“, sagte sie am 29.03.22 im WDR Kultur.
Film Series Translating. Work and Days.
Ganna-Maria Braungardt was born into a family of actors in Crimmitschau in 1956, but never wanted to become an actress herself. She went to the USSR, studied Slavic studies and was hired as an editor for Soviet literature at the Volk und Welt publishing house in 1984. "A dream job," she recalls today. Soon Ganna began translating as well: The editor and translator Thomas Reschke arranged the younger colleague's first translation assignments and showed her solidarity as a mentor. When reunification meant that everyone at the publishing house was laid off, Ganna didn't want to give up her profession. Now she was also the one who helped the older GDR colleagues adapt to the new working conditions as a mentor. Ganna-Maria Braungardt made a name for herself as a translator from Russian. She has translated, among others, Svetlana Alexeyevich and Lyudmila Ulitskaya. Since Russia's invasion of Ukraine, she sees her work as even more important: "We are no less in demand today, indeed we are perhaps even more in demand as mediators," she said on 29.03.22 on WDR Kultur.
Filmreihe Übersetzen. Werke und Tage
Aljonna Möckel wurde 1941 in Moskau als Kind des deutschen Antifaschisten jüdischer Herkunft und Musikwissenschaftlers Erwin Johannes Bach geboren. Der Holocaust, das Leben im Exil zwischen Stalin und Hitler, die Leningrader Blockade, der Krieg – all das hat in der Familiengeschichte tragische Spuren hinterlassen. 1947 kamen die Eltern zurück nach Berlin. Nach einem Slawistik- und Romanistikstudium in Jena begann Aljonna beim Verlag „Volk und Welt“ als Lektorin für sowjetische Literatur zu arbeiten. 1966 wurde ihr Sohn Dan, ein Kind mit besonderen Bedürfnissen, geboren. Das zwang sie, zu kündigen und es in der DDR als freiberufliche Übersetzerin zu versuchen. Gerne übertrug sie Texte, die einen in Fantasiewelten hinüberbringen: Kinderbücher und Science-Fiction. Im März 1989 nahm sie an der legendären deutsch-deutschen Übersetzerwerkstatt in Straelen teil. Nach der Wende schrieb sie zusammen mit ihrem Mann, dem Romanisten Klaus Möckel, Fantasy-Romane unter dem Pseudonym Nikolaj Bachnow.
Film Series Translating. Work and Days.
Aljonna Möckel was born in Moscow, the child of Erwin Johannes Bach, a German anti-fascist Musicologist of Jewish descent. The Holocaust, and a life in exile between Stalin and Hilter, the Siege of Leningrad, the war, all left their tragic traces in the family history. In 1947, her parents returned to Berlin. After studying Slavic Studies and Romance Studies in Jena, Aljonna started work for the publisher “Volk und Welt” as an editor of Soviet literature. In 1966, her disabled son Dan was born. This forced her to quit her job and try to make it as a freelance translator in the GDR. She enjoyed translating texts which describe fantasy worlds: children’s books and science fiction. In March 1989, she took part in the legendary German-German translation workshop in Straelen. After reunification, she wrote fantasy novels together with her husband, Romanticist Klaus Möckel, under the pseudonym Nikolaj Bachnow.
Filmreihe Übersetzen. Werke und Tage
Thomas Reschke, geboren 1932, erlebte als Siebenjähriger den Beginn und als Dreizehnjähriger das Ende des Zweiten Weltkrieges. 1945 floh er aus seiner Heimatstadt Danzig und nahm 1951 im kriegszerstörten Berlin das Studium der Slawistik auf. 1955 wurde ihm vom Staat die Stelle eines Redakteurs im Verlag „Kultur und Fortschritt“ zugewiesen. Als Teil eines „ideologischen Leitbetriebs“ lernte Thomas Reschke früh den Wert und die Grenzen der Freiheit kennen, wie sie im Arbeiter- und Bauernstaat DDR gelebt werden durfte. Nach der Fusion mit „Volk und Welt“ im Jahre 1964 hat Reschke fast 35 Jahre lang in diesem führenden DDR-Verlag für internationale Belletristik als Redakteur gearbeitet. 1956 begann er zu übersetzen. Seither hat er sich als einer der renommiertesten Übersetzer aus dem Russischen etabliert. Nach der Wende setzte er sich als Freiberufler durch, zum Teil in Zusammenarbeit mit seiner Frau Renate. In seinen Übersetzungen lesen wir u. a. Michail Bulgakow, Ilja Ilf & Jewgeni Petrow und Michail Soschtschenko.
Film series Translating. Work and Days
Thomas Reschke, born in 1932, experienced the beginning of the Second World War aged seven and its end aged thirteen. In 1945 he fled his home city of Gdansk and began studying Slavic studies in war-torn Berlin. In 1955 the state assigned him the job of editor at the publishing house “Kultur und Fortschritt”. As part of an “ideological leading company”, Thomas Reschke soon learned the value and the limits of freedom as it could be experienced in the workers’ and farmers’ state of the GDR. After the merger with “Volk und Welt” in 1964, Reschke worked in this leading GDR publishing house as an editor for almost 35 years. In 1956 he began translating. Since then he has become one of the most renowned translators from Russian into German. After reunification, he established himself as a freelancer, partly together with his wife Renate. He has translated, amongst others, Mikhail Bulgakov, Ilya Ilf & Yevgeny Petrov and Mikhail Shoshchenko.
Filmreihe Übersetzen. Werke und Tage
Claudia Dathe wurde 1971 in der Nähe von Leipzig geboren. In den vom Umbruch geprägten beginnenden 1990er Jahren nahm sie an der Universität Leipzig ein Übersetzerstudium mit osteuropäischen Sprachen auf. In den 1990er und frühen 2000er Jahren absolvierte sie mehrere Studien- und Arbeitsaufenthalte in Russland, Kasachstan und in der Ukraine, um die postsowjetischen Lebenswelten kennenzulernen und Transformationserfahrungen zu sammeln. In Kyjiw wurde sie 2004/5 Zeugin der Orangenen Revolution. Die Küche ihrer russischsprachigen Kyjiwer Freunde Mark Belorusets und Alla Zamanska wurde für sie zu einem Ort der Begegnung mit Intellektuellen und früheren Dissidenten, der Einblicke in die von Repressionen geprägten Sowjetjahre und der Diskussionen über Literatur und Übersetzen. Claudia Dathe fing an, Ukrainisch zu lernen. Heute ist sie eine der aktivsten Vermittlerinnen der ukrainischen Literatur hierzulande. In ihren Übersetzungen lesen wir u. a. Evgenia Belorusets, Marianna Kijanowska und Serhij Zhadan.
Film Series Translating. Work and Days.
Claudia Dathe was born in 1971 near Leipzig. She began to study Translation with Eastern European languages in the early 1990s, which were defined by turmoil. In the 1990s and early 2000s she spent several periods studying and working in Russia, Kazakhstan, and Ukraine, in order to get to know post-Soviet environments and gather experiences of transformation. In Kyiv, she witnessed the Orange Revolution in 2004/5. The kitchen of her friends in Kyiv, Mark Belorousets und Alla Zamanska became a place of encounter with intellectuals and early dissidents, of insight into the repressive years of the Soviet Union, and of discussions about literature and translation. Claudia Dathe began to learn Ukrainian. Today she is among the most active mediator of Ukrainian literature in Germany. She has translated Evgenia Belorusets, Marianna Kijanowska and Serhij Zhadan, amongst others.
Filmreihe Übersetzen. Werke und Tage
Thomas Weiler, geboren 1978 im Schwarzwald, versteht sich als jemand, der kleinere Nischen entdecken mag. Sein Interesse für die slawische Welt führte ihn nicht etwa nach Moskau, sondern nach Belarus. In Minsk hat er als Freiwilliger mit besonderen Menschen gearbeitet, Russisch durch russische Rockmusik gelernt und sich als Übersetzer an dem sowjetischen Kinderklassiker „Krokodil Gena und seine Freunde“ versucht. Thomas fand Spaß an der „Puzzelei“. Die bekannte deutsche Literaturübersetzerin Swetlana Geier ermutigte ihn, sich auf das Abenteuer Übersetzen einzulassen. Er ging nach Leipzig, studierte Übersetzen, entdeckte für sich die belarussische Sprache und Literatur. Heute übersetzt Thomas Weiler aus dem Belarussischen, Polnischen und Russischen. Sein Repertoire reicht von Kinderliteratur über Lyrik bis zu zeitgenössischen Romanen. Die Vermittlung belarussischer Literatur versteht Thomas Weiler als seine Mission. In seiner Übersetzung lesen wir Alhierd Bacharevič, Viktor Martinowitsch, Ziemowit Szczerek und andere Autor·innen.
Film series Translating. Work and Days
Thomas Weiler, born in 1978 in the Black Forest, understands himself as someone who likes discovering small niches. His interest in the Slavic world led him not to Moscow, but to Belarus. In Minsk he volunteered with disabled people, learned Russian through Russian rock music and experimented as a translator, working on the Soviet children’s classic “Crocodile Gena and his friends”. Thomas liked the puzzling it required. The well-known German translator Swetlana Geier encouraged him to get involved with the adventure of translation. He went to Leipzig, studied translation, and discovered the Belarusian language and its literature. Today, Thomas translates from Belarusian, Polish and Russian. His repertoire extends from children’s literature across poetry to contemporary novels. Thomas understands the mediation of Belarusian literature as his mission. He has translated Alhierd Bacharevič, Viktor Martinowitsch, Ziemowit Szczerek and many others.
Eine Verschreibung aus vorhandenen Worten und Bildern der bisherigen 13 Jahre, neu übersetzt, transformiert und collagiert im Jahre 2023.
Wahrhaftige Beschreibung der Tropikalisierung des ostdeutschen Künstlers Jan Brokof.
A prescription from existing words and images of the past 13 years, all newly translated, transformed and collaged in 2023.
A true description of the tropicalization of East German artist Jan Brokof.
Anthropophagie, die metaphorische Einverleibung europäischer Kunst und Literatur und deren Transformation in ein ‹Eigenes›, ist ein wirkmächtiger kultureller Topos aus dem brasilianischen Modernismus. Wie lässt sich der kannibalische Ritus des Verschlingens des Anderen auf den Prozess des Übersetzens übertragen? Welche Möglichkeiten, aber auch welche Schwierigkeiten birgt der Begriff eines ‹kannibalischen Übersetzens›?
Anthropophagy, the metaphorical assimilation of European art and literature and its transformation into something of one’s own, is a potent cultural topos in Brazilian modernism. How could the cannibalistic ritual of consuming others be applied to translation? What possibilities and difficulties are contained within the concept of "anthropophagic translation"?
Em seu texto para as Falas-TOLEDO, o poeta brasileiro Ricardo Domeneck discute como são tendenciosas nossas visões sobre o canibalismo e os sacrifícios humanos em nome da religião nos tempos coloniais e ainda hoje, também trazendo a noção de "nojo" em nossa relação com as outras espécies, antes de apresentar como a intimação de Oswald de Andrade a uma antropofagia cultural foi recebida em diferentes contextos históricos no Brasil e no exterior.
In his text for the TOLEDO TALKS, Brazilian poet Ricardo Domeneck discusses how biased our views of cannibalism and human sacrifice in the name of religion in colonial times could be and still are, also bringing the notion of 'disgust' in our relationship to other species, before introducing how Oswald de Andrade's call for a cultural Anthropophagy was received in different historical contexts in Brazil and abroad
Der brasilianische Lyriker Ricardo Domeneck erörtert, welche Vorurteile es gegenüber dem Kannibalismus und Menschenopfern im Namen der Religion in der Kolonialzeit gab und weiterhin gibt. Er setzt sich mit dem Begriff des Ekels in unserem Verhältnis zu anderen Spezies auseinander und stellt uns vor, wie Oswald de Andrades Aufruf zu einer kulturellen Anthropophagie in verschiedenen historischen Kontexten in Brasilien und im Ausland aufgenommen wurde.
zu Oswald de Andrade und Haroldo de Campos
Für die brasilianische Kultur des 20. Jahrhunderts ist Anthropophagie ein zentraler Begriff. Oliver Precht hat einige der wichtigsten Büchern und Texten zu dem Thema ins Deutsche übersetzt. In seinem Beitrag beleuchtet er die politische Dimension des allgegenwärtigen Verschlingens (und also Übersetzens) anderer Kulturen.
on Oswald de Andrade and Haroldo de Campos
Anthropophagy is a central concept in brasilian culture of the 20th Century. Oliver Precht has translated several of the most important texts on the topic into German. In his essay, he illuminates the political dimension of the ubiquitous devouring (and translating) of other cultures.
Zur deutschsprachigen Werkausgabe des slowenischen Autors Slavko Grum (1901-1949)
Seit den 90er Jahren war Erwin Köstler auf der Suche nach einem deutschsprachigen Verlag für das Werk des Prosa- und Theaterautors Slavko Grum (1901-1949), der einmal als „slowenischer Kafka“ bezeichnet wurde. 2006 erschienen Grums Prosatexte in der Edition Thanhäuser, in diesen Tagen erscheint nun eine zweibändige Werkausgabe im Verlag Johannes Heyn. In seinem TOLEDO TALKS-Beitrag beschreibt Erwin Köstler die Suche nach einem Verlag, seine Entschlossenheit, Grum einem deutschsprachigen Lese-Publikum zugänglich zu machen und wie sich seine Übersetzung durch die mehrmaligen Überarbeitungen im Laufe der Jahre immer weiter verändert hat.
Doppelpremiere von JUNIVERS und RENGA am 12. Januar 2023 im Haus für Poesie
»Für mich, seit 30 Jahren in Sachen Poesie unterwegs, ist es eine Selbstverständlichkeit, dass ich Bücher mit und Bücher zu Übersetzungen mache. Poesie liebt Übersetzung. Damit hat es sich aber auch schon mit den Selbstverständlichkeiten. Je älter ich werde, desto mehr schätze ich alles, was nicht selbstverständlich ist. Was sich von selbst versteht, wird schnell langweilig und öde. Mit dem, was sich von selbst und was man selber versteht, ist man schnell fertig. Je älter ich werde, weiß ich aber auch: Oft ist man zu schnell fertig. Oft verstehen wir vorschnell. Wir glauben, verstanden zu haben, haben aber vielleicht nichts erkannt.«
Beim Übersetzen von Najat El Hachmis Büchern muss sich Michael Ebmeyer heiklen Fragen stellen. Kann er als weißer Mann der Richtige sein, um Texte über den doppelten Kampf von Frauen gegen die Zwänge einer muslimischen Herkunftsgemeinschaft und gegen den Rassismus der Mehrheitsgesellschaft ins Deutsche zu übertragen? Behält Najat El Hachmi in seiner Version wirklich ihre Stimme? Nach zwei Romanen hat er nun ein Sachbuch von ihr übersetzt – ein kämpferisches Manifest über Feminismus und Identität. Da sind die Berührungsängste noch viel größer, doch zum Glück hat die Autorin selbst ein Wörtchen mitgeredet. Najat El Hachmis Wir wollen die ganze Freiheit! erscheint am 6. Januar 2023 im Orlanda Verlag.
Lyrik-Clips Kontinentaldrift
Kontinentaldrift ist eine vom Dichter und Schriftsteller Fiston Mwanza Mujila zusammengestellte Anthologie, die 2021 bei Wunderhorn erschienen ist. Sie kartografiert Stimmen und Gedichte des Schwarzen Europas. Sie stellt 33 Dichter·innen aus acht Ländern in der Originalsprache und in deutscher Übersetzung vor. Die persönlichen Werdegänge und Werke dieser Dichter·innen überschreiten nationale und kontinentale Grenzen. Sie wurden in Afrika, der Karibik oder Europa geboren, haben afrikanische Wurzeln. Gleichzeitig sind sie Kinder Europas, fast alle sind in Europa aufgewachsen. Ihre Poesie fordert den Begriff der Diaspora sowie den der Nationalliteratur heraus. Zwei der Autor·innen – Radna Fabias und Gioia Kayaga – haben Lyrik-Clips produziert.
Eine Koproduktion mit Burg Hülshoff – Center for Literature und TOLEDO.
„Wie umgehen mit einer Berührungsangst, die ich erst seit Kurzem verspüre? Seit der Begriff 'Kulturelle Aneignung' derart wahllos für alle möglichen Formen der Annäherung und Inspiration verwendet wird, dass er zum Kampfwort (...) verkommt?“ – fragt sich Patricia Klobusiczky in ihrem Beitrag, in dem sie offen und humorvoll diese neue Berührungsangst mit uns teilt. Gemeinsam mit dem britisch-nigerianischen Autor Ralph Leonard, der Schweizer Musikerin Sophie Hunger und anderen erkundet sie die Gefahren, vor allem aber die Chancen jener Form der Aneignung.
„Wie umgehen mit einer Berührungsangst, die ich erst seit Kurzem verspüre? Seit der Begriff 'Kulturelle Aneignung' derart wahllos für alle möglichen Formen der Annäherung und Inspiration verwendet wird, dass er zum Kampfwort (...) verkommt?“ – fragt sich Patricia Klobusiczky in ihrem Beitrag, in dem sie offen und humorvoll diese neue Berührungsangst mit uns teilt. Gemeinsam mit dem britisch-nigerianischen Autor Ralph Leonard, der Schweizer Musikerin Sophie Hunger und anderen erkundet sie die Gefahren, vor allem aber die Chancen jener Form der Aneignung.
Zur Neuübersetzung von Honoré de Balzacs Cousine Bette
Dass der französische Klassiker Cousine Bette von Honoré de Balzac nach einer Neuübersetzung geradezu schrie, zeigt Nicola Denis eindrücklich in ihrem Text. Mit dem Feingefühl einer Restauratorin antiker Gemälde bringt sie unter den Arbeiten ihrer Vorgänger – deren Fassungen aus den Jahren 1911 und 1923 stammen – einen Text zum Vorschein, der gerade in Bezug auf das Frauenbild Balzacs eine bedeutend andere Geschichte erzählt.
On the retranslation of Honoré de Balzac’s Cousin Bette
The French classic Cousine Bette by Honoré de Balzac was crying out to be retranslated, as Nicola Denis shows indisputably in this text. With the delicacy of a restorer of classical paintings she reveals what lies underneath the work of her predecessors, whose translations were published in 1911 and 1923. The text that emerges tells a significantly different story, especially with regard to Balzac's women.
Zur Überarbeitung der Übersetzung von Audre Lordes Autobiographie „Zami. A new spelling of my name“
Karen Nölle hat Audre Lordes Autobiographie nach 35 Jahren ein zweites Mal übersetzt. In ihrem TOLEDO TALKS-Beitrag berichtet sie, wie sich seit den 80er Jahren der Diskurs verändert hat, wie Computer und Internet beim Übersetzen helfen und wie sie während dieser eigenen Neuübersetzung ihrem Anfängerinnen-Ich wiederbegegnete.
On the revised translation of Audre Lorde's autobiography: Zami. A new spelling of my name
Karen Nölle has translated Aurde Lorde's autobiography a second time after thirty-five years. In her TOLEDO TALKS essay she reports on how the discourse has changed since the 1980s, how computers and the internet can help the translation process and how she re-encountered her beginner-self through her retranslation.
Was ist „sensible Sprache“, was soll uns die und was hat die mit Übersetzen zu tun?
In WOKE IST BROKE macht Pieke Biermann sich auf die Spur der sensiblen Sprache, vor allem der Assimilation von US-amerikanischem Vokabular im Umkreis von sozialer Gerechtigkeit. Anhand von Beispielen aus dem deutschen und englischen Sprachraum fragt Biermann sich, um welche Sensibilität es in der aktuellen Diskussion um sensibles Übersetzen/„Sensitivity Translating“ eigentlich geht und beschreibt eindrücklich, in welcher Umbruchsphase wir uns aktuell befinden. Sie analysiert die Bereicherungen durch Kultur-Transfer, thematisiert aber auch, dass wir in Deutschland Begriffe übernehmen, ohne die ihnen zugrundeliegenden Diskurse des Ausgangslands zu kennen.
„Und ich bin immer noch der Meinung, das Beste, um in all dem Gewusel nicht unterzugurgeln, sind ein offener scharfer Blick, ein kühler Kopf, Wissen. „Woke is broke“ habe ich das Ganze hier genannt – ein Zitat des schwarzen New Yorker Linguisten John McWhorter, dem ich auch einiges hier ausgebreitetes Wissen verdanke. Wissen also. Im Anfang war bekanntlich das Wort, also fangen wir mit einem an: WOKE.“
What is “sensitive language”, what is it good for, and what does it have to do with translating?
In WOKE IST BROKE, Pieke Biermann sets out on the trail of sensitive language, in particular the assimilation of US-American vocabulary in the context of social justice. Using examples from both German and English, Biermann asks what we actually mean when we talk about sensitivity in the current discussion about sensitive translating and describes the paradigm shift in which we currently find ourselves. She analyses enrichment through cultural transfer, but also addresses the fact that in Germany we adopt terms without an awareness of the underlying discourses of the country of origin. “And I still think the best way to avoid gurgling under in all the froth is still to have open, sharp eyes, a cool head, and knowledge. “Woke is broke” is what I’ve called all this – a quotation from the Black New York linguist John McWhorter, to whom I also owe some of the knowledge I display here. So, knowledge. In the beginning, as we know, was the word, so let’s start with words: WOKE.”
Zwischen Vergessen und Vergegenwärtigen. Zur Neuübersetzung von Viktor Schklowskis Zoo.
Sehr genau beleuchtet Olga Radetzkaja in ihrem Beitrag zur neuen deutschen Ausgabe von Viktor Schklowskis „Zoo“, wie Übersetzung Zeiten verbindet – und wie jede Neuübersetzung eine neue Tür zu einem Buch öffnet, hinter der sich oft etwas anderes verbirgt als erwartet. „Überlebensfragen“ ist eine Einladung, in den sehr besonderen Kosmos von „Zoo“ – das russische Berlin der 1920er Jahre –, in die verwickelte Editionsgeschichte und die überraschende Gegenwärtigkeit dieses 99 Jahre alten Textes einzutauchen.
Between Forgetting and Making Present. On the new translation of Viktor Shklovsky's Zoo.
In her contribution to the new German edition of Viktor Shklovsky's Zoo, Olga Radetzkaya illuminates how translation connects times - and how every new translation opens a new door to a book, behind which something unexpected is often concealed. "Questions of Survival" is an invitation to dive into the unique cosmos of Zoo - Russian Berlin in the 1920s -, into the tangled history of this edition and into the ways in which this 99-year-old text remains surprisingly contemporary.
Es war einmal ein Märchenbuch, das erzählte nicht nur Geschichten von den Reichen, Schönen und Heterosexuellen, nein, es gab in ihm auch ungewöhnliche Heldinnen, die keine blondgelockten Prinzessinnen waren.
Meseország mindenkié („Das Märchenland gehört allen“), 2020 im Verlag des ungarischen Lesbenverbandes Labrisz erschienen, ist ein unkonventionelles Märchenbuch, das auch Angehörige marginalisierter Gruppen ansprechen will und im In- und Ausland für viel Aufsehen sorgte – unter anderem deshalb, weil eine Parlamentsabgeordnete der nationalistischen Mi-Hazánk-Bewegung auf einer Pressekonferenz Seiten aus dem Buch schredderte. In „Berührungen weitertragen“ erzählt Christina Kunze uns die Geschichte vom „Märchenland für alle“ und wie es zum Bestseller wurde. Sie schreibt über die Herausforderungen des Übersetzens zu dritt, über Prozesse der Selbsthinterfragung und die doppelten Berührungsebenen beim Übersetzen eines Textes: „Woran wage ich zu rühren, aber auch: Wie sehr möchte ich mich von einem Text berühren lassen?“
Frank Heibert und Josée Kamoun haben mit ihren Neuübersetzungen von Orwells „1984“ viel gewagt, gerade auch mit der Entscheidung, den Roman ins Präsens zu setzen. Im Videogespräch tauschen sie sich über Tempus, Legitimität, Dialekt und Neologismen aus sowie über die verschiedenen stilistischen Herausforderungen ihrer jeweiligen Sprachwelten. Josée Kamoun hatte in den französischen Medien auch dadurch eine Debatte ausgelöst, dass sie das etablierte „Novlange“ in „Néoparler“ abänderte – und Big Brother beobachtet uns nicht nur, er duzt uns auch!
Dans leur traductions de „1984“ , Frank Heibert et Josée Kamoun ont tous deux osé transposer le roman au présent. Dans cette vidéo, ils échangent sur leurs choix de traduction touchant à la temporalité, la légitimité, le dialecte et les néologismes ainsi que sur les défis stylistiques posés dans leurs langues respectives. Josée Kamoun avait suscité un débat dans les médias francophones en remplacant „novlangue“ par „néoparler“ – et Big Brother ne se contente plus de nous observer – il se met aussi à nous tutoyer !
Aus den Perspektiven einer vielsprachigen Gruppe von Übersetzer·innen lässt sich der weltweite Resonanzraum Friederike Mayröckers erspüren: Bei der Lyrikkonferenz in Halle kamen sie alle zusammen, jeweils mit ihrer eigenen Mayröcker, um unseren Blick auf die Dichterin zugleich zu weiten und zu schärfen. Ausgehend von ihren Übertragungen diskutierten die Übersetzer·innen über Fragen der Texttreue und der dichterischen Freiheit. Auf dieser Reise durch verschiedene poetische Traditionen und Übersetzungskulturen offenbart sich, wie Mayröckers Werke in anderen Sprachuniversen neue Relevanz entfalten.
Podiumsdiskussion. Berührungsängste haben nicht nur in Zeiten der Coronapandemie Sonderkonjunktur – auch die Gespräche und Podien rund um das „Sensitivity Reading“ und „Sensitivity Writing“ haben seit der Debatte um Amanda Gorman die Übersetzungszone erreicht. Hinterfragt wird, was ein·e Übersetzer·in übersetzen darf und was nicht, ob das Übersetzen nicht über Fachwissen und Sprachexpertise hinaus auch ganz bestimmte persönliche Berührungspunkte voraussetzt. Ist nicht die Literatur und erst recht die Poesie der Ort, an dem in höchster Verantwortlichkeit für das Denken und Fühlen auch der Anderen agiert wird? Reicht sprachliche Sensibilität aus, um die Lücken zu füllen oder Ungerechtigkeiten zu beheben, die durch die weißen Flecken und Verdrängungen in Historiographie, Kulturgeschichte und Mentalitätsforschung erst entstanden sind? Gibt es Sensibilisierungsstrategien für Literaturvermittler·innen, die zu mehr Rücksichtnahme, Einfühlsamkeit und Gerechtigkeit führen, und wie lassen diese sich beschreiben?
»Von all der Berührerei – warum nur steckt Rührei darin? – abgeleitete Malaisen, die beim Übersetzen das Haupt heben und gern schlaflose Nächte bereiten, lassen sich bereits an dessen Oberflächen besichtigen, und wo man tiefer hinabsteigt, nehmen sie eher noch zu.«
»I think we should work towards a future in which translation is acknowledged as the blood-flow of cultural exchange and that its actors, the translators, become ever more evident and relevant in society.«
»Wir müssen auf eine Zukunft hinarbeiten, in der die Übersetzung als Blutkreislauf des kulturellen Austauschs anerkannt ist und die dabei Handelnden, die Übersetzerinnen, in unserer Gesellschaft immer sichtbarer und wichtiger werden.«
»Pois este sim é o meu maior medo na tradução: de no ato tradutório tornar meu texto, a forma como ele afetou minha leitura e me deslocou, transparente e invisível.«
»Because this, yes, is my biggest fear when translating: that in the act of translation, I should turn my text, and the way it affected me and moved me as a reader, transparent and invisible.«
»Denn das ist meine größte Angst bei der Übersetzung: dass mein Text im Akt der Übersetzung, die Art und Weise, wie er meine Lektüre beeinflusst und mich verändert hat, transparent und letztlich unsichtbar wird.«
»Die Differenz ist nicht nur nicht hinderlich, sie ist geradezu notwendig. Im Übersetzen entsteht das neue Leben des Textes, seine Lebendigkeit, nicht zuletzt aus der Spannung zwischen Ungleichheit und gespielter Gleichheit.«
»Not only does the difference pose no hindrance; it is absolutely necessary. In translation, the text’s new life, its vitality, stems largely from the tension between non-equivalence and the illusion, the “acting”, of equivalence.«
»Wenn ich es bedenke, stieß ich von Beginn an in meiner Arbeit als Übersetzerin auf sprachliche und politische Fragen - oder anders gesagt: Es wurde deutlich, dass übersetzerische und politische Fragen immer zusammen und ineinander verwoben auftreten. Es gab ihn nie, den rein-literarischen Moment. Literarisches Übersetzen zeigte sich von Anfang an als eine Arbeit, die zwar die stille und geduldige Hinwendung zum Text erforderte, aber selbst schon auf dem Papier und im Kopf nicht nur literarisch herausfordernd war.«
"If I think about it, I have encountered questions of language and politics since the very beginning of my work as a translator—or to put it differently: It became apparent that issues of translation and politics always present in conjunction and interlaced with one another. That pure literary moment, it never really existed. From the very beginning, literary translation proved to be a discipline that, while requiring serene and patient dedication to the text, poses challenges on the page, and to the mind, that go beyond the literary realm."
»Ich denke, beim Erzählen [und wahrscheinlich auch beim Übersetzen?] macht es schon einen Unterschied, ob man sich selbst als Hausherrin fühlt, und dann vielleicht mit einer Einfühlsamkeit der großen Gesten, beispielsweise, die „Fremden“ im eigenen Haus willkommen heißt, oder ob man das Gefühl, in jenem Haus selbst nur ein Schatten zu sein, der die Wände entlang huscht, von Innen kennt. Nur lassen sich diese Perspektiven nicht unbedingt am Namen oder Teint einer Übersetzerin ablesen.«
"I believe that when telling stories (and maybe also when translating?), it makes a difference whether you feel like the mistress of your own house, in which case you might then make grand compassionate gestures such as welcoming "foreigners" to your home. Or whether you feel, at your core, that you're no more than a shadow slinking along the walls of said house. A translator's name and skin colour don't necessarily reveal which of these perspectives she has."
»Zwar habe ich Diskriminierung (und die Angst davor) in unendlich geringerer Dosierung selbst erlebt und meine genau zu wissen, worum es geht – aber genau deshalb bin ich der Falsche für dieses Buch. Es geht mir viel zu nah. Die Worte würde ich finden können. Aber ich will nicht nach ihnen suchen, will sie nicht aus mir herausholen und durch mich hindurchschicken. Ich will nicht diese Stimme werden.«
»[...] while I’ve experienced discrimination (and the fear of it) myself in infinitely smaller doses, and I believe I know exactly what lies beneath it – this is exactly why I am the wrong person for this book. It hits far too close to home for me. I could find the words. But I don’t want to look for them, don’t want to get them out of me and convey them through myself. I don’t want to become that voice.«
»Mit dieser Haltung kommt man jedoch weder dem Weltfrieden noch einer guten Übersetzung näher, und beide hängen meiner Meinung nach unmittelbar zusammen. Denn die ganze Idee der Übersetzung an sich, auch als das, was man einstmals mit Völkerverständigung bezeichnete, wird ad absurdum geführt, wenn die Voraussetzung für sie ist, dass sich Autorin und Übersetzerin (männliche Form stets mitgemeint) möglichst ähnlich sein müssen (wobei sich noch die Frage stellt, was Ähnlichkeit eigentlich ist).«
"But this attitude doesn’t bring us closer to world peace, nor does it lead to good translations. The two, I’d argue, are directly linked: the whole idea of translation as such – and also as a form of what used to be called “intercultural understanding” – is reduced to absurdity if the prerequisite for it is that author and translator be as similar as possible. (This begs the question of what similarity actually means.)"
»Und es geht, wie gesagt, nicht ohne diesen Mut, gerade bei Texten, die mir selbst nicht nahe liegen, denn sie führen ja zu einer Erweiterung nicht nur des Übersetzerinnen-, sondern auch des oft so viel verzagteren Alltags-Ichs: Wenn ich mich beim und im Übersetzen von Texten berühren lasse, verändern sie mich.«
"Like I said, translation isn’t possible without courage. Especially when there is distance between myself and the text. Translating, in this case, extends both my translator-self and my frequently disheartened everyday-self. I'm changed by the texts I translate when I allow myself to be touched by them."
»Wir glauben, dass wir mit dieser Vermittlungsarbeit einen Prozess der Hinterfragung anstoßen können – einen Prozess, den wir nur zu gut kennen, weil wir ihn selbst durchlaufen haben, ohne behaupten zu können, irgendwie fertig oder irgendwo angekommen zu sein. [...] Wir brauchten ein Format, das über die bloße Veröffentlichung eines Buches hinausgeht, wir brauchten die Theaterbühne, um unsere Berührungsängste zu überwinden.«
» We realised that we would not be able to go it alone and that we needed a format that included staged readings, panels, a workshop, and an intense exchange between the French-language authors and their translators, directors, and actors in a German-language context. We needed a format that went beyond simply publishing a book, we needed the stage to overcome our Berührungsängste, our fear of touch. «
»Überrascht hat mich meine vage Scheu vor Texten, die mir doch seit vielen Jahren so vertraut sind. Vielleicht, weil ich wusste, wie schwierig nicht nur der sprachliche, sondern vor allem der kulturelle Transfer sein kann – insbesondere, wenn der Text explizit einfordert, Sprache in Handeln für die Verwirklichung positiver Visionen von einer anderen Welt zu verwandeln.«
»I was surprised by my vague hesitance toward texts that have been so familiar to me for so many years. Perhaps because I knew how difficult the transfer can be linguistically, particularly in cultural terms, when the text explicitly demands transforming language into action for the realization of positive visions of a different world.«
Veranstaltung im Literarischen Colloquium Berlin:
»Sister Outsider« – Audre Lorde
Buchpremiere, Screening, Gespräch, Szenische Lesungen, TOLEDO TALKS
Stream vom 22.04.21
»La dimensión somática de la traducción aparece durante el camino. Viajo agazapada, traduzco al andar, hay cuerpo en esa operación racional de mi mente traductora y mente en la última célula de mi cuerpo, en lo más profundo, que es la piel.«
»Das somatische Ausmaß des Übersetzens zeigt sich auf der Strecke. Ich reise geduckt, übersetze unterwegs, etwas Körperliches steckt im übersetzerischen Handeln meines Verstands und Verstand noch in der letzten Zelle meines Körpers, im Tiefsten, in der Haut.«
"The somatic dimension of translation emerges during the journey. I travel crouching, translate as I go; there’s body in that rational operation of my translating mind and mind in the last cell of my body, the deepest is the skin."
»Toute la difficulté mais aussi toute la beauté de la traduction découlent de là : respecter l’autre en tant qu’autre, avoir acquis une compréhension suffisamment profonde de sa langue poétique pour pouvoir la revêtir comme une seconde peau, que l’on endosse tout en la tissant.«
»Die ganze Schwierigkeit, aber auch die Schönheit der Übersetzung rührt daher: Das Andere als Anderes zu respektieren, ein tiefgreifendes Verständnis seiner lyrischen Sprache zu erwerben, um sie in dem gleichen Moment, in dem man sie webt, wie eine zweite Haut überzustreifen.«
"That is what makes all the difficulty, but also the beauty, of translation—respecting the other as other, possessing a deep enough understanding of his or her poetic language to be able to slip into it like a second skin, weaving it even as you pull it on."
מי שהוציא אותי מהבוץ היה רמרק עצמו. בריאיון טלוויזיה איתו על ״במערב אין כל חדש״ הוא אמר: ״הנושא שכתבתי עליו היה בעצם נושא אנושי גרידא, לאמור שצעירים בני שמונה עשרה, שאמורים היו בעצם להתייצב מול החיים, נשלחו לפתע אל מול פני המוות.״
»Aus diesem Sumpf gezogen hat mich kein anderer als Remarque persönlich. In einem Fernsehinterview über Im Westen nichts Neues sagte er: „Mein eigentliches Thema war ein rein menschliches Thema, dass man junge Menschen von 18 Jahren, die eigentlich dem Leben gegenübergestellt werden sollten, plötzlich dem Tode gegenüberstellt.“«
'Eventually it was Remarque himself who pulled me out of this rut. On a television interview about All Quiet on the Western Front, he once noted: “My subject matter was in fact purely human, that is, 18-year-olds who were meant to face life, then suddenly sent to face death.”'
Grenzverletzungen bei Wolfgang Hilbig
»Übersetze ich als Frau den Autor als Mann? Inzwischen nehme ich beim Denken darüber eine Haltung ein, von der ich kaum noch sagen kann, ob sie die Meine ist, so sehr ist sie von einer Überfülle an öffentlichen Haltungen bestimmt. Vielleicht ahme ich eine mir vorgeführte Haltung nach. Vielleicht nehme ich vielmehr reflexiv die Entgegengesetzte ein, aus Trotz oder – positiver ausgedrückt – dem Drang zum Ausgleich.«
Transgressing Boundaries with Wolfgang Hilbig
»Do I translate as a woman? Do I translate the author as a man? At this point in the current debate, these questions make me adopt an attitude that I’m not quite sure is really mine – it’s so heavily shaped by the discourse. Maybe I’m imitating one of the attitudes on display. Or maybe I’m automatically assuming the opposite attitude, out of orneryness or (a nicer way of putting it) a compensatory instinct.«
»Bei diesem „Unterschied ums Ganze“ setzt meine Aufgabe als Übersetzer an. Weil sich meine Persönlichkeit und meine Identität aus anderen biographischen Elementen und familiengeschichtlich vermittelten historischen Fakten zusammensetzen als die von Joshua Cohen, ist mein übersetzendes Lesen von Witz mitunter schmerzliche Arbeit an meinem kulturellen Vorverständnis.«
»My task as a translator begins with this ‘absolute difference’. Because my personality and my identity have been formed from different biographical elements and different historical facts mediated through family history than Joshua Cohen’s has, my exacting reading of Witz as a translator occasionally entailed painful work on my cultural pre-understanding.«
»French, my mother tongue, comes first, closely followed by English, its sister from another mother, so to speak. German and Spanish came into my life later, but also more or less at the same time: I like to think of them as adopted, heterozygous twins. I often slip or code switch. Keeping my languages in check requires constant efforts.«
»Meine Muttersprache Französisch kommt zuerst, dicht gefolgt von Englisch, ihrer Schwester von einer anderen Mutter sozusagen. Deutsch und Spanisch sind später in mein Leben gekommen: Ich betrachte sie als adoptierte, heterozygote Zwillinge.«
»Un malaise récurrent me prenait en ouvrant le livre, j’en faisais des cauchemars – et pour la première fois, j’éprouvais la fameuse « peur de la page blanche », dont je croyais les traductrices et traducteurs par essence épargnés. Je la fixais, l’esprit vide.«
»Ein hartnäckiges Unwohlsein packte mich, sobald ich das Buch aufschlug, es verfolgte mich bis in meine Träume – und zum ersten Mal hatte ich mit der berühmten Schreibblockade zu kämpfen, vor der ich immer geglaubt hatte, als Übersetzerin grundsätzlich gefeit zu sein. Mit leerem Kopf starrte ich auf die leere Seite.«
»I had nightmares—and for the first time in my life I was crippled by the famous ‘fear of a blank page’ which until then I had thought translators immune to. I stared at the empty screen, my mind drained.«
»Erdhi momenti i përkthimit të romanit “Kafsha e zemrës”/ ”Herztier” nga gjermanishtja në shqip dhe përballja me të m’i përfshiu të gjitha shqisat. Më përfshiu të gjithë kohën. Gjithë ditën, madje edhe gjumin e natës.«
»Als man mir die Übersetzung des Romans „Herztier“ der Nobelpreisträgerin Herta Müller anvertraute, erfasste die Konfrontation damit alle meine Sinne. Eine regelrechte Panik erfasste mich, raubte mir den Schlaf. Es war eine völlig neue, irritierende Erfahrung, und sie ging nicht zurück auf die Sorge, einem literarischen Text nicht gewachsen zu sein.«
»When I was entrusted with the translation of the novel Herztier by the Nobel laureate Herta Müller, the confrontation with this engulfed my senses. I was seized by a true panic and it robbed me of my sleep.«
»Ces lignes en forme de corde à sauter, qui tracent une frontière entre l’autre et moi, qui délimitent des espaces et, toujours, se montrent impuissantes à décrire tout ce qui se joue dans cette zone qui va de l’autre à moi et de moi à l’autre, serpentent aussi autour des livres.«
»Diese Linien in Form eines Springseils, die eine Grenze zwischen dem anderen und mir ziehen, die Räume begrenzen und stets machtlos sind, wenn es darum geht zu beschreiben, was sich in dem Bereich abspielt, der vom anderen zu mir und von mir zum anderen führt, schlängeln sich auch um die Bücher.«
»These lines that loop around me like a skipping rope, drawing a boundary between me and the Other, marking out spaces, incapable of describing what goes on in this zone that stretches from the Other to me and from me to the Other—these lines also trace boundaries around books.«
Amanda Gorman in deutscher Übersetzung. Podiumsgespräch
Amanda Gormans »The Hill We Climb« wurde durch ihren Auftritt bei der Amtseinführung von Joe Biden innerhalb kürzester Zeit berühmt. Die Bekanntgabe, dass Marieke Lucas Rijneveld als weiße Person die niederländische Übersetzung des Textes übernehmen sollte, löste große identitätspolitische Diskussionen aus, die schließlich im Rücktritt Rijnevelds mündeten.
»Allmählich wurde mir klar, dass diese Sprache nicht nur schön klingt, sondern auch die Grenzen meiner Welt verschieben kann. Zu Hause rief meine Liebe zur deutschen Sprache eher verhaltende Reaktionen hervor: „aber es gibt doch so viele schöne Sprachen auf der Welt!“ Meine spätere Berufswahl stieß auf ähnlich gedämpfte Begeisterung, zuletzt auf ein resigniertes „na gut, die Sprache des Feindes muss man können“.«
»It slowly dawned on me that as well as sounding beautiful, this new language had the power to shift my world’s borders. At home, my love of the German language met with a less than enthusiastic reaction: “But there are so many nicer languages in the world!” people said. My later career choice was just as coolly received; “Oh well, someone needs to speak the language of the enemy, I suppose,” is still a common response.«
»J’ai renoncé à traduire. Ce dilemme abstrait tant qu’on n’y est pas confronté de savoir si l’on peut traduire un texte qui va à l’encontre de ses opinions personnelles, et qu’on espère ne pas avoir à trancher (...) ce dilemme donc n’en était plus un arrivé à ce point.«
»Ich habe das Handtuch geworfen. Jenes Dilemma, das abstrakt bleibt, solange man sich nicht mit der Wahl konfrontiert sieht, ob man einen Text übersetzen kann, der im Widerspruch zu den eigenen Meinungen steht, und man der Entscheidung aus dem Weg zu gehen hofft, (...) jenes Dilemma also war an diesem Punkt keines mehr.«
»I turned down the translation. This dilemma, abstract until you are confronted with it, of whether you can translate a text that goes against your personal opinions, is something you hope never to have to decide upon, because the choice between earning a crust and sticking to your morals is anything but easy given the precariousness of your condition as a translator. But it was no longer a dilemma at this point.«
»Vor etwa zehn Jahren erhielt ich den schönen Auftrag, den autobiographischen Roman einer deutschen Autorin ins Ungarische übersetzen. Dass die Autorin in meinem Alter war, schien zunächst irrelevant zu sein, aber schon während der ersten Lektüre des Buches empfand ich, was ich hin und wieder gegenüber Autorinnen und Autoren, deren Werke ich übersetze, empfinde: eine Vertrautheit, ja seelische Verwandschaft, als seien wir Zwillinge. [...] Kurzum: ich hörte meine eigene Stimme in dem Buch, es beflügelte meine Arbeit.«
"Around ten years ago, I received the pleasant request to translate a German author’s autobiographical novel into Hungarian. The fact that the author was my age seemed irrelevant at first, but already during the first reading of the book, I felt what I sometimes feel towards authors whose works I translate: a familiarity, even a spiritual kinship – as if we were twins. I was particularly impressed by the matter-of-fact, detached, and ironic narrative tone, which was soothing in view of the expanse of the emotions and tragedy of the events depicted, and which I also like to echo in my own writing. In short, I heard my own voice in the book. It gave my work some wings".
»In these times of confinement and distancing, I’ve been thinking often about the desire for communion, for intimacy, for close contact with a kindred spirit or an admired mind. As so often happens, there is a perfect term in German to convey and give form to this feeling: Berührungssehnsucht. It is this desire for communion that is my principal drive as a translator.«
»In diesen Zeiten des Lockdowns und Abstandhaltens habe ich viel über die Sehnsucht nach Gemeinschaft, nach Nähe, nach einem engen Kontakt zu einer verwandten Seele oder einem klugen Kopf nachgedacht. Wie so häufig existiert auf Deutsch ein perfekter Begriff, um dieses Gefühl zu vermitteln und ihm eine Form zu geben: Berührungssehnsucht.«
Wenn das Genie mitliest
»Weil viele meiner Autor·innen fließend Englisch können, denke ich auch an sie, da sie unweigerlich mitlesen. Wer kann schon ermessen, wie groß der Einfluss ist, den sie auf mich haben, wenn ich sie unbewusst mitadressiere. Diese Berührungsangst habe ich weitgehend überwunden, doch sie lauert immer noch im Hintergrund. Bin ich der Aufgabe gewachsen, die Wünsche des Genies zu erfüllen? Kann ich Lyrik und Prosa überhaupt (nach-)schreiben? Indem meine Autor·innen mitlesen, mitdenken, mitschreiben, wandern sie – ihr Geist – mit in die Flasche, gehen mit auf die Reise ins Ungewisse. Wer weiß schon, von wem die Flasche gefunden wird.«
When the genius looks over your shoulder
»Because many of my authors are fluent in English, I also think of them as well, since they inevitably read along. Who can know how great an influence they have on me when I am unwittingly writing to them as well? I have largely overcome this Berührungsangst, but it still lurks in the background. Am I up to the task of fulfilling the wishes of a genius? Can I even (re)write poetry and prose? By reading along, thinking along, writing along, my authors – and their spirits – move into the bottle with me, go along on a journey into the unknown. Who knows who will find the bottle?«
»Il est communément admis qu’on ne sort pas indemne de certaines lectures, mais que dire alors de certaines traductions ? Du malaise ressenti au moment de transposer dans ma langue maternelle certaines émotions ou atmosphères, dérangeantes, malsaines, il reste des traces.«
»Fast jede·r würde unterschreiben, dass man aus so mancher Lektüre nicht unbeschadet hervorgeht, was aber ist mit manchen Übersetzungen? Vom Unbehagen, das mich befällt, wenn ich verstörende und negative Gefühle oder Stimmungen in meine Muttersprache übertrage? Natürlich hinterlässt das Spuren.«
»It is commonly accepted that you do not emerge unscathed from reading certain books, but what to say about translating them? Traces remain of the discomfort I felt when transposing some disturbing and unhealthy emotions or atmospheres into my mother tongue. Images that imprinted themselves on my brain, modifying my perception of certain situations, of certain objects in the world around me.«
»La vraie question que je souhaite me poser en tant qu’être humain, et donc en tant qu’autrice et traductrice, puisque mon métier consiste à dire le monde – le mien et celui d’une autre personne – avec mes mots, c’est : comment puis-je être une bonne alliée ?«
»Die eigentliche Frage, die ich mir als Mensch stellen will – und mithin als Autorin und Übersetzerin, denn meine Arbeit besteht darin, die Welt (meine eigene Welt und die anderer) in meinen Worten zu erzählen – diese Frage lautet: Wie kann ich eine gute Verbündete sein?«
»The real question I want to ask myself as a human being, and therefore as a writer and translator, since my job is to portray the world – mine and someone else's – with my words, is: how can I be a good ally?«
»L‘une de mes Berührungsängste était en effet non pas l’intuition que je ne disposais pas de l’horizon d’expériences nécessaire, mais au contraire, que j’étais trop proche de mon texte pour garder la distance salutaire à toute bonne traduction.«
»Eine meiner Berührungsängste bestand tatsächlich weniger in dem Gefühl, nicht den notwendigen Erfahrungshorizont zu besitzen, sondern im Gegenteil, ich stand meinem Text viel zu nah, um die nötige Distanz zu wahren, die jeder Übersetzung gut tut.«
»One of my Berührungsängste was indeed not the intuition that I did not have the necessary horizon of experience, but on the contrary, that I was too close to my text to maintain the healthy distance needed to produce a good translation.«
– Mais tu continues à penser que ça aurait dû être traduit par quelqu'un d’autre ?
– Je pense que ce serait bien qu'il y ait plusieurs traductions.
– Aber trotzdem findest du, dass das möglichst von jemand anderem hätte übersetzt werden sollen?
– Naja, ich denke, es wäre gut, wenn es mehrere Übersetzungen gäbe.
»Ich habe Berührungsängste meinem Land gegenüber. Was als Allüre begann, hat sich spätestens seit 2018, der Wahl Bolsonaros zum Präsidenten, zur Krankheit, zum Syndrom ausgewachsen. Ich bin krank an Brasilien, und an dem von Dummheit, Grobheit und Blutgier Besessenen an der Macht. Der schlechteste Präsident in der Geschichte dieses Landes, der meint, die Diktatur habe einen Fehler begangen, indem sie nur gefoltert hat, wo sie hätte töten müssen, genießt in der Bevölkerung auch weiterhin einen Zustimmungswert von ungefähr 40%.«
"I have Berührungsängste – fear of touch, contact, engagement – toward my country. What began as an affectation, no later than Bolsonaro’s election in 2018, had become a disease, a syndrome. I’m sick of Brazil, and of the man in power who is obsessed with stupidity, crudeness, and bloodlust. The worst president in the history of this country, who believes the dictatorship started with a mistake – only torturing where it should have killed – continues to enjoy an approval rating of about 40% nationally."
»Ängste hatte ich immer schon viele: vor anderen Menschen, vor lauten Zügen, vor Großstadt und Einsamkeit. Vor dem leeren weißen Blatt. Wahrscheinlich deswegen ist die Übersetzung in meinem Leben einst so wichtig geworden – sie öffnete mir den Großraum Literatur, blieb aber mit dem Gefühl der Nähe und Intimität verbunden. Mit 23 glaubte ich, mich hinter der Autor·in verstecken zu können, übersetzend meine literarische Stimme zu erheben, ohne mich direkt angreifbar zu machen.«
"I've always scared easily. I’ve been scared of other people, loud trains, big cities, loneliness. And of the blank page. Maybe that’s why translation assumed such an important role in my life when I discovered it many years ago: it opened the world of literature to me, yet it also created a sense of closeness and intimacy. At the age of 23, I thought I could hide behind the author, that I could find my literary voice without laying myself open to attack."
»Eure Einladung erreicht mich in der von außen betrachtet ruhigsten, sesshaftesten Periode meines Lebens, doch unter der lächelnden Oberfläche brodelt es gewaltig – keine Vorahnung, sondern Gewissheit: Es kommen härtere Tage. Meine bisherige Lebensstrategie war stets die Flucht – nur weg, immer weiter. Jetzt aber bin ich auf das innere Exil, auf ein Kopfdasein via ZOOM reduziert, bei dem man allem in die Augen schauen muss. In der Corona-Windstille und im Halbschlaf kommt alles hoch.«
»Your invitation reaches me in what is – seen from the outside – the calmest, most settled period of my life, but beneath the smiling surface there is an incredible churning – not a foreboding, but rather, certainty: harder days are coming.«
»Die bisher größte Berührungsangst beim Übersetzen erlebte ich bei der Neuübersetzung von Thomas Manns „Tonio Kröger“. Das Werk ist auch in Japan sehr bekannt, wurde mehrfach von renommierten Germanist·innen und Übersetzer·innen ins Japanische übersetzt – einige dieser Übersetzungen haben ihrerseits Klassikerstatus.«
"The greatest Berührungsangst – fear of touch, contact, engagement – I have experienced so far as a translator was with my new translation of Thomas Mann’s Tonio Kröger. The work is also very well known in Japan, and has been translated into Japanese several times by renowned German scholars and translators – for their part, some of these translations have classic status."
»Eine Übersetzerin, die den Mut hat, die vielen Tabuzonen zu berühren, muss mit Ärger rechnen. Als ich Ilija Trojanows „Der Weltensammler“ ins Usbekische übersetzte, wurden die Beschreibungen weiblicher Nacktheit oder Andeutungen körperlicher Annäherungen zensiert.«
"There are many taboo zones. A translator who dares to go near them can expect trouble. When I translated Ilja Trojanow's The Collector of Worlds into Uzbek, descriptions of female nudity and allusions to physical intimacy were censored."
»[...] Als Übersetzerin muss ich mich in seinen Kopf hineinschleichen, ihn aus der Nähe und aus der Distanz betrachten, die Spielanordnung des Autors studieren, irgendwie nachahmen. Ich muss Fabers Stimme hören, nicht nur im übertragenen Sinne, als Verkörperung der Syntax, sondern seine ganz reale: wie klingt sie?«
"[...] As a translator, I have to get inside his head, look at him up close and from a distance, study the author’s construction and somehow mimic it. I have to hear Faber’s voice, not just figuratively, as an embodiment of syntax, but his very real one: What does it sound like?"
»[...] Schwierig sind zur gleichen Zeit die Annäherungsversuche an Thomas Melles Die Welt im Rücken – eine längst überfällige, immer wieder unterbrochene Übersetzung, deren Stoff rund um die bipolare Erkrankung des Autors („wenn die Neuronen außer Rand und Band feuern“) mich als Hochsensitiven in Mitleidenschaft zieht. Die Arbeiten bedeuten lange Tage am Bildschirm, parallel zum Lockdown mit all seinen Folgen.«
"[...] At the same time, there are difficulties approaching Thomas Melle’s The World at Your Back [Die Welt im Rücken] – a long overdue, repeatedly interrupted translation whose subject matter revolves around the author’s bipolar disorder (‘when the neurons fire out of control’), which strongly affects me as a highly sensitive person. The work means long days in front of a screen, parallel to the lockdown with all its knock-on effects."
»Zu den „Berührungsängsten“ fällt mir als Erstes ein etwas aus der Mode gekommener Begriff ein: Berufsethik. Aspekte der Moral, des Respekts und der kritischen Reserve können sich darin ausdrücken – nicht die schlechtesten Begleiter im Leben als Grenzgänger zwischen den Sprachen und Literaturen.«
"For me, the first thing that comes to mind on the topic of Berührungsängste—fears of touch, of contact—is a somewhat outdated term: professional ethics. Contained within it are considerations of morality, of respect, and of critical restraint—not the worst companions for a life straddling borders between languages and literatures."
»[...] In diesem Moment wurde mir klar, was Zensur eigentlich ist. Sie ist eine Hexe, die Dichter verstummen und erblinden lässt. Mir ging durch den Kopf, dass der iranische Freund mit der Auswahl seiner Gedichte vielleicht vorsichtiger sein sollte. Sie zu publizieren war riskant.«
"[...] In that moment I realised what censorship actually is. It is a witch who silences poets and blinds them. I began considering whether my Iranian friend should be more careful in selecting his poems. Publishing them was risky."
»Vor relativ kurzer Zeit kam die Diskussion darüber auf, ob Schriftsteller und Übersetzer eine Legitimierung im Hinblick auf ihre Themen mitbringen müssen. Es wurde die Ansicht vertreten, sie müssten über den erforderlichen Erfahrungshintergrund verfügen, um einen „sensiblen“ Text entweder zu schreiben oder zu übersetzen. Nachdem ich gerade die Übersetzung des Erzählbandes Der Trost runder Dinge von Clemens Setz abgegeben habe, in der unter anderem auch das Thema einer Panikattacke behandelt wird, kann ich nicht behaupten, dass es mir in irgendeiner Weise geholfen hat, die „legitimierenden“ Kriterien für diesen Auftrag zu erfüllen. Ich habe zwar früher einmal eine Panikattacke durchgemacht, aber das wirkte sich auf die Übersetzung selbst kaum aus.«
"There has been some discussion recently about whether authors and translators ought to prove ‘legitimacy’ when it comes to representing certain themes. One view is that we can only write or translate a ‘sensitive’ text if we ourselves have had the experiences portrayed. Having recently completed my translation of Clemens Setz’s collection of short stories Der Trost runder Dinge (The Comfort of Round Things), which includes a depiction of a panic attack, I can’t say that having this type of ‘legitimacy’ somehow helped me. I have indeed experienced a panic attack, but this had a negligible effect on my translation."
»Eine bestimmte Art von Angst hat mich lange vom Übersetzen abgehalten: Anders als beim literarischen Schreiben hat man immer ein Original vor sich, das einen, so kommt es mir wenigstens vor, permanent anschaut. Einer vorher existierenden Schrift folgen zu müssen, hatte etwas Beängstigendes für mich.«
"For a long time, a peculiar type of fear deterred me from translation: unlike authors, we translators always have the original text in front of us, watching us, or at least that’s how it feels to me. There’s something daunting about having to follow an existing piece of writing."
»Translating, I’m accustomed to taking certain pages of text and transforming them into other pages of text. The blank page is not my home turf; it can be uncomfortable.«
»Beim Übersetzen bin ich es gewohnt, Seiten mit Text in andere Seiten mit Text zu verwandeln. Eine leere Seite ist kein vertrauter Ort für mich und löst ein gewisses Unbehagen aus.«
»1980er Jahre. Wir waren ein dreiköpfiges Team und hatten den Auftrag eines renommierten Teheraner Verlags erhalten, Brechts Gesamtwerk ins Persische zu übersetzen. Nach über zwei Jahren harter Arbeit und der Veröffentlichung der ersten Bände wurde Brecht auf eine schwarze Liste gesetzt. Die islamische Revolution von 1979 hatte gesiegt – Ende des Projekts.«
"The 1980s. We were a team of three and a renowned Tehran publishing house had commissioned us to translate Brecht’s complete works into Persian. After more than two years of hard work and the publication of the first volumes, Brecht was blacklisted. The Islamic Revolution of 1979 had won – and that was the end of the project".
»Bei Anna Seghers‘ Büchern, die einen so direkten historischen Bezug zu Mexiko haben, drängt sich eine mexikanische Variante geradezu auf, zumal die Werke hier wenig bekannt und nur schwer erhältlich sind.«
»Given that they have such a direct historical link to Mexico yet are practically unknown here, with copies very hard to track down, Anna Seghers’s books are virtually crying out for Mexican Spanish editions.«
»Etwas nicht berühren zu können, ist viel schlimmer. Dann hat die Angst gar keine Chance, wegzugehen. Vielleicht weil ich in dieser Nacht Zeugin einer wahren Berührung zweier Geschichten war, glaube ich an dieses Mittel noch immer.«
»Not being able to touch something is far worse, I thought, because there’s no way to release the fear. Perhaps it is because of this night on the train, when I witnessed two stories truly “touch“ each other, that I believe in the power and importance of touch.«
- Hattest du Berührungsängste, als du mich übersetzt hast?
- Ich hab sie immer noch.
Zur Neuübersetzung von Emmanuel Carrères L’Adversaire
Nicht oft erscheinen Bücher lebender Autor·innen in mehreren Übersetzungen – Emmanuel Carrères L’Adversaire gehört dazu. Warum Neuübersetzungen besonders deutlich machen, welche Stimmen in Texten sprechen, zeigt Claudia Hamms Blick auf die beiden deutschen Übersetzungen Der Widersacher und Amok. In einer komplexen (Selbst-)Beobachtung beschreibt sie, was beim und zwischen dem Lesen und dem Schreiben, sprich Übersetzen, passiert und warum ein Buch ruft.
It is not often that multiple translations of a book by a living author are published - Emmanuel Carrères L’Adversaire is one of them. Claudia Hamm's look at both German translations, Der Widersacher and Amok, shows the ways in which new translations make clear what voices speak in a text. In a complex (self-)observation, she describes what happens during and between reading and writing, that is to say, translating, and why a book calls out.
Dans sa nouvelle traduction de 1984, Josée Kamoun a décidé de transposer le roman au présent et a transformé les néologismes d’origine. La novlangue est devenue le néoparler et Big Brother vous y tutoie désormais. Dans son essai, elle lève le voile sur ces choix et nous découvrons comment cette nouvelle traduction nous sort de notre zone de confort littéraire.
In ihrer Neuübersetzung den Orwells 1984 trifft die französische Übersetzerin Josée Kamoun die Entscheidung, den Roman ins Präsens zu holen und die in die Alltagssprache übergegangenen Neologismen der ersten Übersetzung zu ersetzen. „Novlange“ wird „Néoparler“ und der Big Brother duzt einen künftig. In diesem Essay beleuchtet sie ihre Übersetzungsentscheidungen und wir erleben, wie diese Neuübersetzung uns aus der literarischen Komfortzone holt.
In her new translation of Orwell’s 1984, French translator Josée Kamoun opts to set the novel in the present tense and to replace the neologisms of the first translation that have passed into everyday language. Novlangue becomes néoparler, and Big Brother now addresses you as tu. In her essay, she sheds light on her translation decisions and on how this new translation takes us out of our literary comfort zone.
1984 – ein Klassiker, bei dem bislang meistens über den dystopischen Inhalt diskutiert wurde. Was er uns heute zu sagen hat und wie er in Gestalt von Neuübersetzungen lebendig bleiben kann, hat ebensoviel mit stilistischen Entscheidungen tun. Darüber denkt Frank Heibert – als Antwort auf Josée Kamoun – in seinem Essay nach.
1984 – a classic that to date has mostly been discussed for its dystopian themes. But what the novel can tell us today and how it can stay alive in the form of new translations is just as much about stylistic choices. This is what Frank Heibert – in response to Josée Kamoun – contemplates in his essay.
Eine Frau, die sich ihrer dysfunktionalen Familie, ja, eigentlich der ganzen Lebensrealität seit ihrer Jugend konsequent durch eine Flucht in die Welt der Bilder entzogen hat, wird 30 Jahre später beim Sterben ihrer Mutter zur Auseinandersetzung mit ihren Eltern gezwungen. Karoline Georges liest gemeinsam Frank Heibert, ihr deutscher Übersetzer, liest gemeinsam mit ihr einige Passagen und spricht mit ihr über ihre Thesen und Figuren und über die Übersetzung (Secession Verlag).
Karoline Georges et son traducteur Frank Heibert lisent des extraits de Synthese et s'échangent sur les sujets et les personnages du roman.
Die RundUmschau geht in die nächste Runde. Wir widmen uns internationalen Debatten und Neuigkeiten rund um das literarische Übersetzen. In dieser Ausgabe erreichen uns Ein- und Ausblicke aus Argentinien, Frankreich und Slowenien.
„In Frankreich ist das Thema maschinelle Übersetzung wie ein Seeungeheuer, das in regelmäßigen Abständen an die Oberfläche kommt“ – Durch die von Kolloquien und Debatten ausgelösten Wellen navigiert uns Olivier Mannoni mit Humor und anschaulichen Anekdoten aus der eigenen Übersetzungspraxis. Gnadenlos verrät er uns seine Prognose, was eine Zukunft reiner KI-Übersetzung bedeuten würde: nämlich „das Ende jeglicher fremdsprachigen Literatur“.
Sobre oralituras, oralitegrafías y conceptos que nos revitalizan
Beitrag zur RundUmschau#3
Über Oralituren, Oralithografien und Konzepte, die uns neue Kraft geben
„Gemeinsam anpacken zur Rettung der Sprache“, ruft Carla Imbrogno. Ein brandaktueller Bericht zu aktuellen Bewegungen im Bereich indigener Sprachen Südamerikas, ihrer Literaturen und Übersetzungen. Wir erfahren von Kollektiven und Netzwerken, die sich der Verdrängung indigener Sprachen entgegenstellen. Carla Imbrogno berichtet, wie „Oralituren, Oralithografien und Konzepte, die uns neue Kraft geben“, die indigene Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft neu miteinander verknüpfen – und was das mit Chumbe, einem traditionellen Gürtel, zu tun hat!
„Wir müssen gegen das Übersehenwerden kämpfen“: In Slowenien, wo die Namen von Übersetzer·innen traditionell oft auf Buchcovern genannt wurden, lässt sich seit einiger Zeit ein gegenläufiger Trend beobachten. Amalija Maček berichtet von verschiedenen Ereignissen, bei denen die Arbeit der Übersetzer·innen unsichtbar gemacht wurde. Sie beschreibt den rasanten Sprachwandel der slowenischen Sprache und gibt einen Ausblick auf die Rolle der Übersetzer·innen während des Gastlandauftritts Sloweniens auf der Frankfurter Buchmesse im Herbst.
Lange hat sie auf sich warten lassen – endlich ist sie da! Die zweite Ausgabe der RundUmschau präsentiert sich in neuem Gewand und neuer Zusammensetzung. Als Gemeinschaftsprojekt der DÜF-Schwestern TOLEDO und Babelwerk widmen wir uns internationalen Debatten und Neuigkeiten rund um das literarische Übersetzen. Im Herbst 2022 schauen wir in Richtung USA, Polen und Brasilien.
Zur soeben erschienenen Anthologie Violent Phenomena
Susan Bernofsky empfiehlt uns in ihrem Bericht dringend die Lektüre der frisch in den USA erschienenen Anthologie Violent Phenomena. Hier versammeln die Herausgeber Kavita Bhanot und Jeremy Tiang 21 Essays, die in ihrer Zusammenstellung unter den US-amerikanischen Rezensent∙innen als provokative Intervention für die internationale Übersetzungstheorie angesehen werden. Sowohl Übersetzer∙innen als auch Wissenschaftler∙innen nähern sich in ihren Beiträgen dem breiten Gebiet der literarischen Übersetzung im postkolonialen Zeitalter und rühren dabei auch an ganz grundsätzlichen Fragen, etwa zu Vielsprachigkeit, Diversity im Literaturbetrieb oder zum Einfluss persönlicher Erfahrungen und Erlebnisse beim Übersetzen literarischer Texte.
Sobre canibais, ex-operários, tradutores e milicianos
Über Kannibalen, ehemalige Arbeiter, Übersetzer·innen und Milizen
Die Übersetzerin Simone Homem de Mello taucht für uns in ihrem Beitrag tief in die Geschichte Brasiliens ein und begibt sich gemeinsam mit ihren Landsleuten auf die Suche nach einer nationalen Identität. Ein Meilenstein für die brasilianischen Künstler∙innen war das Anthropophagische Manifest des Dichters Oswald Andrade von 1928, in dem er eindrucksvoll beschreibt, wie sich die Künstler∙innen der brasilianischen Moderne die europäische Kunst einverleibten und in etwas ganz anderes, etwas Eigenes, umwandelten – eine Metapher, deren Anwendung auf die Tätigkeit des literarischen Übersetzens sich sofort erschließt. Heute wiederum gewinnt die Auffassung zunehmend an Bedeutung, dass Amerika und Brasilien nicht entdeckt, sondern von den Europäern besetzt worden sind. Dieser Paradigmenwechsel wirkt sich auch auf die Theorie und Praxis des literarischen Übersetzens aus, so Simone Homem de Mello.
Zu den polnischen Neuübersetzungen von Ulysses & Anne Of Green Gables
In Polen ist die Neuübersetzung eines Klassikers eher selten ein Thema, das nationale Aufmerksamkeit auf sich zieht. Vor kurzem jedoch sorgten Klassikerneuübersetzungen von James Joyce und Lucy Maud Montgomery für Furore im polnischen Feuilleton.
Tess Lewis berichtet über zwei kostbare Übersetzungsressourcen, die aus der pandemiebedingten Not eine digitale Tugend gemacht haben: die Tagung „Translating the Future“ und die Literary Translation Clinics. Gábor Schein und Lídia Nádori haben sich für uns die Neuübersetzungen von Dantes Göttlicher Komödie und Victor Klemperers Kultbuch LTI – Notizbuch eines Philologen ins Ungarische angeschaut und geben uns damit einen Einblick in die aktuelle ungarische Übersetzungspolitik.
Un jour, dans le village de Tèdi, un bélier blanc disparut. Rapidement, les soupçons se tournèrent vers un homme : le Vieux Amadou. Le voleur, c’était lui, ça ne pouvait être que lui. Le chef du village le convoqua au tribunal pour qu’il soit jugé.
Eines Tages verschwand im Dorf Tèdi ein weißer Widder. Rasch kehrten sich die Verdächtigungen einem Mann zu: dem Alten Amadou. Er war der Dieb, es konnte nur er sein. Der Dorfoberste lud ihn vor Gericht, damit ihm der Prozess gemacht würde.
Tuba war zehn Jahre alt, als sie in ihrer Einsamkeit ankam. Sie stand vor der Haustür, ihre Tränen unterdrückend, der schwere Schulranzen auf dem Rücken, die Beine müde von der Last, die auf ihrem Herzen lag.
Tuba avait dix ans lorsqu’elle rejoignit sa solitude. Elle était debout à la porte de la maison, ravalant ses larmes, son lourd cartable dans le dos, ses jambes chancelant sous le fardeau qui pesait sur son cœur.
En toute innocence
« Le monde est un ventre », voilà ce que j'ai pensé. Je me rappelle très bien. J’avais à peu près dix ans et j’étais dans une classe qui correspond en France au CM2. On abordait alors les premières leçons de russe.
In aller Unschuld
„Die Welt ist ein Bauch“, das habe ich gedacht. Ich erinnere mich genau. Ich war ungefähr zehn Jahre alt und ich war in der Grundschule. Wir packten damals die ersten Russischstunden an.
Erst als ich zu studieren anfing, habe ich auch ernsthaft damit begonnen, slavische Sprachen zu lernen. Meine Vorstellungen davon, wie sich 'die anderen Sprachen' wohl anhören, hatten sich bereits gebildet, am Englischen und den romanischen Sprachen. Denn obwohl ich in großer geographischer Nähe zur Tschechoslowakei aufgewachsen war, war der Klang slavischer Sprachen in meiner Kindheit abwesend: Wir führten gerade alle zusammen das Stück Eiserner Vorhang auf.
C’est seulement en commençant mes études que je me suis mise sérieusement à étudier les langues slaves. Je m’étais déjà formé, au contact de l’anglais et des langues romanes, une idée de la manière dont s’entendent les « autres langues ». Et bien que j’aie grandi tout près de la Tchécoslovaquie, la sonorité des langues slaves avait été complètement absente de mon enfance. Tous autant que nous sommes, nous étions alors les acteurs d’un spectacle qui s’appelait Rideau de fer.
Je me souviens, j’avais quatre ou cinq ans. Avec mes parents nous passions les vacances d’été en Italie et je jouais avec une petite fille italienne de mon âge. Je me souviens, sur la plage, je lui disais – et je me vois près de la mer, pieds nus, et j’entends la rumeur des vagues. Si je ne suis pas sûre de l’image, je suis sûre du son. Je disais, tu vois, ça, c’est une chaussure. Eh bien en français, ça se dit chaussure.
Ich erinnere mich, ich war vier oder fünf Jahre alt. Mit den Eltern verbrachten wir die Sommerferien in Italien und ich spielte mit einem kleinen italienischen Mädchen meines Alters. Ich erinnere mich, am Strand sagte ich ihr – und ich sehe mich nahe dem Meer, barfuß, und ich höre das Rauschen der Wellen. Selbst wenn ich mir des Bildes nicht sicher bin, bin ich es doch des Tons. Ich sagte, siehst du, das, das ist ein Schuh. Also auf Französisch heißt das „chaussure“.
Es war eine Liebesgeschichte, die mich nach Deutschland führte, kein Krieg und keine wirtschaftliche Not. Ich war eine aufstrebende Literaturwissenschaftlerin, die in ihrer jugendlichen Naivität glaubte, dass es genügt, fleißig zu sein, und dann wird schon alles gut gehen, das Gefühl der Fremdheit wird sich legen, man wird mir Professuren anbieten, und ich werde nicht nur über Frauenliteratur forschen, sondern unvergessliche Bestseller schreiben, in welcher Sprache auch immer.
C’est une histoire d’amour qui m’a amenée en Allemagne, pas une guerre et pas la détresse économique. J’étais une ambitieuse spécialiste de la littérature qui, dans la naïveté de sa jeunesse, croyait qu’il suffisait de bien travailler pour que tout aille bien, je pensais que le sentiment d’étrangeté se dissiperait, qu’on me proposerait un poste de professeur à l’université et que non seulement je travaillerais dans la recherche sur la littérature féminine, mais aussi que j’écrirais d’inoubliables bestsellers, dans une langue ou une autre, peu m’importait.
Beitrag aus dem JUNIVERS-Kollektiv für die Gedenkmatinée in der Volksbühne am 25.02.2024
Mit: Verica Tričković, Carmen Gómez García, Shane Anderson, Riikka Johanna Uhlig, Gonzalo Vélez, Dong Li, Namita Khare, Nicholas Grindell, Shane Anderson, Aurélie Maurin, Bela Chekurishvili, Iryna Herasimovich, Brane Čop, Douglas Pompeu