Können Sie jetzt arbeiten? Hat sich seit der Vorkriegszeit etwas verändert?

Grundsätzlich kann ich arbeiten. Generell fehlt es mir an nichts, denn ich bin zu Hause. Das einzige Problem — ich wohne in der Nähe von gleich zwei Militäreinrichtungen, reagiere aus alle Fliegeralarme und gehe jedes Mal in den Bunker. Das lenkt natürlich ab. Im Vergleich zurzeit vor dem Krieg hat sich alles komplett verändert, denn neue Aufträge gibt es nicht und wird es wohl auch in nächster Zeit nicht geben. Fertige Übersetzungen, die ich bereist abgeliefert habe und die bereits redigiert wurden (es sind 6!), werden in naher Zukunft höchstwahrscheinlich nicht publiziert. Sie hätten bereits vor langer Zeit erscheinen sollen. Das demotiviert natürlich. Wie auch die fehlende Bezahlung (Verlag in Charkiw) und die Verzögerung der Bezahlung (Verlag in Kyjiw).

Hat der Krieg Ihre Beziehung zu den Sprachen beeinflusst? Sind Sie sensibel für die Arbeit mit Nuancen?

Ich konnte zunächst überhaupt nicht arbeiten und verschob die Übersetzung bzw. das Korrekturlesen eines fertigen Textes um etwa 10 Tage. Ich konnte nicht an Elfen denken, und neue Arbeit kam auch hinzu: Ich räumte mit meinen Nachbarn ein paar Tage den Luftschutzbunker auf, brachte Vertriebene aus Charkiw bei mir zuhause unter und half anderen. Die Arbeit als Freiwilliger, ehrenamtliche Übersetzungen, rettete mich. Jeden Tag übersetze ich Nachrichten aus der Ukraine, Untertitel für Videos, Zusammenfassungen oder verschiedene Posts für Netzwerke oder Briefe an Politiker. Ich mache das seit der ersten Stunde des Krieges (bereits zwei Stunden nach Kriegsbeginn erschien mein Artikel über den Krieg in einer belgischen Zeitung). Dadurch konnte ich mich langsam wieder auf die künstlerische Übersetzung einlassen, zu ihr zurückzukommen. Aber die Produktivität ist gesunken. Früher übersetzte ich 16-20.000 Zeichen pro Tag. Jetzt sind es 4-6.000. Und über die Qualität kann ich nichts sagen. Ich habe beschlossen, einen fertigen Text ein Mal mehr als früher durchzulesen.

Machen Sie ein Foto von einem Gegenstand auf Ihrem Arbeitsplatz – eines, das während des Krieges eine symbolische Bedeutung für Sie hatte oder hat. Was bedeutet er für Sie?

Ich glaube nicht an solche Dinge. Ich glaube nicht, dass eine Statuette oder ein Kreuz helfen kann. Ich glaube an konkrete Taten. 2008 habe ich in Griechenland studiert und einige Georgier kennengelernt. Damals hat gerade bei ihnen der Krieg angefangen. Ich versuchte dann, sie zu unterstützen, wie ich konnte. Am fünften Tag unseres Krieges sind diese Georgier an ukrainische Grenze gekommen und haben unsere Frauen und Kinder, die auf der Flucht waren, mit Essen versorgt. Das ist wirklich inspirierend. Auf meinem Schreibtisch hat sich daher nichts geändert.

Svyatoslav Zubchenko