Können Sie jetzt arbeiten? Hat sich seit der Vorkriegszeit etwas verändert?

Ja, ich kann jetzt arbeiten. Tatsächlich konnte ich seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine arbeiten. Ich habe einen Arbeitsplatz, passende Technik und Voraussetzungen für die Arbeit. Ich muss aber sagen, dass sich der Arbeitsplatz und die Arbeitsbedingungen geändert haben. Ich war praktisch die ganze Zeit in relativ ruhigen Gegenden (bei meinen Eltern in Ternopil, bei Verwandten in der Region Ternopil). Um aber angemessen arbeiten zu können, brauche ich unter anderem einen separaten Raum, einen separaten Tisch und Stuhl. Manchmal gab es in diesen drei Monaten keinen separaten Tisch oder Stuhl. Ein separates Zimmer gab es überhaupt nicht, denn wenn viele Verwandte in einem Haus sind, ist das schwer zu organisieren. Es fehlt die Privatsphäre für die Arbeit.

Hat der Krieg Ihre Beziehung zu den Sprachen beeinflusst? Sind Sie sensibel für die Arbeit mit Nuancen?

Ja, der Krieg hat sowohl mein Verhältnis zur Sprache als auch meine kognitiven Fähigkeiten im Allgemeinen beeinflusst. Im ersten Monat war es sehr schwierig, mich auf die Arbeit zu konzentrieren, ich habe sehr wenig gearbeitet, ich habe sehr oft Pausen gemacht. Manchmal habe ich es vor dem Krieg geschafft, tagsüber 8 Übersetzungsabschnitte zu je 45 Minuten zu erarbeiten. Jetzt dauern diese Abschnitte 15 Minuten, manchmal 20-25 Minuten, und ich arbeite viel weniger. Mir scheint, dass ich nicht die geistige Kapazität habe, lange mit dem Text allein zu sein. Alle Ereignisse um mich herum und die Nachrichten haben eine sehr starke Wirkung auf mich und verursachen manchmal Angst, Wut oder große Traurigkeit. Ich habe fast keine Ressourcen mehr, um mit Texten zu arbeiten. Bitte beachten Sie, dass ich hier nicht von literarischer Übersetzung spreche. Seit Kriegsbeginn bearbeite ich an fast keinen literarischen Übersetzungen mehr (bis auf ein Gedicht). Ich rede von Texten für meine Arbeit im Art Arsenal, nämlich: Übersetzungen von Nachrichten, Ankündigungen von Veranstaltungen, Sachtexte zu Büchern und Literatur. Mir kommt es oft so vor, als seien Worte bedeutungslos.

Machen Sie ein Foto von einem Gegenstand auf Ihrem Arbeitsplatz – eines, das während des Krieges eine symbolische Bedeutung für Sie hatte oder hat. Was bedeutet er für Sie?

Das ist eine Vase mit Blumen. Ich habe auf meinem Schreibtisch fast immer eine Vase mit Blumen der Saison. Und ich bemühe mich, diese Tradition während des Krieges zu wahren. Wenn ich die Blumen anschaue, sehe ich Schönheit. Die Schönheit lenkt ein bisschen vom Krieg ab.

Nataliia Drapak