FILBA ONLINE 2020
Buenos Aires. Ciudad de traducciones
16. Oktober–16. November 2020
Wir möchten das Übersetzen als einen Prozess begreifen, der sich zwischen Sprachen und Sprechweisen entfaltet; als eine individuelle, solitäre Arbeit, und als Schauplatz des Sozialen; wir möchten die Übersetzung als einen Gegenstand verstehen, der von Subjekten, von Übersetzer·innen erschaffen wird, die die Welt der Sinne und Klänge still durchstreifen, um die Literatur so getreu wie möglich ans andere Ufer zu bringen.
In Werkstätten, Gesprächen und Performances von Buenos Aires. Ciudad de traducciones begegnen sich Sprechweisen, Sprachen, Versionen und Originale.
Auszüge aus dem Programm
Werkstatt „Vom Text zum Lied“
Was bedeutet es, Worte zu singen? Was macht die Stimme mit den Worten? Sind gesungene Worte schon ein Lied? Ist ein Liedtext ein Gedicht? Kann ein Gedicht ein Lied sein? Wie findet die Musik zum Text? Und der Text zur Musik? In dieser Werkstatt werden wir den Worten mit unserer Stimme begegnen, um sie in ein Lied zu verwandeln. Wir werden Texte loslassen und in ein Lied übersetzen. Wir werden uns vom Rhythmus der Texte zum Lied hinführen lassen. Dafür braucht es weder musikalische noch gesangliche Vorkenntnisse, sondern Experimentierfreudigkeit, sowie die Lust am Text und am Spiel mit der Stimme – ganz egal wie es am Ende klingt. Englischkenntnisse werden vorausgesetzt, weil die Werkstatt in dieser Sprache stattfindet. Die Übungen können auch auf Spanisch abgehalten werden. Leitung: Josepha Conrad.
Blinddate mit der Übersetzung
Raum für spielerische und partizipative Begegnungen mit den kreativen Prozessen, die das literarische Übersetzen in verschiedenen linguistischen und kulturellen Systemen ausmacht. Vier durch literarische Übersetzer*innen koordinierte Online-Dates richten sich an all jene, die sich einer – bekannten oder unbekannten – Sprache durch die Übersetzung annähern wollen: Blinddate mit der Übersetzung aus dem Koreanischen (unter Leitung von Nicolás Braessas); aus dem Quechua Santiagueño (Gabriel Torem); mit der Übersetzung von Haikus (Martín Felipe Castagnet); sowie ein Blinddate mit der experimentellen Übersetzung (Léonce Lupette). Vorkenntnisse im Übersetzen oder der Ausgangssprache sind nicht nötig.
Jedes Ding ist alle Dinge: Cynthia Edul, Silvia Gómez Guisto, Paula Salomón
Ein Berg von Büchern, eine zufällige Privatbibliothek. Eine Frau nimmt ein Buch in die Hand und liest wahllos eine Stelle vor. Und eine andere Frau antwortet mit einem anderen Fragment aus einem anderen Buch, ein gewagter Zufall. Wenn die Entfernung zunimmt, sind Worte eine Brücke. Gleichzeitig tippt jemand alles, was sie hört, in ein geteiltes Dokument. Sie interpretiert, übersetzt und nimmt Notizen nach Lust und Laune, verwickelt sich in ihre eigenen Assoziationen und Erfahrungen. Ein weißes Blatt will sie sein, sie versucht es. Und das so eingefangene Lesen, die Notizen, die den Sinn verfolgen ohne ihn jemals erreichen zu können, konstruieren einen kollektiven, fortlaufenden Text aus purer Gegenwart. Jedes Ding ist alle Dinge ist eine Remote-Performance, basierend auf „El espíritu es un libro“ („Der Geist ist ein Buch“) von Agustina Muñoz und Bárbara Hang.
URL-Poesie: Virtuelles Schreiben und andere Codes.
Was passiert, wenn die Literatur in alternative Räume vordringt und sich mit anderen Mechanismen und Sprachen vermischt? In dieser digitalen Performance, die während der neun Tage der FILBA online zugänglich sein wird, präsentieren lateinamerikanische Künstler·innen, Autor·innen und Verleger·innen Projekte, in denen die Literatur zu expandieren scheint, als eine Form der Übersetzung nicht mehr zwischen Sprachen, sondern zwischen Systemen. Memes, Bots, Videogedichte, Zufallsliteratur, Ökopoesie, Internetorakel: die Übersetzung strebt hier nicht nach größtmöglicher Texttreue, sondern ganz im Gegenteil nach Brüchen, Rekonstruktionen und nach der Aktualisierung von Sprechweisen und neuen Sinnschichten. Idee und Produktion: Javiera Pérez Salerno. Design und Entwicklung: Gastón Lozano
„Nehmen wir einmal an“ Biodrama über das Übersetzen und die Übersetzer*innen
Eine Performance, in der Übersetzer·innen die Rolle von Schauspieler·innen übernehmen. Die Teilnehmenden werden mit einer Reihe von Widerständen konfrontiert, die allen professionellen Übersetzer·innen nur zu gut bekannt sind: unübersetzbare Poetiken, kulturelle Kolonialismen, falsche Freunde, schlechte Bezahlung. Indem unsere Held·innen an einem Wettbewerb um einen Toaster oder Bettwäsche teilnehmen, zerstören sie aus Versehen die Seele des Algorithmus: Wird es jemals ein Übersetzen ohne menschliches Zutun geben?
Ein Text von Rafael Spregelburd, in Zusammenarbeit mit Ian Barnett, Manuela Cherubini, Frances Riddle, Rodolfo Prantte, Ariel Dilon, Javier Marra und Svenja Becker. Konzept, Leitung und Inszenierung: Alejo Moguillansky und Rafael Spregelburd.
Ciudad de traducciones ist ein TOLEDO-Programm, das zudem durch das Goethe-Institut und Looren América Latina unterstützt wird und im Rahmen von FILBA ONLINE stattfindet.