REPUBLIK DER ÜBERSETZER II
La république des traducteurs 2
5. Oktober 2019
Die Übersetzung wird zum Theater und das Theater zur Übersetzung: Mit der zweiten Ausgabe der "Republik der Übersetzer" feiert TOLEDO am 5. Oktober die Inszenierung von Übersetzung als kollektives Erlebnis - und zwar auf der großen Bühne des Théâtre de la Colline im 20. Pariser Arrondissement.
Acht Übersetzerinnen und Übersetzer des Theaterautors Valère Novarina versammeln sich im großen Theaterraum, um ihre Übersetzungen live zu diskutieren und neu zu inszenieren: ein großformatiges, mehrsprachiges, mehrstimmiges Szenenformat, sowohl "Gläserner Übersetzer" als auch Theaterlabor.
Mit den Übersetzern Georgine Ayoub, Gioia Costa, Amin Erfani, Yuriko Inoue, Natalia Mavlevitch, Louisa Mitsakou, Zsofia Rideg und Leopold Von Verschuer.
Die Kuratoren Constantin Bobas (Universität Lille) und Marco Baschera (Universität Zürich) über das Projekt:
"Der Titel unserer Veranstaltung weist auf die Bedeutung hin, die wir der Übersetzung beimessen. Als genuine Möglichkeit, Kontakte zwischen den Kulturen und den Sprachen herzustellen birgt sie auch eine eminent politische Dimension in sich. Schon anlässlich unserer ersten Veranstaltung vom Januar 2011 im Théâtre de l’Europe in Paris ist uns (der Autor Valère Novarina mit einbegriffen) aufgefallen, wie sehr diese Begegnung zwischen Übersetzerinnen und Übersetzern aus der ganzen Welt eine neue, präzise und zugleich konkrete, menschliche Form von Globalisierung ermöglichte, die nicht über das globale Englisch läuft. Es ist uns damals gelungen, vor einem aufmerksamen Publikum, die grossen Unterscheide aufzuzeigen, die zwischen den Zugängen verschiedener Sprachen zu ähnlichen Inhalten bestehen. Diese Zugänge zielten jeweils auf ein universell Sprachliches, das einem begrifflichen Denken verschlossen bleibt und das nur in der Übersetzung aufscheinen kann. Diese fungiert als « Prüfstein des Fremden » (« l’Épreuve de l’étranger » gemäss dem Titel eines Buchs von Antoine Berman von 1984).
Das neue Projekt sieht wiederum vor, acht Übersetzerinnen und Übersetzer des Theaterautors Valère Novarina aus der ganzen Welt einzuladen und in einem Theaterraum zu versammeln. Die Moderatoren werden ihnen drei kurze Ausschnitte aus Texten von Novarina vorlegen. Jede und jeder von ihnen verfügt über einen Computer und ein Mikrophon, das ihnen erlaubt, miteinander und mit den Moderatoren in einem auch für das Publikum hörbaren Dialog zu treten. Ihre Übersetzungen erscheinen laufend auf einer grossen Leinwand, wo sie sich um das französische Original in der Mitte gruppieren. Dadurch entsteht ein Fokus gemeinsamer sprachlicher Entdeckungen, der sich gerade aus der Verschiedenheit der Sprachen nährt.
Um den Zugang zu diesem gemeinsamen sprachlichen Fokus zu ermöglichen, braucht man weder mehrsprachig zu sein, noch über besondere Kenntnisse im Umgang mit Sprachen zu verfügen. Die Arbeit der acht Übersetzerinnen und Übersetzer, die von ihren Kommentaren und Fragen begleitet wird, erlaubt es dem Publikum, an der Entstehung dieses Fokus teilzunehmen. Insofern handelt es sich um eine offene Form der sprachlichen Produktion. In der « Republik der Übersetzer » verbreitet sich die der Übersetzung immanente geistige Kraft wellenförmig. Sie durchquert die Sprachen, die verschiedenen Schriften und Kulturen. Dabei vermag sie, die Spuren des kreativen Zusammentreffens aus ihnen herauszuholen und diese Spuren auf der Bühne des Théâtre de la Colline erscheinen zu lassen.
Ziel ist auch, das Spezifische der Theaterübersetzung in ihrem performativen Charakter hervorzuheben, der seinerseits eine Verbindung zu den alltäglich gesprochenen Sprachen eröffnet. Das Theater Novarinas, das seine Kraft aus dem Atem der Schauspieler bezieht, vermag über die, dank der Übersetzung stattfindende blosse Vermittlung verschiedener Kulturräume hinaus einen Bezug zur menschlichen Sprache an sich herzustellen. Es geht darum, in den verschiedenen Sprachen eine vergessene, ihnen aber gemeinsame Dimension des Atmens der Wörter und Sätze wieder zu erwecken. Dabei muss der Übersetzer sowohl den Bühnenraum wie auch die Dynamik der in ihm gesprochenen Sprache bedenken. Diesem Zusammenspiel von Raum und theatralischem Sprachfluss in der Übersetzung kann eine eigene Art von dramatischem mehrsprachigem Denken entspringen.
Die Übersetzungen in den verschiedenen Sprachen können sich gemäss ihrer eigenen Geschichte und ihren eigenen Vorstellungswelten gegenseitig berühren, verbinden, aber auch trennen. Der öffentliche Raum, der sich in der „Republik der Übersetzer“ bildet, weist einerseits, bedingt durch die Qualifikation der daran beteiligten Übersetzer und Moderatoren, einen hohen Anspruch an Strenge auf. Andererseits handelt es sich um einen durchaus heiteren Raum, in welchem im spielerischen Zusammentreffen von Kulturen und Sprachen neue Formen der Globalisierung aufscheinen, die nicht dem blossen Macht- und Zweckdenken geschuldet sind."
https://www.colline.fr/spectacles/la-republique-des-traducteurs-2